Ein Jahr Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Zahlen zeigen deutlichen Trend
In Deutschland sind rund 1,34 Millionen Stellen offen. Fachkräfte aus dem Ausland sollen die Lücken füllen. Deren Zahl ist mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz deutlich gestiegen. Die Zielmarke ist aber längst nicht erreicht.
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Der Fachkräftemangel in Deutschland ist enorm. Abhilfe soll der Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland schaffen.
Es gibt diese berühmte Szene in dem Film „Das Leben des Brian“ von Monty Python, in der Vertreter*innen der Judäischen Volksfront darüber diskutieren, was die Römer je für sie getan haben. Eigentlich eine rhetorische Frage, auf die es dann aber doch eine ganze Menge Antworten gibt.
Ähnlich verhält es sich aktuell mit der reichlich unbeliebten ehemaligen Ampel-Regierung. Ein höherer Mindestlohn, sichere Energieversorgung und deutlich mehr Fachkräfte aus dem Ausland könnte in diesem Fall die Antwort lauten.
200.000 Visa im vergangenen Jahr
Denn vor einem Jahr, im November 2023, wurden mit der ersten Stufe des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes dafür die Weichen gestellt. Seither bietet Deutschland eine deutlich größere Flexibilität für gut qualifizierte Fachkräfte sowie Erleichterungen für ausländische Akademiker*innen bei der „Blauen Karte EU“. Ab März 2024 wurde in einem zweiten Schritt erstmals Arbeitskräften die Einwanderung auf Basis ihrer Berufserfahrung ermöglicht. Hinzu kam im Juni die Einführung der Chancenkarte als neue Möglichkeit, zur Jobsuche nach Deutschland zu kommen.
Diese Regelungen zahlen sich offenbar aus. Denn wie die Bundesregierung nun bekannt gab, wurden im ersten Jahr der Reform rund 200.000 Visa zu Erwerbszwecken erteilt. Das bedeutet einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (177.578) um mehr als zehn Prozent. Als besonders erfreulich bewertet die Bundesregierung das große Interesse von Menschen, die in Deutschland studieren, eine Berufsausbildung machen oder ihren ausländischen Abschluss anerkennen lassen wollen.
Deutlich mehr Azubis und Studierende
Demnach ist die Zahl von Visa für Studierende aus Drittstaaten um mehr als 20 Prozent gestiegen, bei Auszubildenden gar um zwei Drittel. Bei Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen verzeichnet die Bundesregierung ein Plus von knapp 50 Prozent.
Entsprechend positiv bewerten die SPD-Minister*innen die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zu ihrem ersten Geburtstag. „Wir sorgen dafür, dass wir die Arbeits- und Fachkräfte gewinnen, die unsere Wirtschaft seit Jahren dringen braucht“, gibt Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu Protokoll. Das sei entscheidend für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Die Zahlen zeigten, dass die Veränderungen wirkten. „Bürokratische Hürden haben wir aus dem Weg geräumt. Jetzt geht es weiter darum, für unser modernes Land zu werben und die Verfahren hier noch digitaler und schneller zu machen“, sagt Faeser.
Heil: „Wirtschaft braucht qualifizierte Fachkräfte“
Ähnlich positiv äußert sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Unsere Wirtschaft braucht qualifizierte Fachkräfte. Deshalb haben wir ein modernes Einwanderungsrecht geschaffen und bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt. Wir haben für Auszubildende und Menschen mit Berufsausbildung neue Wege in unsere Betriebe geebnet, die händeringend fleißige Hände und kluge Köpfe suchen.“
Das Gesetz wirke, die Visaerteilung und die Beratungsgespräche im Ausland seien auf einem Rekordniveau. Deswegen kündigt Heil an: „Diesen Weg werden wir weitergehen, denn hochqualifizierte Fachkräfte bringen unser Land voran.“
Wie groß der Bedarf ist, zeigt ein Blick auf die demografische Entwicklung im Land. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in den vergangenen fünf Jahren insgesamt um 1,6 Millionen angestiegen. Dieser Anstieg ist jedoch zu 89 Prozent auf Ausländer*innen zurückzuführen. Mehr als zwei Drittel davon waren Angehörige von Drittstaaten. Somit trage die Fachkräfteeinwanderung aus dem Ausland laut der Bundesregierung ganz erheblich zur Linderung der Bedarfe der deutschen Wirtschaft und zur Wohlstandssicherung bei, so Heil.
Mehr Digitalisierung, bessere Willkommenskultur
Die aktuelle Zahl liegt allerdings noch deutlich hinter den von der Bundesregierung anvisierten 400.000 Fachkräften, die künftig pro Jahr aus dem Ausland nach Deutschland kommen sollen. Zugleich gab es hierzulande im zweiten Quartal 2024 rund 1,34 Millionen offene Stellen. Entsprechend hat sich auch die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Verfahren weiter zu beschleunigen. Das beinhalte vor allem eine konsequente Digitalisierung, um die Einwanderungsvoraussetzungen möglichst effizient prüfen zu können.
Darüber hinaus gilt es, auch eine größere Willkommenskultur zu schaffen. Denn mit Blick auf die Attraktivität für Fachkräfte lag Deutschland im OECD-Vergleich im vergangenen Jahr nur auf Platz 15. „Wenn wir als Land Menschen aus dem Ausland deutlich schneller und effektiver integrieren, kosten uns Migranten keine zig Milliarden, wie in der öffentlichen Debatte oftmals pauschal unterstellt, sondern bringen unserer Volkswirtschaft zusätzliches Wachstum und dem Staat dringend benötige Steuereinnahmen“, sagt auch Marcel Klinge, Vorstandschef der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo