Meinung

Zusammenarbeit mit Ultrarechten: Ursula von der Leyens gefährliches Spiel

Ursula von der Leyen zeigt sich offen für eine Zusammenarbeit mit den extrem rechten Parteien nach der Europawahl. Das sagte sie bei einer Debatte der Spitzenkandidat*innen am Montag. Damit spielen Europas Konservative ein gefährliches Spiel, kommentiert vorwärts-Chefredakteurin Karin Nink.

von Karin Nink · 30. April 2024
Schielt nach rechts: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der „Maastrich-Debate“ am 29. April

Schielt nach rechts: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der „Maastrich-Debate“ am 29. April

Dass Ursula von der Leyen zu vielem bereit ist, um sich die Macht zu sichern, ist bekannt. Dass die einst als moderat geltende Politikerin nun aber ganz offenkundig auch bereit ist, mit der ultrarechten und rechtspopulistischen Fraktion EKR (Europäische Konservative und Reformer) im Europäischen Parlament zusammenzuarbeiten, hat eine neue Qualität. Offenbar will die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP) auf diese Art und Weise ihre derzeitige Position als Kommissionspräsidentin für eine weitere Wahlperiode sichern. Denn ohne die Zustimmung des Parlaments kann niemand Kommissionspräsident*in werden.

Von der Leyen bricht mit einem Konsens der Demokrat*innen

Bei einer Diskussionsveranstaltung der Spitzenkandidat*innen für die Europawahl des Nachrichtenportals „Politico“ am Montagabend in Maastricht schloss von der Leyen eine Zusammenarbeit mit der EKR nicht aus, sondern sagte auf eine entsprechende Frage des Grünen-EU-Parlamentariers Bas Eickhout: „Es hängt sehr davon ab, wie die Zusammensetzung im Parlament ist und wer in welcher Fraktion ist. Es ist das Parlament, das Mehrheiten schafft.“

Mit dieser Aussage bricht von der Leyen mit dem, über lange Jahre geltenden, Übereinkommen der demokratischen Kräfte in Brüssel, rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften in der EU keine Macht einzuräumen. Sie hat diesen, auch für das Parlament geltenden Konsens zwischen der konservativ-zentristischen EVP, der sozialdemokratischen S&D-Fraktion und den Liberalen mit ihrer Einlassung bei „Politico“ mindestens in Frage gestellt. 

Zusammenarbeit mit der Partei Melonis?

Von der Leyens Antwort ist umso erschreckender, wenn man weiß, dass in der EKR neben Rechtspopulist*innen wie den „Schwedendemokraten“ und der spanische Vox-Partei seit Anfang des Jahres auch die französische Partei „Reconquête“ von Eric Zemmour vertreten ist. Sie überholt die rechtspopulistische „Rassemblement National“ (RN) von Marine Le Pen noch deutlich rechts. Auch die rechtsradikale und europafeindliche polnische PiS gehört zur EKR, die Ende vorigen Jahres als Regierungspartei abgelöst wurde.

Vorsitzende der EKR ist übrigens die italienische Ministerpräsidentin und Postfaschistin Giorgia Meloni. Zwar gibt Meloni sich auf dem europäischen Parkett große Mühe, einen moderaten, halbwegs europakonformen Kurs zu fahren, aber in Italien regiert sie mit eiserner, rechtspopulistischer (oder postfaschistischer) Hand. Hauptbetroffene sind Frauen und Medien. 

So will Meloni das italienische Abtreibungsrecht ändern und dafür sorgen, dass bei den Beratungsgesprächen für die betroffenen Frauen auch radikale, so genannte Lebensschutzorganisationen dabei sein sollen. Seit Übernahme der Regierung versuchen Meloni und ihre Partei Fratelli d'Italia, den öffentlich-rechtlichen Rundfunksender RAI unter ihre Kontrolle zu bringen. Regierungskritische Journalist*innen werden ausgetauscht oder mundtot gemacht wie jüngst der Schriftsteller und Mussolini-Experte Antonio Scurati. Viele haben den Sender aufgrund dieser Einmischungen schon verlassen (müssen). Die Repressionen gehen so weit, dass die RAI-Journalist*innen demnächst in den Streik treten wollen. – Man sollte also wissen, mit wem man es bei der EKR tun hat.

