Inland

Armbiss und Kokainschmuggel: Wofür AfD-Politiker vor Gericht stehen

Die Liste der juristischen Verstrickungen von AfD-Politikern ist lang, die Hemmschwelle zum Gesetzesbruch offenbar niedrig. Ein kurzer Auszug aus dem Strafregister

von Lea Hensen · 29. Mai 2024
Die AfD bleibt ein rechtsextremistischen Verdachtsfall. Das hat Konsequenzen für die Partei.

Die AfD bleibt ein rechtsextremistischen Verdachtsfall. Das hat Konsequenzen für die Partei.

Bei Björn Höcke hatten einige Hoffnung. Im Prozess wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen stand für den Thüringer AfD-Chef das passive Wahlrecht auf dem Spiel. Laut Gesetz erlischt das Recht, sich bei einer Wahl als Kandidat*innen aufzustellen, wenn ein Straftäter wegen eines Verbrechens eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erhält.

Höcke nutzte verbotene NS-Parole

In Höckes Fall war das von Anfang an eher unwahrscheinlich. Als Verbrechen gelten unter anderem Raub, schwere Körperverletzung, Brandstiftung, Totschlag, aber auch Bestechung von Mandatsträger*innen. Der Thüringer AfD-Chef hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung in Merseburg im Mai 2021 eine verbotene Parole der nationalsozialistischen SA gerufen. Höcke hatte am Ende seiner Rede gesagt: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“. Der dritte Teil ist eine verbotene Phrase der NSDAP. Höcke, studierter Geschichtslehrer, hatte behauptet, er habe nichts von der Bedeutung der Parole gewusst. Das Landgericht Halle verurteilte ihn im Mai zu einer Geldstrafe. 

Die AfD ist in Teilen rechtsextrem, das haben mehrere Gerichte nun bestätigt. Gleichzeitig durchziehen Gewalttaten und kriminelle Machenschaften die Partei. So ergaben Recherchen von „Correctiv“, dass AfD-Politiker*innen auf allen Ebenen durch körperliche oder verbale Gewalt aufgefallen sind. Bei keiner anderen Partei fand das Netzwerk ein vergleichbares Ausmaß an Fällen. 

Fahrerflucht und ein Biss in den Arm

Laut „Correctiv“ wurden allein in den vergangenen Jahren fast 30 Mandatsträger*innen oder Mitarbeitende auf Kreis-, Landes-, und Bundesebene in erster Instanz verurteilt oder gegen sie wurden Strafbefehle erlassen. Fast die Hälfte von ihnen üben den Recherchen zufolge noch ihr politisches Amt aus. 

Ein Beispiel ist Felix Alexander Cassel. Der ehemalige Landesvorsitzende der „Jungen Alternative“ in Nordrhein-Westfalen fuhr 2019 mit einem Auto in eine Gruppe Gegendemonstrant*innen. Ein Kölner Gericht verurteilte ihn wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Fahrerflucht. Das Strafmaß liegt bei sieben Monaten Haft auf Bewährung und 500 Euro Schmerzensgeld an das Opfer. Cassel fechtet das Urteil weiter gerichtlich an. Derzeit ist er AfD-Bezirksverordneter in Bonn.

Kai Borrmann, Berliner Bezirksverordneter der AfD, soll einer Schwarzen Frau, die er zuvor mit dem „N"-Wort beleidigte, in den Arm gebissen und sie geschlagen haben. Auch dieses Verfahren ist laut „Correctiv“ in Berufung. Borrmann sitzt in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte im Ausschuss für Schule und Kultur.

Körperverletzung und Beleidigungen

Auch der AfD-Kreistagsabgeordnete Sven Ebert wurde wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Er soll einer jungen Aktivistin in den Bauch getreten und sie ins Gesicht geschlagen haben. Ein Gericht verhängte eine Geldstrafe gegen ihn. Ebert ging gegen das Urteil in Berufung. 

Der Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt hat mit Mario Müller einen vorbestraften Mitarbeiter aus dem Neonazi-Milieu. Der ehemalige Aktivist der „Identitären Bewegung“ wurde wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Laut „Correctiv“-Recherchen war er zuletzt Redner auf dem Geheimtreffen von AfD-Politiker*innen und Rechtsextremen in Potsdam. Dort habe er sich mit Gewalttaten gegen Linksextreme  gebrüstet.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmeier hat sich der Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht: 2018 unterstützte er nach Ansicht des Gerichts einen Hooligan-Freund, gegnerischen Fußballfans aufzulauern und sie anzugreifen. Darunter waren auch Frauen und Kinder. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe. Münzenmeier ist weiterhin Bundestagsmitglied.

Dubravko Mandic vertritt derzeit juristisch den bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba, gegen den unter anderem wegen Volksverhetzung ermittelt wird (s.u.). Mandic kandidierte 2017 selbst für die AfD für den Bundestag. Später war er AfD-Stadtrat in Freiburg. Ein Gericht verurteilte ihn 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Haft auf Bewährung. Mandic hatte beobachtet, wie AfD-Wahlplakate abgerissen wurde, und die vermeintlichen Täter*innen brutal attackiert. Auch einen Fahrradfahrer, der ihnen zur Hilfe eilte, attackierte Mandic mit Reizgas. Später legte er sein Mandat im Stadtrat nieder.

