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Bürgergeld-Reform: Wie mehr Menschen wieder in Arbeit kommen können

Sollten Union und SPD eine Regierung bilden, wollen sie das Bürgergeld reformieren. Worauf es dabei ankommt, hat nun die Bertelsmann Stiftung ermittelt. Einen zentralen Punkt des Bürgergelds unterstützen die Forscher dabei ausdrücklich.

von Kai Doering · 17. März 2025
Die Jobcenter sollten weniger für die Verwaltung und stattdessen für die Vermittlung von Arbeitssuchenden ausgeben, meinen die Arbeitsmarkt-Experten der Bertelsmann Stiftung.

Die Jobcenter sollten weniger für die Verwaltung und stattdessen für die Vermittlung von Arbeitssuchenden ausgeben, meinen die Arbeitsmarkt-Experten der Bertelsmann Stiftung.

Es war eines der wichtigsten Projekte der Ampel-Regierung. Am 1. Januar 2023 ersetzte das Bürgergeld die sogenannte Hartz-IV-Gesetzgebung. Damit verbunden war auch ein „Systemwechsel“ wie die für das Bürgergeld zuständige SPD-Bundestagsabgeordnete Annika Klose damals betonte: Statt Arbeitssuchende „auf Teufel komm raus“ in einen Job zu vermitteln, sollen sie gemeinsam mit dem Jobcenter die Stelle finden, die zu ihnen passt und dafür ggf. zuvor auch weiterqualifiziert werden.

Mehr Qualifizierung, „moderate“ Sanktionen

Eine Erhebung der Bertelsmann-Stiftung gibt diesem Ansatz nun recht. „Weil 44 Prozent der arbeitslosen Bürgergeldempfänger*innen zwei oder mehr Vermittlungshemmnisse haben, ist eine stärkere individuelle Unterstützung, zum Beispiel durch Coaching oder eine persönliche Entwicklungsberatung, nötig“, heißt es im „Focus Paper Bürgergeld: Anspruch, Realität, Zukunft“, das die Bertelsmann Stiftung am Montag veröffentlicht hat. Demnach brauche es insbesondere für jüngere Arbeitssuchende „mehr abschlussorientierte Qualifizierung und eine passgenaue Weiterbildung“.

Gleichzeitig plädieren die Arbeitsmarkt-Experten der Bertelsmann Stiftung dafür, Sanktionen bei so genannten Pflichtverletzungen wie versäumten Terminen oder abgelehnten Angeboten „moderat, aber früher und konsequenter“ anzuwenden. Dieses Thema dürfte auch in den Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD eine Rolle spielen. „Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen. Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“, hatten die drei Parteien in ihrem Sondierungspapier erklärt. Kritik hatten hieran vor allem die Sozialverbände geübt, aber auch die Jusos hatten sich ablehnend geäußert.

„anreizstarke Leistungen aus einem Guss“

„Ein richtiger Ansatz ist, die Leistungsempfänger*innen sofort nach der Antragstellung zu aktivieren, um eine Verhärtung der Arbeitslosigkeit zu vermeiden“, erklärte Tobias Ortmann, einer der drei Autoren des „Focus Paper“ der Bertelsmann Stiftung. „Möglich sind Angebote für reguläre und geförderte Arbeit, aber auch berufliche Qualifizierungen, die zunächst einmal mehr Investitionen erfordern.“ Sein Kollege Eric Thode plädierte zudem dafür, „anreizstarke Leistungen aus einem Guss“ zu schaffen. „Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag sollten so zusammengeführt werden, dass zusätzliches Arbeitseinkommen nicht mehr fast vollständig vom Leistungsanspruch abgezogen wird, damit Menschen im Bürgergeld leichter aus eigener Kraft den Hilfebezug verlassen können.“

In ihrem Papier relativieren die Arbeitsmarkt-Experten der Bertelsmann Stiftung jedoch auch die Zahlen. So stehe die Hälfte der 5,4 Millionen Bezieher*innen von Bürgergeld „dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie derzeit nicht erwerbsfähig sind, sich in einer Aus- und Weiterbildung befinden oder Sorgearbeit übernehmen“. Weitere rund 830.000 Personen seien sogenannte Aufstocker*innen, die zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen Bürgergeld bezögen. Die Zahl der tatsächlich Arbeitslosen betrage daher rund 1,9 Millionen Menschen.

Verwaltung der Jobcenter sollte reformiert werden

Um diese effektiver in Arbeit zu bringen, drängen die Arbeitsmarkt-Experten der Bertelsmann Stiftung auch auf eine Reform der Verwaltung. Bisher ist den Jobcentern selbst überlassen, wie sie das ihnen zugewiesene Geld zwischen der Verwaltung der Arbeitsuchenden und der Arbeitsförderung aufteilen – mit dem Ergebnis, dass einige Jobcenter bis zu 70 Prozent dieser Gelder in die Verwaltung verschöben, diese also nicht für die Arbeitsuchenden selbst zu Verfügung stünden. „Eine wirkungsorientierte Steuerung oder auch nur Transparenz über den Zusammenhang zwischen Mittelausstattung und dem Erfolg der Jobcenter gibt es nicht“, kritisierte Roman Wink von der Bertelsmann Stiftung. „Zukünftig braucht es klare Ziele, damit Steuergelder effizient eingesetzt werden.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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