„Heldin“ mit Leonie Benesch: Atemloses Drama über eine Pflegekraft am Limit
Für ihre Patient*innen gibt Krankenschwester Floria alles. Doch die Arbeitsbedingungen fordern ihren Tribut. Anhand der Geschichte einer Frau erzählt der Kinofilm „Heldin“ von den gefährlichen Folgen des Pflegenotstandes.
TOBIS Film GmbH
Atemlos durch die Schicht: Krankenschwester Floria (Leonie Benesch) kämpft mit den systemischen Tücken des Gesundheitssystems.
Schon nach wenigen Augenblicken fragt man sich, woher diese Frau ihre Energie nimmt. Und ihre Geduld.
Die Schicht von Krankenschwester Floria hat kaum richtig begonnen, da ist sie auch schon mittendrin. In der Chirurgischen Abteilung eines Schweizer Krankenhauses türmen sich die Aufgaben, doch das Zeitbudget pro Patient*in ist knapp. Innerhalb weniger Augenblicke legt Floria eine Infusion, klärt über die nächsten Schritte einer Krebsbehandlung auf oder beruhigt eine Demenzkranke. Daneben kümmert sie sich um den Verbleib eines Hundes und erträgt die Tiraden eines chronisch unzufriedenen Privatpatienten. Es ist Fließbandarbeit, aber immerhin mit viel Herz und maximaler Aufmerksamkeit. Dennoch wird klar: Dieser Klinikbetrieb basiert auf Verschleiß.
Wenn Arbeitnehmer*innen an Strukturen scheitern
Florias Energie hat wohl etwas mit ihrem Berufsethos zu tun. Und auch damit, dass sie ihr chaotisches Privatleben zu verdrängen versucht. Allerdings zeigt ihr Beispiel, dass sich Arbeitnehmer*innen vergeblich aufreiben, wenn die Strukturen nicht stimmen. Dass es kaum zu vermeiden ist, dass unter diesen Bedingungen etwas schiefgeht. So geschieht es, als auf Florias Station eine Kollegin ausfällt und sie versucht, die entstandenen Lücken zu füllen. In der Hektik verwechselt Floria ein Medikament. Weitere Missgeschicke folgen. Der große Eklat lässt nicht lange auf sich warten.
„Heldin“ lässt die Zuschauenden atemlos zurück. Nicht etwa wegen eines rasanten Erzähltempos oder besonders extrovertierter Auftritte der Darsteller*innen. Ganz im Gegenteil: Dieser Film lebt von einer eher ruhigen, vor allem auf Realismus fußenden Erzählweise und Bildsprache (Kamera: die zuletzt auch bei „In Liebe, Eure Hilde“ überragende Judith Kaufmann). Viele Szenen haben fast schon dokumentarischen Charakter. Gerade dadurch bekommt man einen sehr lebendigen Eindruck vom alltäglichen Wahnsinn im Krankenhaus.
Was für die Erzählweise gilt, lässt sich auch über die Hauptfigur sagen: Wenn Floria Spritzen aufzieht oder Tabletten-Portionen zusammenstellt, hat man den Eindruck, dass Hauptdarstellerin Leonie Benesch (die zur Vorbereitung übrigens ein Praktikum in einem Kantonsspital absolviert hat) in ihrem Leben nie etwas anderes gemacht hat. Doch auch dieser Schein des Alltäglichen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dieser Frau etwas arbeitet. Und dass das alles nicht gutgehen kann. Wie schon in „Das Lehrerzimmer“ zieht Beneschs subtile Interpretation einer Frau am Limit und inmitten eines Orkans einen in ihren Bann.
Eine Hommage an Pflegekräfte
Die italienisch-schweizerische Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe will ihren Film als Hommage an all die verstanden wissen, die uns (mindestens) am Anfang und Ende unseres Lebens begleiten: also an Pflegekräfte wie Floria. Zugleich legt sie damit den Finger in die Wunde, die die Schweiz und zahllose andere Länder plagt. Gemeint ist der Fachkräftemangel in Kliniken im Allgemeinen und in der Pflege im Speziellen, auch in Deutschland. Besonders sichtbar wurde er während der Corona-Pandemie.
Bei ihrem präzisen Blick auf ein System am Rande des Kollapses ließ sich Volpe von dem Buch „Unser Beruf ist nicht das Problem – es sind die Umstände“ der Berliner Gesundheits- und Krankenpflegerin Madeline Calvelage inspirieren.
Der Applaus der Corona-Jahre ist verklungen
Wer Floria einen Tag lang begleitet, wird verstehen, warum es viele Menschen nicht lange in diesem Berufsfeld aushalten. Die Arbeitsüberlastung als Folge von auf das Nötigste zusammengesparten Personalbudgets wirkt verheerend und abschreckend. Und da wäre noch die Frage nach einer angemessenen Bezahlung und der gesellschaftlichen Wertschätzung: Längst ist der frenetische Applaus, der Klinikmitarbeiter*innen während der Corona-Jahre gespendet wurde, verklungen.
Laut einer Studie werden in Deutschland im Jahr 2049 rund 280.000 Beschäftigte im Pflegebereich fehlen, in der Schweiz sind es 90.000 bis zum Jahr 2035. Weltweit werden bereits 2030 rund 13 Millionen Pflegende fehlen, warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Gleichzeitig steigt der Anteil an Pflegebedürftigen in den älter werdenden Gesellschaften, nicht nur diesseits und jenseits der Alpen.
Was dringend zu tun ist
Mit anderen Worten: Die Situation in vielen Kliniken und Pflegeeinrichtungen gleicht einem Pulverfass. Um es zu entschärfen, braucht es nachhaltige und mutige Konzepte aufseiten der Politik.
Diese Makroebene lässt der Film, der seine Weltpremiere auf der diesjährigen Berlinale feierte, weitgehend außen vor. Und doch zeigt dieses ganz auf die Perspektive einer engagierten, aber am Ende auch verzweifelten Krankenschwester fokussierte Drama, was im Argen liegt. Und was dringend zu tun ist.
„Heldin“ (Schweiz/Deutschland 2025), ein Film von Petra Volpe, mit Leonie Benesch, Sonja Riesen, Selma Aldin und Alireza Bayram, Kamera: Judith Kaufmann, 92 Minuten.
Im Kino. Weitere Infos unter tobis.de