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Jessica Rosenthal: Warum die Jusos eine Vier-Tage-Woche fordern

Kein Sparhaushalt, dafür mehr Geld für eine strukturelle Bafög-Reform, einen Industriestrompreis und einen bundesweiten Transformationsfonds – wie das gehen soll, erklärt die Juso-Bundesvorsitzende Jessica Rosenthal im Interview.
von Jonas Jordan · 17. Juli 2023
Jessica Rosenthal, Juso-Bundesvorsitzende und Abgeordnete aus Bonn, bei einer Rede im Bundestag.
Jessica Rosenthal, Juso-Bundesvorsitzende und Abgeordnete aus Bonn, bei einer Rede im Bundestag.

Die Jusos haben sich in diesem Jahr intensiv mit der Zukunft der Arbeit beschäftigt, zuletzt Anfang Juli auf einem mehrtägigen Kongress in Bremen. Welche Bedeutung hat das Thema für Sie?

Wir haben in der letzten Zeit gemeinsam mit unseren Partner*innen der Gewerkschaften viel darüber diskutiert, wie Arbeit sich wandeln muss, warum wir die Vier-Tage-Woche brauchen und wollen, aber auch über Transformation und was sie konkret bedeutet. Und vor allem: Wie sorgen wir dafür, dass die Menschen davon profitieren? Besonders stolz bin ich auch darauf, dass wir bei unserem Kongress der Arbeit zahlreiche neue Gewerkschaftsmitglieder unter den Jusos gewinnen konnten.

Was wären die Vorteile einer Vier-Tage-Woche?

Wie Arbeitszeit verteilt wird, ist auch eine gesellschaftliche Frage. Die Arbeiter*innen müssen von Produktivitätssteigerungen durch Digitalisierung profitieren. Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich wäre eine massive Umverteilung zugunsten derjenigen, die arbeiten. Die Menschen wären weniger gestresst und würden gesünder altern. Es hätte auch positive Folgen für Frauenerwerbsarbeit und die Bekämpfung von traditionellen Geschlechterrollen. Eine Vier-Tage-Woche könnte in der Pflege einem Fachkräftemangel entgegenwirken, wo aktuell die Leute scharenweise aufhören, weil sie es nicht aushalten, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Wenn man früher gesagt hätte, der Samstag wird mal frei sein, hätten die Leute wahrscheinlich auch gelacht. Seit mehr als 160 Jahren es ist unsere verdammte Aufgabe, diese Kämpfe zur Arbeitszeitverkürzung zu führen. Auch wenn das nicht immer schnell geht, es ist dennoch wichtig. Deshalb bin ich auch so froh, dass der Debattenkonvent im letzten Jahr auch genau hier einen wegweisenden Beschluss gefasst hat.

Was ist für Sie mit Blick auf die anstehende Transformation wichtig?

Für uns ist klar: Der Industriestrompreis muss kommen. Wir haben uns jetzt endlich auf den Weg gemacht die Wirtschaft klimaneutral umzubauen. Aber das braucht Zeit – auch weil wir zu spät angefangen haben. In der Zwischenzeit brauchen gerade auch energieintensive Wirtschaftszweige Unterstützung. Niemand will, dass sie abwandern. Denn gerade die USA haben mit dem Inflation Reduction Act ein attraktives Angebot. Ganz sicher hilft uns für eine erfolgreiche Transformation kein Sparhaushalt, den Christian Lindner gerade auf den Weg bringen will. Das ist Gift für einen gelingenden Umbau der Industrie, den wir aber brauchen, um das Fundament unseres Wohlstands auch in Zukunft zu sichern. Auch ein Transformationsfonds ist etwas, wozu wir uns bundesweit bekennen müssen.

Einen solchen Transformationsfonds gibt es im Saarland bereits. Wäre das aus Ihrer Sicht also auch ein Modell für den Bund?

Das Saarland hat in der Sondersituation durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine kluge und vorrausschauende Entscheidungen getroffen. Das müssen wir uns im Bund zum Vorbild nehmen. Generell macht es die Schuldenbremse sehr schwer möglich, solche Investitionsmodelle zu etablieren. Doch wir brauchen auf nationalstaatlicher Ebene einen Transformationsfonds. Eine starke Antwort auf den Inflation Reduction Act in den USA müssen wir zudem auf europäischer Ebene geben.

Kann das auch eine Strategie sein, um rechten Parteien den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Wir machen das nicht wegen der AfD, sondern weil es das Richtige ist. Wir sind die Partei der Arbeit und wir sind dafür verantwortlich, dass gute Arbeitsplätze hier nicht nur erhalten, sondern auch ausgebaut werden. Das ist ein wichtiger Bestandteil von sozialer Sicherheit und damit eine unserer wichtigsten Aufgaben. Trotzdem müssen wir denjenigen, die Ängste haben, deutlich machen, dass wir an ihrer Seite stehen und für sie und ihre Interessen Politik machen. Nicht weil wir den Rechten das Fahrwasser abgraben, sondern weil wir es aus unserer Identität heraus tun. Deswegen dürfen wir uns keinem Spardiktat unterstellen, sondern müssen für einen anderen Haushalt einstehen, der diese Aufgaben abbildet.

Erfolgreich haben Sie bereits für eine Ausbildungsgarantie gekämpft. Was bedeutet Ihnen das?

Es war ein langer Kampf und am Ende eine gute Einigung. Wir haben uns gemeinsam mit der DGB-Jugend durchgesetzt, darauf bin ich stolz. Es gibt jetzt das Recht auf einen Ausbildungsplatz für junge Menschen. Das ist ein komplett neues Verständnis und so viel wert, wenn wir jungen Menschen eine gute Zukunft gewährleisten wollen. Doch das reicht uns als Jusos noch nicht. Wir brauchen eine Umlagefinanzierung. Alle Unternehmen müssen in einen Topf einzahlen, aus dem Ausbildungsplätze finanziert werden. Das bleibt weiterhin eine unserer wichtigsten Forderungen. Das Angebot an Ausbildungsplätzen ist in den vergangenen Jahren drastisch gesunken. Aktuell bilden weniger als 20 Prozent aller Unternehmen aus. Gleichzeitig rufen sie immer wieder „Fachkräftemangel“. Deshalb müssen wir die Betriebe wieder mehr in die Pflicht nehmen. Bremen hat es gerade vorgemacht.  

Sie sind gemeinsam mit vielen anderen Jusos in der privilegierten Situation nicht nur Dinge fordern, sondern sie im Bundestag auch direkt beschließen zu können. Was steht da für die kommenden zwei Jahre noch auf Ihrer Agenda?

Wir können eine erfolgreiche Transformation nicht schaffen, ohne dass die Reichen einen größeren Beitrag leisten. Auch wenn die FDP das nicht will. Eine Vermögensabgabe wäre eine super Möglichkeit, um die Einnahmeseite zu steigern. Gleiches gilt für die Streichung klimaschädlicher Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg oder steuerfreies Kerosin. Diese beiden Subventionen allein machen mehr als 12 Milliarden Euro pro Jahr aus. Da schmeißen wir denjenigen Geld in den Rachen, die es wirklich nicht brauchen. Stattdessen könnten wir es in eine strukturelle Bafög-Reform investieren. Denn es kann nicht sein, dass die meisten Studierenden in Deutschland in Armut leben und gleichzeitig andere ihre Privatjets subventioniert bekommen. Mit dem aktuellen Haushaltsentwurf geschieht das aber. Es wäre unverantwortlich hier nicht noch mal nachzubessern.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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