Meinung

Warum ein ziemlich herzloser Friedrich Merz uns nicht regieren sollte

CDU-Chef Friedrich Merz sieht sich schon auf dem Sprung ins Kanzleramt. Sein gefährlichster Gegner dabei könnte er selbst sein. Denn ihm fehlt etwas ganz Entscheidendes.

von Martin Kaysh · 21. Januar 2025
Friedrich Merz: Der Kanzlerkandidat der CDU/CSU im Wahlkampf am 20. Januar 2025 in Flensburg

Friedrich Merz: Der Kanzlerkandidat der CDU/CSU im Wahlkampf am 20. Januar 2025 in Flensburg

Man soll Kunst und Künstler trennen. Ganz ehrlich, ich möchte mir nicht das Buch irgendeines Rassisten aufs Kopfkissen legen, nur weil er so schöne Reime reimt. Das könnte zu schlechten Träumen führen.

In der Politik ist es ähnlich. Ich könnte nicht Politiker von ihrer Politik trennen. Ich muss mir allerdings auch nicht die Schattengestalten der Politik abends in der Bundestagskantine nach einem leider notwendigen Deal schönsaufen, weil man ja morgen doch weitermachen muss. Politiker sind Garanten ihrer Politik. Sie müssen vertreten, was sie so verkünden. Schließlich wählen wir ja Direktkandidaten und keine Abstimmautomaten.

Stets breitbeinig, oft Schaum vor dem Mund

Man ahnt es, es geht hier um den stets breitbeinig auftretenden Oppositionsführer Friedrich Merz, den Mann aus den kleinen Bergen, dem Sauerland. Man solle sich hüten vor den „Iden des Merz“, wissen per Asterix sozialisierte Menschen. Meine Sorge gilt eher den Ideen des Merz. Nimmt man ihnen das Boshafte, das ständig schaummündige Austeilen nach unten, bleibt vor allem eines: Lärm.

Im Bundestag pöbelt er rum wie der Vorsitzende der Jungen Union im Ortsverband, wenn er bei der Wahl zum stellvertretenden Schriftführer auf einen Gegenkandidaten stößt. Er kommt schrill rüber wie eine der Fernsehserien aus den 80ern mit David Hasselhoff, die jetzt irgendwo im Nachmittagsprogramm versendet werden. Das passt, denn Merz wirkt so, als müsse er immer noch Helmut Kohl das gemütlich Konservative mit besonders peinlichen Popper-Pöbeleien austreiben. Er wirkt dabei wie der optimale Kandidat für die Bundestagswahl – im Januar 1987.

Martin
Kaysh

Merz wirkt wie der optimale Kandidat für die Bundestagswahl – im Januar 1987.

Um an dieser Stelle zu überraschen: Aus einem Grunde hätte ich mich über einen Wahlsieg von Merz tatsächlich gefreut. Für meinen Bruder, er war sein größter Fan. Fast 50 Jahre war er in dieser Partei, glühend oft, auch als Mandatsträger. Ende 2023 hat mein Bruder geheiratet, mit traurigem Hintergrund. Er war an ALS erkrankt, dieser brutalen Nervenkrankheit, die absehbar zum Tode führt.

Thomas liebte neben dem Konservativen einen großen Fußballclub. Ich fragte den Club, ob nicht ein Alt-Star ein kleines Handyvideo schicken könne, einen schnellen Gruß zur Hochzeit. Man schickte ein gutes Dutzend.

Hitzköpfig mit kaltem Merzherz

Ich fragte beim Vorsitzenden dieser christlichen Partei. Sein Büro antwortete prompt. Die Absage war drei Zeilen lang. Man wünschte meinem Bruder „von Herzen alles Gute“. Die 30 Sekunden für eine Videoaufnahme hatte man ob der aufwendigen Absage-Mail nicht mehr. Vielleicht lebt man ja im Sauerland das Christliche nach einer anderen Bibelübersetzung. Vielleicht will man einfach mal witzig sein, originell, nicht wie andere mit heißem Herzen und kühlem Kopf agieren, sondern hitzköpfig mit kaltem Merzherz.

Autor*in
vorwärts-Kolumnist: Kabarettist und Alternativkarnevalist Martin Kays
Martin Kaysh

ist Kabarettist, Alternativ-Karnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

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Gespeichert von R.J.Fischer (nicht überprüft) am Mi., 22.01.2025 - 02:36

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