AfD-Parteiverbot: Was das Verfassungsschutz-Gutachten bringen könnte
Der Verfassungsschutz hat die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft, das Gutachten zur Entscheidung wurde anschließend veröffentlicht. Die darin enthaltenen Argumente könnten weitreichende Bedeutung haben.
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„AfD-Verbot“: Inwieweit könnte das Gutachten des Verfassungsschutzes einem Parteiverbot dienen?
Das Verfassungsschutz-Gutachten zur Einstufung der AfD wird große Auswirkungen auf die Diskussion um ein AfD-Parteiverbot haben. Versuche von CDU-Politikern, beide Fragestellungen inhaltlich zu trennen, überzeugen nicht.
Anfang Mai gab das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bekannt, dass es die AfD-Bundespartei als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft hat. Wenige Tage später setzte das Bundesamt zwar die Einstufung bis zu einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vorläufig aus, ohne aber seine Einordnung inhaltlich zurückzunehmen. Vor wenigen Tagen wurde nun das 1108 Seiten umfassende BfV-Gutachten durch einen Leak bekannt. Welche Bedeutung hat es für die AfD-Verbots-Diskussion?
„Das sind zwei völlig verschiedene Dinge“, sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) jüngst in einem Interview und machte damit besondes prägnant deutlich, wie die CDU versucht, die Diskussion über ein AfD-Verbot einzuhegen. „Die Latte für ein Verbot liegt weit höher“, so Schuster. Erforderlich sei dort auch „ein kämpferisch-aggressives Vorgehen, in Wort und Tat, um demokratische Organe zu beseitigen. Also planvolle Umsturzfantasien, die kämpferisch-aggressiv umgesetzt werden sollen.“ So etwas lasse sich bei der AfD aber nicht so einfach belegen, argumentierte der sächsische Innenminister.
Maßstäbe für ein Parteiverbot
Nun hat das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen zur NPD 2017 und 2024 deutlich gemacht, welche Maßstäbe für ein Parteiverbot gelten. Demnach reichen verfassungswidrige Ziele nicht aus. Das Grundgesetz sanktioniere nicht Ideen und Überzeugungen, kenne keine Gesinnungsverbote und erzwinge keine Werteloyalität. Erforderlich sei vielmehr, dass eine Partei über das Bekennen ihrer verfassungsfeindlichen Ziele hinaus die Grenze zum „Bekämpfen“ der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überschreitet. Es müsse also eine „aktiv kämpferische Haltung“ eingenommen werden.
Die Schwelle hierfür setzt das Bundesverfassungsgericht aber sehr niedrig an. Eine Partei sei darauf aus, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, wenn sie im Sinne dieser Ziele „planvoll“ handelt. Eine Partei könne auch dann verfassungswidrig sein, wenn sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele ausschließlich mit legalen Mitteln und unter Ausschluss jeglicher Gewaltanwendung verfolgt. Erforderlich ist laut Bundesverfassungsgericht ein „strategisches Konzept“, wie die Partei die Ziele erreichen will und „konkrete Aktivitäten“ zur Umsetzung der Ziele. Ausreichend seien hier „regelmäßige Veranstaltungen“, „Öffentlichkeitsarbeit“ und die „Teilnahme an Wahlen“.
Einstufung und Verbot liegen sehr eng beeinander
Anders als Schuster behauptet, geht es dem Bundesverfassungsgericht auch nicht nur um „Umsturzfantasien“ und die Beseitigung demokratischer Organe. Vielmehr ist der Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ breiter. Gemeint sind damit die drei zentralen Schutzgüter Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde. Gegen die Menschenwürde verstößt laut Bundesverfassungsgericht auch ein „ethnischer Volksbegriff“ mit der Vorstellung vom deutschen Volk als „Abstammungsgemeinschaft“, zu der eingebürgerte Deutsche nicht gehören. Vor allem letzteres wirft das Verfassungsschutz-Gutachten der AfD vor.
Bei der Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ und dem Stellen eines Verbotsantrags gehe es auch nicht „um zwei völlig verschiedene Dinge“, wie Schuster behauptet. Vielmehr liegen die beiden Fragestellungen sehr eng beeinander. Bei der Einstufung geht es um „Bestrebungen“. Das sind laut Verfassungsschutzgesetz „ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen“ eines Personenzusammenschlusses. Das ist in etwa dasselbe wie das vom Bundesverfassungsgericht geforderte „planvolle Handeln“ einer Partei zur Erreichung verfassungswidriger Ziele.
Das Verfassungsschutz-Gutachten ist also durchaus geeignet, die Erfolgsaussichten eines AfD-Verbots zu diskutieren. Unsicherheiten über den Ausgang werden aber stets verbleiben, denn das Bundesverfassungsgericht, das letztlich über ein Parteiverbot entscheidet, ist weder an die Einschätzungen des Inlands-Geheimdienstes gebunden, noch an nachfolgende Urteile der Verwaltungsgerichte.