100 Tage Schwarz-Rot: Was die SPD in der Koalition bisher erreicht hat
Die schwarz-rote Bundesregierung ist seit rund 100 Tagen im Amt – und sieht sich mit Kritik konfrontiert. Dabei können gerade die SPD geführten Ministerien eine positive Bilanz ziehen.
IMAGO/
Die schwarz-rote Koalition unter Bundeskanzler Friedrich Merz (rechts) und Vizekanzler Lars Klingbeil ist nun seit 100 Tagen im Amt.
Die schwarz-rote Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) ist seit gut 100 Tagen im Amt – und laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend sind nur 29 Prozent zufrieden mit dem, was sie bislang erreicht hat. Unter anderem der Eklat um die Verfassungsrichter*innenwahl wirft kein gutes Licht auf die Zusammenarbeit zwischen SPD und Union. Die Koalition war eigentlich angetreten, um geräuschloser zu regieren als das Ampel-Bündnis, das im Herbst 2024 vorzeitig platzte. Doch die von der SPD nominierte Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf zog ihre Kandidatur zurück, weil Teile der Union ihr die Zustimmung im Plenum des Bundestags verweigern wollten, obwohl sie zuvor bereits im Richterwahlausschuss das notwendige Votum erhalten hatte.
Vier SPD-Ministerinnen und drei SPD-Minister sind im Mai angetreten, um der Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine sozialdemokratische Handschrift zu verleihen. Ist ihnen das bisher gelungen? Wir geben einen Überblick über SPD-Vorhaben, die schon umgesetzt oder auf den Weg gebracht worden sind.
Rentenpaket
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas gehört wohl zu den fleißigsten Kabinettsmitgliedern der ersten 100 Tage. Die SPD-Vorsitzende hat während der Sommerpause erste Vorhaben ihres Rentenpakets auf den Weg gebracht. Dazu gehört die Sicherung des Rentenniveaus bis 2031 auf 48 Prozent. Damit knüpft Bas an Pläne von Ex-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an, der das Rentenniveau bis 2039 sichern wollte, das aber vor dem Ampel-Aus nicht mehr umsetzen konnte.
Das Kabinett hat außerdem eine Anpassung der Mütterrente auf den Weg gebracht. Demnach sollen Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, genauso viele Rentenpunkte angerechnet bekommen, wie Eltern, deren Kinder später geboren sind. Die SPD will diejenigen unterstützen, die im Alter weiterarbeiten wollen. Dazu wird das Vorbeschäftigungsverbot abgeschafft, das verhindert, dass Arbeitgeber*innen Arbeitnehmer*innen über das Rentenalter hinaus nur befristet weiterbeschäftigen, wenn sie vorher schon bei ihnen beschäftigt waren.
Das größte Projekt hat Bas allerdings noch vor sich: Schwarz-Rot hat sich eine Rentenreform vorgenommen, ab 2026 soll eine Rentenkommission dazu beraten. Die SPD schlägt eine Erwerbstätigenversicherung vor, in die auch Selbstständige, Beamt*innen und Abgeordnete einzahlen würden.
Tariftreuegesetz
Auch das ist ein Projekt, das Hubertus Heil während seiner Amtszeit vor dem Ampel-Aus nicht mehr umsetzen konnte, weil die FDP es lange Zeit blockiert hatte. Nun hat das Kabinett das Tariftreuegesetz neu auf den Weg gebracht. Der Gesetzesentwurf bindet öffentliche Aufträge an Unternehmen ab einem Wert von 50.000 Euro an die Bedingung, dass diese ihre Mitarbeitenden nach Tarif bezahlen. Gehälter, Weihnachtsgeld, Urlaube und Ruhezeiten müssen sich an branchenüblichen Tarifverträgen messen. Andernfalls drohen Strafen.
Mietpreisbremse
Auch die Verlängerung der Mietpreisbremse war nach dem Ampel-Aus auf der Strecke geblieben. Das Instrument sollte Ende des Jahres auslaufen. Die Mietpreisbremse regelt, dass die Miete bei der Neu- und Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent übersteigen darf.
Union und SPD waren sich einig, dass es weiterhin eine funktionierende Mietpreisbremse braucht: Der Bundestag hat das Instrument also bis Ende 2029 verlängert. Das Gesetz dazu stammt aus dem Bundesjustizministerin von Stefanie Hubig (SPD).
Bau-Turbo
Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) hat sich vorgenommen, den Wohnungsbau in Deutschland schneller voranzutreiben. Das Kabinett hat daher im Juni den „Bau- Turbo“ beschlossen. Das Gesetz soll Planungsprozesse in den Kommunen vereinfachen und beschleunigen und Mieter*innen Mietwohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt länger davor schützen, dass in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.
Verteidigung
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius fordert seit Jahren, dass Deutschland seine Wehrhaftigkeit deutlich erhöht. Diesem Ziel kommt der SPD-Politiker mit großen Schritten näher. Noch der alte Bundestag hatte im März eine historische Änderung im Grundgesetz beschlossen. Demnach fallen Ausgaben für Verteidigung, Zivil- und Bevölkerungsschutz und für die Nachrichtendienste ab einer bestimmten Höhe aus der Schuldenbremse. Auch der Entwurf zum Bundeshaushalt 2025 sendet ein klares Signal: Der Verteidigungshaushalt ist um rund 10 Milliarden Euro auf mehr als 62 Milliarden Euro gestiegen.
Im Juni hatten sich die NATO-Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, in vier Jahren 3,5 Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. Mit der Entlastung von der Schuldenbremse und den höheren Ausgaben kommt Deutschland diesem Ziel sichtbar näher. Pistorius will außerdem den freiwilligen Wehrdienst attraktiver machen, ein Gesetzesentwurf soll Ende des Monats ins Kabinett gehen.
„Investitionsbooster“
Gemeinsam mit der Ausnahme für die Schuldenbremse hat der alte Bundestag ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur und den Klimaschutz beschlossen, verteilt auf zwölf Jahre. Das verschafft SPD-Chef Lars Klingbeil Spielraum, der erklärte, er wolle als Bundesfinanzminister „Investitionsminister“ sein. Um die Investitionen anzukurbeln, beschlossen Bundestag und Bundesrat Steuererleichterungen in Milliardenhöhe für Unternehmen. Unter anderem können sie ihre geplanten Investitionen deutlich schneller abschreiben als zuvor. Ab 2028 soll schrittweise die Körperschaftsteuer sinken. Außerdem wird es für Unternehmen steuerlich attraktiver, reine Elektroautos zu kaufen. Auch die Forschungsförderung wird erhöht.