Warum Vier-Tage-Woche nicht gleich Vier-Tage-Woche ist
In vielen Ländern Europas gehören neue Arbeitszeitmodelle bereits zum Alltag. Auch in Deutschland nimmt die Debatte über die Vier-Tage-Woche Fahrt auf. Dabei steckt der Teufel jedoch im Detail.
IMAGO/Bihlmayerfotografie
Ein kleiner Handwerksbetrieb in Thüringen scheint gerade Geschichte zu schreiben. Seit zwei Jahren arbeiten die Beschäftigten des Eichsfelder Leckortungs- und Bautrocknungsservice an vier Tagen in der Woche bei vollem Lohnausgleich. Für Geschäftsführer Rokko Funke ist seine „echte 4-Tage-Woche“ ein Erfolgsrezept. Er mache mit weniger Arbeitszeit bis zu 50 Prozent mehr Umsatz, ohne die Preise zu erhöhen, berichtet er im Juli auf der Veranstaltung „Vier-Tage-Woche – die Zukunft der Arbeitswelt?“ der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin.
Gemeinsam mit seinen Beschäftigten habe er Zeitfresser eliminiert und so vor allem die emotionale Gesundheit gestärkt, die nun Unternehmensziel vor Umsatz und Gewinn sei. Das Ergebnis: Mehr Freizeit, pünktlich Feierabend, weniger Krankenstände und hochmotivierte Mitarbeitende, die auch ihn entlasten, zählt er nur einige Vorteile auf. Funke ist überzeugt, dass dieses Modell auch für andere ein Vorbild sein kann. Über Fachkräftegewinnung könne er sich nicht beklagen, betont er.
Auf die Details kommt es an
Auch die Frage des Lohnausgleiches variiere, so Javad. Hier reichten die Unterschiede von teilweisem über vollständigem bis gar keinem Ausgleich. So sei in Spanien ein Modellprojekt beim Konzern Telefónica daran gescheitert, dass es keinen Lohnausgleich gab. In Schweden wiederum gibt es Projekte mit verschiedenen Varianten, die tarifvertraglich vereinbart sind. Im Mittelpunkt stünde die Arbeitszeitverkürzung für bestimmte Berufe, hauptsächlich jene, bei denen Fachkräftemangel bestehe wie Krankenhauspersonal und Sozialarbeit.
Heil: Die Tarifpartner entscheiden
Tarifverbindliche Vereinbarungen würde auch Hubertus Heil empfehlen. Der Bundesarbeitsminister wünscht sich eine „moderne Debatte“ darüber, wie Arbeit besser zum Rest des Lebens passe. Menschen hätten in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Bedürfnisse an ein Arbeitszeitvolumen, so sein Statement zur Zukunft der Arbeitswelt. „Wir müssen über mehr Flexibilität im Erwerbsverlauf reden“, doch könne die Politik das nicht bestimmen, sagt er.
Das Arbeitszeitgesetz regele im Wesentlichen den Gesundheits- und Arbeitsschutz, erst im Zusammenspiel mit Tarifverträgen sei viel Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung möglich, betont Heil. Vollzeit sei schon jetzt unterschiedlich definiert, bei der Telekom seien es 34, im Gartenbau 41 Stunden. Das Problem: nur noch 52 Prozent der Beschäftigten arbeiteten unter Tarifvertragsbedingungen. Deshalb möchte Heil dafür sorgen, dass „wir wieder mehr Tarifbindung in Deutschland bekommen und auch die Mitbestimmung stärken“. Heil kündigt ein Tarifstärkungsgesetz noch in diesem Sommer an. Die IG Metall will die Vier-Tage-Woche zum Teil der im Herbst beginnenden Tarifverhandlungen machen.
Ein Beitrag zu mehr Vereinbarkeit
Studien, wie die erwähnte aus Großbritannien belegen, dass Beschäftigte mit kürzerer Arbeitszeit mehr pro Stunde schaffen, weniger gestresst und seltener krank sind. Die Verkürzung der Arbeitszeit würde sich danach also auch bei vollem Lohnausgleich betriebswirtschaftlich rechnen, sagen Expertinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung. Dessen Direktorin Bettina Kohlrausch ist überzeugt, dass so zivilgesellschaftliches Engagement gestärkt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden könne.
„Wenn Männer weniger Erwerbsarbeit leisten, können Frauen mehr Erwerbsarbeit leisten, folgert sie. Für sie wie für SPD-Chefin Saskia Esken könnte die Vier-Tage-Woche damit auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel sein, weil viele Frauen durch flexible Arbeitszeitmodelle ihre Arbeitsvolumen anheben könnten. Damit steige die Erwerbsbeteiligung insgesamt, sind beide überzeugt.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.