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Europa: Warum 15 Prozent Mindeststeuer für Unternehmen ein Fortschritt sind

Mit der Einführung einer internationalen Mindeststeuer geht die Europäische Union im Kampf gegen Steuervermeidung voran. Damit soll der Steuerwettlauf nach unten enden. Die SPD hat weitere Pläne.
 

von Vera Rosigkeit · 27. März 2024
Europa

Für Parsa Marvi ist es eine Zeitenwende in der globalen Steuerpolitik. Gemeint ist die Einführung der globalen Mindeststeuer für internationale Unternehmen, die in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union tätig sind. 

Mindeststeuersatz von 15 Prozent

Zum 1. Januar 2024 traten die EU-Vorschriften in Kraft. Vorausgegangen waren Verhandlungen und eine lange Blockade seitens des damals noch von der rechtsnationalen PiS-Partei regierten Polens und des rechtsextremen Regierungschefs in Ungarn Viktor Orbán. 2022 war der Weg für eine effektive Mindestbesteuerung dann frei. Bis Ende vorigen Jahres hatten die EU-Mitgliedsstaaten Zeit, jeweils nationale Gesetze zur Einführung zu beschließen, Deutschland tat es im vergangenen Herbst. 

Nun gilt innerhalb der EU ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent für alle international agierenden Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro. Und zwar unabhängig davon, wo diese Gewinne erwirtschaftet werden. Die Einigung der EU-Staaten sei ein „Riesenschritt für die globale Steuergerechtigkeit“, betont Marvi, zuständiger Berichterstatter und Mitglied im Finanzausschuss der SPD-Bundestagsfraktion.

Fast 140 Staaten sind sich einig

Um zu vermeiden, dass Unternehmen ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, damit sie Milliarden Euro an Steuern sparen, braucht es globale Lösungen. Bereits 2021 haben sich Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf ein gemeinsames Regelwerk für die globale Mindeststeuer von 15 Prozent verständigt. Eine laut Marvi „historische Einigung“, der sich fast 140 Staaten angeschlossen haben. „Diese Verständigung auf eine Mindeststeuer ist die Vision“, sagt er. Real werde sie aber erst, wenn die Staaten der OECD dies in Form eines Gesetzes umsetzten. Das sei bislang noch nicht geschehen. Hier gehe die Europäische Union „mit der Einführung der Mindeststeuer voran“.

Künftig müsse ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland, das Tochtergesellschaften in einem Land habe, in dem geringere Steuern berechnet werden, die Differenz zwischen den nicht gezahlten Steuern und den 15 Prozent Mindeststeuern beim deutschen Finanzamt nachversteuern.
Auch andere Modelle, die bislang zu dem Effekt der Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer geführt haben, sollen so eingedämmt werden. 

Als Beispiel beschreibt der SPD-Politiker Unternehmen, die Marken- oder Patentrechte und Lizenzen an Tochterunternehmen im Ausland verkaufen, die sie dann an die Mutterkonzerne zurückvermieten. Diese können dann die Mietkosten in Deutschland als Betriebsausgaben geltend machen und so Steuern mindern. Gleichzeitig sparen sie Steuern, indem sie in einem Land Gewinne machen, in dem kaum Steuern anfallen. Hier dient die Mindeststeuer „als Hebel, um solche Modelle einzudämmen“.

Steuerwettlauf beenden

Digital-Giganten wie Amazon und ­Google sind aktuell von der effektiven Mindestbesteuerung noch nicht betroffen. Dazu müssen zunächst die Besteuerungsrechte neu zugeordnet werden. Die Verhandlungen dazu laufen, erklärt Marvi, „dazu brauchen wir aber vor allem die USA“. Ziel sei, dass Unternehmen ihre Umsätze unabhängig vom Standort des Mutterkonzerns versteuern müssen. Dann könnten auch Steuern erhoben werden „in den Ländern, in denen der Umsatz erwirtschaftet wird“.

Um den Steuerwettbewerb in der EU zu harmonisieren und mehr Einnahmen für die öffentlichen Haushalte zu erzielen, fordert die SPD in ihrem Programm zur Europawahl im Juni zudem die Einführung einer einheitlichen Körperschaftssteuer von 15 Prozent. 

Steuern auf Kauf von Aktien

Da in Europa unterschiedliche ­Steuersätze gelten – in Deutschland und Österreich liegen sie weit über denen in Ungarn – soll damit der Steuerwettlauf nach unten enden. „Vor 30 Jahren hatten wir noch einen durchschnittlichen Steuersatz von rund 35 Prozent in der EU, jetzt liegt er bei 22 Prozent“, betont Marvi. Das bedeute aber nicht, „dass Deutschland seine durchschnittlich 23 Prozent Körperschaftssteuer auf 15 senken soll. Die 15 Prozent sind lediglich eine untere Grenze.“  

Auch macht sich die SPD für die EU-weite Einführung der Besteuerung von Aktien- und Wertpapierhandel stark. Staaten wie Belgien, Irland, Italien und auch Frankreich würden bereits eine Art Verbrauchssteuer auf Aktiengeschäfte erheben. In Großbritannien fallen mit der „Stamp Duty“ ebenfalls Steuern auf den Kauf von Aktien und Wertpapieren an. Gerade weil es einige Länder schon tun, wäre es jetzt klug, eine europaweite Regelung einzuführen, ist Marvi überzeugt. „Ein Grund mehr, einen neuen Anlauf zu nehmen.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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