Kultur

Dokumentarfilm „Wie die Liebe geht“: Vier Paare zwischen Traum und Albtraum

Passend zum Valentinstag am 14. Februar feiert der Dokumentarfilm „Wie die Liebe geht“ das tiefe und verbindende Gefühl der Liebe. Die Langzeit-Porträts von Paaren und Familien zeigen aber auch die Herausforderungen, die es mit sich bringt. Und das Beziehungen gelebte Vielfalt sind.

von Nils Michaelis · 14. Februar 2025
Wie die Liebe geht

Ein Traum wird wahr: Patty und Sarah bei ihrer Hochzeit. Später landen sie auf dem Boden der Realität.

Sarah ist völlig verzweifelt. Vor Kurzem hat sie sich von ihrer Frau Patty getrennt. Nun wärmt sie die Beziehung zu einem männlichen Ex-Partner wieder auf. Weiß sie wirklich, was sie will? 

Wenn die Liebe zu Erbsensuppe wird

Als sich die junge Frau bei ihrer Mutter ausheult, macht die sie mit einer aus Erfahrung gewonnenen Weisheit vertraut: „Ich war 28 Jahre lang mit deinem Vater verheiratet. Das wird irgendwann Erbsensuppe.“ Will heißen: Jede Liebe landet irgendwann auf dem Boden der Tatsachen. Doch was nützt Sarah dieser Satz in einem Moment, an dem die, wie sie dachte, Liebe ihres Lebens zerbrochen ist?

Die Möglichkeit und Unmöglichkeit der Liebe. Die inneren Mechanismen und das Scheitern einer Beziehung: Diesem Themenkomplex, den besonders viele Menschen aus eigener Anschauung kennen, widmet sich der Dokumentarfilm „Wie die Liebe geht“. 

Angeblich zerbrechen viele Beziehungen im „verflixten“ siebten Jahr. Diese Zeitspanne gab dem Film seinen Rahmen: Sieben Jahre lang begleiteten die Filmemacherinnen Judith Keil und Antje Kruska vier Paare durch die Höhen und Tiefen ihres gemeinsamen Lebens. So viel sei verraten: Bei keinem der Paare bleiben die Dinge, wie sie am Anfang sind.

Nach der Geburt ist der Wurm drin

Die Geschichten sind so unterschiedlich wie die Milieus und Schauplätze. Zu Beginn erleben wir, wie sich ein Traum erfüllt: Sarah und Patty feiern ihre Hochzeit mit einem rauschenden Fest. Zu diesem Traum gehört aber auch ein gemeinsames Kind. Auf dem Weg dorthin überwinden die Krankenschwester (24) und die Lkw-Fahrerin (33) aus dem Ruhrgebiet viele Hindernisse. Die beiden Frauen wirken wie ein unschlagbares Duo. Und müssen nach der Geburt ihres Sohnes feststellen, dass in ihrer Beziehung der Wurm drin ist. 

Dagegen ist Mirko und Nicola aus Bremen schnell klar, dass sie ein ungleiches Paar sind. Der 43-jährige Malermeister hat schon eine Ehe hinter sich und zwei Teenager-Töchter, als er mit der elf Jahre jüngeren Nicola einen Neuanfang wagt. Die Erzieherin hingegen meint, in dem pragmatisch wirkenden Handwerker ihren Traummann gefunden zu haben. Die beiden bekommen eine Tochter. Doch auch hier kommt einiges anders als gedacht. 

Traumpaar: Dieser Begriff ploppt im Kopf auf, wenn Nici und Benni auf die Leinwand kommen. Als beide 24 Jahre alt sind, heiraten der punkig angehauchte Doktorand der Biochemie und die Controllerin einer Bäckereikette ganz klassisch in Berlin. Sie bekommen zwei Kinder und leben in einer engen Plattenbauwohnung. Als sie endlich zum großen Sprung ansetzen wollen, wirft ein Schicksalsschlag ihr Leben aus der Bahn. Und damit auch ihre Beziehung. 

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Bei Michi (31) und Louis (34), ebenfalls in Berlin zu Hause, zeigt sich hingegen schnell, wo die Bruchlinie verläuft. Einerseits entsprechen die Schauspielerin und der Fotograf dem klassischen Bild eines innig verbundenen Paares. Sie pflegen gemeinsame Gewohnheiten und treiben die Familiengründung voran. 

Doch Michi reicht das nicht. Sie wünscht sich eine offene Beziehung. Louis zieht zähneknirschend mit, es ist nicht das einzige Ungleichgewicht in dieser Konstellation. Wird ihr Beziehungs- und Familienleben all diese Kompromisse und Widersprüche überstehen?

Sorgfältige Porträts unterbelichteter Lebenswelten

Die Filmemacherinnen Judith Keil und Antje Kruska zeichnen sich seit vielen Jahren durch sorgfältige Porträts verschiedener und bisweilen unterbelichteter Lebenswelten in Deutschland aus. Ihr 2002 erschienener Dokumentarfilm „Der Glanz von Berlin“ schildert den privaten und beruflichen Alltag von Putzfrauen und wurde mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. In „Land in Sicht“ (2013) zeigen sie, wie die Wünsche und Erwartungen Geflüchteter an Deutschland auf den Alltag und die Mentalität in Brandenburg treffen.

„Wie die Liebe geht“ setzt den Reigen dieser präzisen Alltagsstudien fort. Dass der ebenso nüchterne wie behutsam umgesetzte Film die Liebe feiert, ist in dieser von Kriegen und Konflikten geprägten Gegenwart lobenswert und gewissermaßen politisch. Vor allem aber geben die zwischen den Paaren beziehungsweise Familien wechselnden Episoden tiefe Einblicke in verschiedene Lebensentwürfe, seien es nun fröhliche, konfliktreiche oder auch traurige Momente. Wir erleben große Weichenstellungen wie eine Geburt, aber auch ganz Alltägliches: Häufig ist im scheinbaren Kleinen das große Ganze zu erkennen.

Zugleich wird deutlich, welche gelebte Vielfalt heutzutage hinter Begriffen wie Familie steckt. In Zeiten, in denen vor allem Vertreter*innen von rechts und Rechtsaußen zunehmend mit Floskeln wie „Vater, Mutter, Kind“ hantieren, ist auch dieser Umstand wohltuend. Von diesen 153 Minuten ist keine zu viel.

„Wie die Liebe geht“ (Deutschland 2024), ein Film von Judith Keil und Antja Kruska, 153 Minuten

Im Kino. Weitere Infos unter realfictionfilme.de

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