Spendenaffären und Steuerhinterziehung

Mehrfach stand die AfD im Mittelpunkt von Spendenaffären. 2020 musste die Partei rund eine halbe Million Strafe zahlen, weil sie zwei illegale „Strohmannspenden“ aus der Schweiz angenommen hatte. Dabei handelte es sich um Spenden von Konten, die den wirklichen Geldgeber verschleierten. Eine der unrechtmäßigen Spenden floss 2017 in den Wahlkampf der heutigen AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Bereits 2019 musste die AfD eine Strafe von rund 400.000 Euro wegen unrechtmäßiger Spenden für den Wahlkampf des damaligen AfD-Chefs Jörg Meuthen und des heutigen Europapolitikers Guido Reil zahlen.

Gegen den ehemaligen AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen Steuerhinterziehung im fünfstelligen Bereich. 2020 hob der Bundestag deswegen die Immunität des AfD-Politikers auf. Auch der Vize-Fraktionschef der AfD im Brandenburger Landtag machte wegen Steuerhinterziehung von sich Reden. Das Amtsgericht Potsdam verurteilte Daniel Freiherr von Lützow wegen Steuerhinterziehung zu einer Strafe von insgesamt 14.400 Euro. Außerdem wird gegen ihn ermittelt, weil er bei einer illegalen Party im Corona-Jahr 2020 Polizist*innen bedroht und beleidigt haben soll. Von Lützow sitzt weiterhin im Brandenburger Landtag.

Drogenschmuggel und Raubüberfall

Der niedersächsische AfD-Kommunalpolitiker Marcus Hoffmann steht im Verdacht, vor fünf Jahren 98 Kilogramm Kokain geschmuggelt zu haben. Der Verkaufswert soll bei acht Millionen Euro liegen. Hoffmann war zu dem Zeitpunkt Facharbeiter beim Gesamthafenbetriebsverein am Containerhafen Bremerhaven. Seinen Vorsitz des AfD-Kreisverbands Cuxhaven legte er nach Aufnahme der Ermittlungen nieder. Die Staatsanwaltschaft Bremen erhob 2020 Anklage, ihm drohen 15 Jahre Haft.

Der AfD-Politiker Jan-Ulrich Weiß verlor für drei Jahre sein passives Wahlrecht. Ein Gericht hatte ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Weiß war Landtagsabgeordneter in Brandenburg, als er den illegalen Transport unversteuerter Zigaretten von den Niederlanden über Belgien nach Großbritannien in Auftrag gab. Dabei kam es zu einem Steuerschaden von rund einer Millionen Euro.

Markus Mössle trat Anfang der 1980er für die NPD bei der Bundestagswahl an. Später raubte er mit einem Maschinengewehr drei Bankfilialen und einen Sexshop aus. Dafür wurde er zu einer Haftstrafe von 16 Jahren verurteilt, von der er rund zwei Drittel absaß. 2019 zog er für die AfD in den Ulmer Gemeinderat ein, ist aber kein offizielles Mitglied der Partei. Der baden-württembergische Landesvorstand der AfD distanzierte sich von Mössle.

Volksverhetzung und Wehrmachtslieder

Kurz vor der Konstituierung des bayerischen Landtags im Oktober 2023 erließ die Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen den bayerischen AfD-Politiker Daniel Halemba, der ein Landtagsmandat erhalten hatte. Halemba ist Mitglied der Burschenschaft „Teutonia Prag“, die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 22-Jährigen auch wegen Volksverhetzung und wegen des Verdachts der Geldwäsche, gemeinschaftlichen Nötigung und Sachbeschädigung. In einem Gästebuch der Burschenschaft fanden die Ermittler*innen Halembas Unterschrift unter der Parole „Sieg Heil“. Der Landesverband der AfD forderte Halemba auf, sein Landtagsmandat abzulegen. Halemba lehnte dies aber ab.

Die AfD-Bundestagsfraktion kündigte 2020 dem Leiter der AfD-Pressestelle Christian Lüth. Mehrere Medien hatten über Lüths problematisches Verhältnis zum Nationalsozialismus berichtet, unter anderem soll er Wehrmachtslieder gesungen und über die „Vergasung“ von Migrant*innen gesprochen haben. Ein Verfahren wegen Körperverletzung einer Radfahrerin wurde gegen eine Geldzahlung eingestellt. 

Spionage

Seit einigen Wochen stehen die AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl Maximilian Krah und Petr Bystron wegen möglicher Russland- und China-Verbindungen in der Kritik. Ein Mitarbeiter Krahs wurde wegen Spionage-Verdachts festgenommen. Umstrittene Äußerungen zur SS und ein Streit mit der französischen Rechtspartei Rassemblement National führten schließlich zu Krahs Rückzug aus dem AfD-Bundesvorstand. Die AfD erteilte ihm ein Auftrittsverbot, ebenso wie Bryston. Staatsanwaltschaften prüfen Medienberichten zufolge, ob sich die Politiker durch Geldzahlungen bestechen ließen. Mitte Mai hob der Bundestag die Immunität des AfD-Abgeordneten Petr Bystron auf.

Autor*in
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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1 Kommentar

Gespeichert von Thomas Schöning (nicht überprüft) am Do., 30.05.2024 - 12:23

Permalink

zum Artikel von LEA HENSEN · 29. MAI 2024.
Vielen Dank für den Artikel. Da stets behauptet wird, alles seien Erfindungen der Lügenpresse, wäre es da nicht hilfreich, die Aktenzeichen und Orte der Gerichte anzuführen.
Mit freundlichen Grüßen - Thomas Schöning