Soziale Politik

ver.di-Kongress: Arbeitsminister Heil kündigt Tariftreuegesetz an

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will nicht mehr tatenlos zusehen. Deswegen kündigt er auf dem ver.di-Bundeskongress unter Beifall ein Tariftreuegesetz an, das künftig für öffentliche Aufträge des Bundes gelten soll.
von Vera Rosigkeit · 20. September 2023
Es habe eine staatsentlastende Funktion, „wenn wir mehr Tarifbindung haben“, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil
Es habe eine staatsentlastende Funktion, „wenn wir mehr Tarifbindung haben“, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil

Öffentliche Aufträge des Bundes sollen künftig per Gesetz an Tarifbindung und tarifliche Bezahlung sowie Arbeitsbedingungen gekoppelt werden. Das verspricht Bundesarbeitsminister Heil am Mittwoch den Delegierten des Bundeskongresses der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Berlin.

Nur noch 50 Prozent Tarifbindung

Zuvor hatte Heil darauf hingewiesen, dass nur noch 50 Prozent der Beschäftigten in Deutschland unter dem Dach von Tarifverträgen arbeiten, in Ostdeutschland seien es noch weniger. Ein Problem, denn die meisten Rechte von Beschäftigten sowie eine gute Entlohnung würden in Deutschland nicht per Gesetz geregelt, sondern durch die Tarifautonomie zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften ausgehandelt.

Stinksauer sei er über die viel zu geringe Anhebung des Mindestlohnes durch die Mindestlohnkommission in diesem Jahr, macht sich der Minister Luft. Nicht weil sie so mickrig ausgefallen sei, sondern von einer Seite durchgezogen wurde. Die Vorsitzende der Kommission hatte zugunsten der Vertreter*innen der Arbeitgeber gestimmt. Doch sei der Mindestlohn laut Heil nicht das „Ende der Fahnenstange“. Viel wichtiger sei, „dass wir wieder mehr Tarifbindung haben in diesem Land“.

Tariftreuegesetz muss kommen

Es werde aktuell viel über Verteilungsfragen diskutiert, „aber wenn die Primärverteilung schiefläuft“ – und damit ist laut Heil die Verteilung zwischen unternehmerischen Gewinnen und Löhnen gemeint ­– dann „geht in diesem Land noch mehr auseinander und es ist schon zu viel auseinander gegangen“.

In Richtung Arbeitgeberverbände warnt Heil: Wenn sich Wirtschaft und Arbeit wandeln „und wir keine Tarifbindung haben, dann kann man Wandel nicht aushandeln“. In diesem Fall würde der Ruf nach dem Staat, Dinge mit Gesetzen zu regulieren, immer größer. In der Folge würden sich eben diese Leute über zu viel Bürokratie beklagen. Es habe eine staatsentlastende Funktion für eine soziale Marktwirtschaft, „wenn wir mehr Tarifbindung haben“, so Heil.

Digitaler Zugang für Betriebsräte

Er wolle nicht mehr tatenlos zugucken, dass das so weiter geht und gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck in wenigen Tagen ein Tariftreue- und Tarifstärkungsgesetz in Deutschland vorlegen, kündigt der SPD-Minister unter Beifall der anwesenden Delegierten an. Danach sollen öffentliche Aufträge des Bundes künftig an Tarifbindung und tarifliche Bezahlung sowie Arbeitsbedingungen gekoppelt werden. Außerdem sollen künftig Gewerkschaften nicht nur ein physisches, sondern auch einen digitalen Zugang zum Unternehmen bekommen. Zugleich will Heil dafür sorgen, dass es Nachteile für Unternehmen geben wird, die Tarifflucht begehen.

„Ich finde, das ist hoch geboten“, so Heil und mahnt: „Wenn wir das weiter so auseinander rasseln lassen, dann geht mehr zu Bruch als der Lohnabstand.“ Dann gehe gesellschaftlich etwas auseinander.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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