Auch Söder pilgert zu Meloni nach Rom

Schlüssig erscheint von der Leyens Antwort allerdings, wenn man sich die Strategie des EVP-Vorsitzenden, des deutschen CSU-Mannes Manfred Weber anschaut. Er hat früh den Kontakt zu Meloni gesucht und die EVP für die EKR geöffnet. So hat er mit seiner EVP etwa bei der Abstimmung zum EU-Naturschutzgesetz im vorigen Jahr mit Rechtsnationalen und Rechtsextremen im Umweltausschuss des EU-Parlaments gegen das Gesetz gestimmt. 

Mit dieser Strategie versucht Weber offenbar, den Rechtsruck in verschiedenen nationalen Parlamenten für die EVP nutzbar zu machen, statt sich auf Grüne und Sozialdemokraten zuzubewegen. Und so mancher, der Weber im vorigen Jahr für seine Nähe zu Meloni noch scharf kritisierte, pilgert in der kommenden Woche selbst nach Rom, etwa CSU-Chef Markus Söder: Erst zu Meloni, anschließend dann zur Abbitte zum Papst – so könnte man sein Reiseprogramm verstehen. Nach Aussage Söders hat ihn Ursula von der Leyen ermuntert, den Kontakt zu Meloni zu suchen. 

Wer CDU und CSU wählt, stärkt die Rechtsextremen

Ob sich die Konservativen in Europa und Berlin klar darüber sind, welches gefährliche Spiel sie spielen? Sie agieren rein wahltaktisch, ohne Beachtung der europäischen Werte, für die sich doch auch ein Helmut Kohl über alle Parteigrenzen hinweg stark gemacht hat. Sie reißen damit mutwillig national und in Europa die Brandmauer gegen Rechtspopulisten und Rechtsextreme ein.

Alle, die sich jetzt aus wahltaktischen Gründen der extremen Rechten nähern, sollten sich den Kommentar von Nicolas Schmit, dem SPE-Spitzenkandidaten, zu von der Leyens Aussage ins Stammbuch schreiben: „Werte und Rechte können nicht nach irgendeinem politischen Arrangement definiert werden. Entweder man kann mit der extremen Rechten verhandeln, weil man sie braucht, oder man sagt ganz klar, dass es keinen Deal geben kann, weil sie die Grundrechte, für die unsere Kommission gekämpft hat, nicht respektieren.“

Ganz klar ist nach der Einlassung von Ursula der Leyen jedenfalls eins: Wer eine stärkere Einflussnahme von Rechtspopulisten und Rechtsextremen in Europa verhindern und sich für ein demokratische EU einsetzen will, kann nicht mehr die Mitgliedsparteien der EVP wählen, das heißt auch nicht CDU/CSU. 

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 30.04.2024 - 19:08

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Es ist schon richtig, daß die CDSU samt EU-Kumpel rechtsoffen ist, aber das verlangt die neoliberale Agenda. Auch in der Vergangenheit zeigte aber die SPD oft, meiner Meinung nach, zu wenig Distanz zu den Pinochets, Francos, Apartheidregimes etc., speziell wenn es "die Geopolitik" verlangte.
Gegen Frau vonderLaien ermittelt die belgische Staatsanwaltschaft und ich hoffe es findet sich ein Gericht das mit der gleichen Schärfe gegen sie vor geht wie gegen Schwarzfahrer nd Taschendiebe. Aber es gelten wohl eher die Worte und Erfahrungen die Frau Brohilker formulierte: "die kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen." Ein Satz, der sich heute liest wie aus dem Katechismus des Klassenkampfes.

Gespeichert von Oliver Czulo (nicht überprüft) am Di., 30.04.2024 - 23:44

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Man kann es gegenüber den und über die Konservativen nicht oft genug sagen: Sie schaffen es in diesem Punkt leider immer wieder, die Lehren aus der Geschichte zu verdrängen und spielen lieber den Steigbügelhalter.