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Demokratiekongress in Berlin: Europas Sozialdemokrat*innen klar gegen rechts

Bei einem Demokratiekongress in Berlin haben sich die europäischen Sozialdemokrat*innen gegen jegliche Zusammenarbeit mit der extremen Rechten ausgesprochen. Dafür unterzeichneten sie eine gemeinsame Erklärung. Für traurige Aktualität sorgte ein Ereignis wenige Stunden zuvor.

von Julia Korbik · 5. Mai 2024
Klares Bekenntnis gegen jede Zusammenarbeit mit der extremen Rechten: Saskia Esken unterzeichnet für die SPD die „Berliner Demokratie-Erklärung der SPE“.

Klares Bekenntnis gegen jede Zusammenarbeit mit der extremen Rechten: Saskia Esken unterzeichnet für die SPD die „Berliner Demokratie-Erklärung der SPE“.

Die Nachricht kam Samstag wenige Stunden vor Beginn des sozialdemokratischen Demokratiekongresses in Berlin: In Dresden war der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke beim Plakatieren von vier Unbekannten angegriffen und schwer verletzt worden – er musste anschließend im Krankenhaus operiert werden. In der Eröffnungsrede des Kongresses sagte Stefan Löfven, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), Angriffe wie der auf Ecke zeigten, dass es eine Radikalisierung und Brutalisierung der politischen Debatte und des politischen Umfelds gebe – und eine Normalisierung von rechtsextremen und rechtsnationalistischen Parteien.

Löfven: von der Leyen öffnet die Tür nach extrem rechts

Damit kam Löfven zum zweiten Ereignis, welches den SPE-Kongress prägte: Ursula von der Leyen, die sich um eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin bewirbt, hatte bei einem TV-Duell der EU-Spitzenkandidat*innen vor einigen Tagen die Zusammenarbeit mit rechten und rechtsextremen Fraktionen im EU-Parlament nicht eindeutig ausgeschlossen. Löfvens Einschätzung: „Von der Leyen hat die Tür geöffnet für die zukünftige Zusammenarbeit mit Parteien wie den Schwedendemokraten oder den Fratelli d’Italia.“ 

Besonders eindrücklich warnten vor dieser Normalisierung und Akzeptanz rechtsextremer Parteien diejenigen, in deren Ländern solche Parteien bereits an der Macht sind bzw. waren. Die österreichische Politikwissenschaftlerin und Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl zufolge dürfe man nicht auf den „Entzauberungseffekt“ setzen, also darauf, dass rechte Parteien, einmal in Regierungsverantwortung, ihre Schwächen zeigen würden: „Selbst wenn der Crash kommt, ist der Schaden an der Demokratie enorm und nachhaltig. Und das können wir uns nicht leisten.“

Im Umgang mit rechten Parteien, so Strobl, sei es vor allem wichtig, rote Linien zu ziehen, sich solidarisch mit Betroffenen rechter Hetze und Gewalt zu zeigen und nicht in Angst zu erstarren. Es gehe darum, echte Alternativen zu bieten und zu zeigen, wie eine gute Zukunft aussehen könne. 

Wenn extreme Rechte regieren

Eine Einschätzung, die auch Politikerinnen wie Katarzyna Ueberhan (Polen), Klara Dobrev (Ungarn), Elly Schlein (Italien) und Magdalena Andersson (Schweden) teilten. In ihren Heimatländern sind oder waren extrem rechte Parteien an der Regierung – oder, wie in Schweden, ermöglichen sie diese durch ihre Unterstützung.

Elly Schlein, Vorsitzende des italienischen Partito Democratico, machte in Berlin deutlich, dass es rechten Parteien nur um ihre eigenen Interessen gehe und nicht darum, das Leben der Menschen zu verbessern: Unter Ministerpräsidentin Georgia Meloni seien Sozialleistungen gekürzt worden, die Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren und vor allem Eltern würden angegriffen. Umso wichtiger sei es deshalb für sozialdemokratische und sozialistische Parteien zu zeigen, für welche Politik sie stehen – und wie sich diese positiv auf das Leben der meisten Menschen auswirkt. Auf das Leben der Mehrheit der Menschen und nicht einer Minderheit. 

SPE beschließt „Berliner Demokratie-Erklärung“

Wenn sich eines zeigte, dann, dass das Motto des Kongresses – „Wir stehen zusammen für Europa“ – ebenso ein „dagegen“ beinhaltete. Eine rote Linie. Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, sagte in ihrer Rede: „Die Lage ist sehr ernst. Das, wogegen wir in Deutschland und anderen EU-Ländern kämpfen, ist in vielen Mitgliedsländern schon Realität.“ Das Herzstück des Kongresses bildete deshalb die „Berliner Demokratie-Erklärung der Sozialdemokratischen Partei Europas“, die eine klare Abgrenzung nach Rechts enthält sowie ein Versprechen. „Wir werden niemals mit Rechtsextremen zusammenarbeiten oder mit ihnen eine Koalition eingehen“, heißt es darin. „Gleichzeitig rufen wir alle demokratischen europäischen Parteien auf, jegliche Normalisierung, Zusammenarbeit oder Allianz mit rechtsextremen Kräften entschieden abzulehnen.“

Der gemeinsame europäische Spitzenkandidat der SPE, Nicolas Schmit, betonte in seiner Rede noch einmal die Unterschiede zwischen Rechtsextremen und Sozialdemokrat*innen – und zitierte dafür Willy Brandts berühmte Aufforderung von 1969, man müsse „mehr Demokratie wagen“. Brandt, so Schmit, sei es dabei um Mitverantwortung gegangen: „Die Rechtsextremen aber wollen keine mündigen Bürgerinnen und Bürger.“ Ihnen gehe es um Macht. Die Sozialdemokratie müsse deshalb auf ihrer Ehre und ihren Werten beharren und diese nicht im Namen des Machterhalts verkaufen.

Scholz: Angriff auf die Ukraine ist Angriff auf Demokratie und Freiheit

Zum Abschluss der Veranstaltung sprach Olaf Scholz. Angriffe auf demokratische Politiker*innen dürfe man nicht „achselzuckend“ hinnehmen, forderte der Kanzler. In Bezug auf die anstehende Europawahl erklärte Scholz, für Wähler*innen sei es wichtig, dass sie am Tag der Entscheidung wüssten, wofür die Sozialdemokratie steht – und wofür nicht. Der Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien im EU-Parlament erteilte er eine Absage. Er erinnerte auch an den russischen Angriffskrieg in der Ukraine: Dieser sei ebenso ein Angriff auf Demokratie und Freiheit. Demokratie sei tatsächlich ansteckend, und davor hätten Menschen wie Putin Angst. Für Scholz ist es in solch bedrückenden Zeiten dennoch wichtig „die Zukunft nicht aus dem Blick zu verlieren.“ Das sei Aufgabe der Sozialdemokratie. 

Und so zeigte der sozialdemokratische Demokratiekongress, dass es trotz aller Herausforderungen und Probleme Hoffnung gibt. Diese Hoffnung besteht aus einer klaren Abgrenzung von rechten Parteien, einer Absage an jegliche Form der Zusammenarbeit mit diesen Parteien, Solidarität und einem Festhalten an sozialdemokratischen Werten. Und daraus, Demokratie nicht als etwas Selbstverständliches zu begreifen – sondern als etwas, das aktiv verteidigt werden muss.

Autor*in
Julia Korbik
Julia Korbik

studierte European Studies, Kommunikationswissenschaften und Journalismus in Deutschland und Frankreich. In Berlin arbeitet sie als freie Autorin und Journalistin.

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