Scholz kampflustig im TV-Quadrell: „Nix gehört außer heiße Luft“
Eine Woche vor der Bundestagswahl traf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im „Quadrell“ auf RTL mit Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) aufeinander. Dabei bot der Kanzler vor allem Rechtsaußen die Stirn. Und hatte am Ende noch einen „Wer wird Millionär“-Moment.
picture alliance/dpa/dpa-Pool | Kay Nietfeld
Ein Stück Fernsehgeschichte: Beim ersten „Quadrell“ trafen Bundeskanzler Olaf Scholz, Robert Habeck, Friedrich Merz und Alice Weidel aufeinander.
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, heißt es. Im „Quadrell“ im Fernsehsender RTL am Sonntagabend stritten sich die meiste Zeit nicht zwei, sondern drei. Ein Vierter freute sich: Olaf Scholz. Dem SPD-Kanzlerkandidaten und amtierenden Bundeskanzler gelang es, eine Woche vor der Bundestagswahl am 23. Februar bei einem TV-Event Haltung zu wahren, das ansonsten ziemlich aus den Fugen geriet.
Das erste „Quadrell“ in der Fernsehgeschichte
Kanzler-Duelle haben in Deutschland Tradition, doch vor der Bundestagswahl 2025 ist wenig so, wie es einmal war. Ursprünglich wollte RTL zwei Duelle ausrichten: Scholz gegen Unions-Kandidat Friedrich Merz, Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck gegen AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel. Letzteres lehnte Habeck aber ab. Und so kamen eine Woche vor der Bundestagswahl am 23. Februar gleich alle vier Kandidat*innen zum Schlagabtausch zusammen, beim ersten Quadrell deutscher Fernsehgeschichte, ausgerichtet von RTL, n-tv und stern.
Dabei erlebten die Zuschauer*innen wohl einige Déjà-vu-Momente. Wie schon beim TV-Duell vor genau einer Woche, stiegen die Moderatorin Pinar Atalay und Moderator Günther Jauch auch diesmal mit dem Thema Migration ein. Dieses wurde aber deutlich schneller ausdiskutiert – wohl auch, weil sich mit der Anwesenheit von AfD-Chefin Alice Weidel ein anderes Thema aufdrängte.
Als Scholz über den Tabubruch von CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag sprach, der sich mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit verschafft hatte, geriet er das erste Mal mit der AfD-Chefin aneinander. Weidel monierte ein „unverschämtes Framing“: Sie wolle nicht in die Nähe von Nationalsozialisten gestellt werden. Der Kanzler erinnerte sie prompt an das berühmte Zitat des Ehrenvorsitzenden ihrer Partei, Alexander Gauland, der die NS-Zeit einen „Fliegenschiss der Geschichte“ genannt habe.
Merz: Lieber Opposition als „Dschungel-Camp“
Die angespannte Stimmung versuchten der Moderator und die Moderatorin aufzulockern, indem sie den Unterhaltungswert des Privatsenders versuchten aufrecht zu halten. In schnellen Fragerunden musste sich die Befragten etwa zwischen einem Platz im „Dschungel-Camp“ oder in der Opposition entscheiden. Das brachte vor allem Friedrich Merz aus dem Konzept. „Lieber Jahrzehnte in der Opposition“, sagte er.
Zweites großes Thema: Wirtschaftspolitik. „Die beim Faktencheck werden jetzt viel zu tun haben“, merkte Robert Habeck spitz an, als sich Alice Weidel in ihren Aussagen zu Erneuerbaren Energien verstrickte. Olaf Scholz gelang es dagegen, die Wirtschaftspläne der SPD anschaulich zu machen: 95 Prozent der Bürger*innen entlasten, und dafür höhere Steuern für die Reichsten. „Leute wie wir“, sagte er, und zeigte auf die anwesenden Spitzenpolitiker*innen, „zahlen dann mehr. Und das ist gerecht.“ Nicht gerecht seien dagegen die Pläne der Union, mit denen eine Friseurin beispielsweise nur zehn Euro im Monat sparen würde.
Scholz gegen Weidels Steile Thesen
Auch in Steuerfragen punktete der Kanzler mit sachlichen Argumenten und bewies an diesem Abend große Schlagfertigkeit. Als Merz ihn und Wirtschaftsminister Habeck für die „größte Wirtschaftskrise der deutschen Nachkriegsgeschichte verantwortlich“ machte, konterte Scholz galant: „Ich dachte, das sei Putin.“ Mit Blick auf die Energiekrise, die der Angriffs Russland auf die Ukraine verursachte, behielt Scholz recht.
Seinen stärksten Moment aber hatte der Kanzler in der Auseinandersetzung mit Alice Weidel. Konfrontiert mit der Frage, wie die AfD ihre Steuerpläne finanzieren wolle, die ein Loch von rund 120 Milliarden Euro in den Haushalt reißen würden, zählte die AfD-Chefin Klimaausgaben, Bürgergeld und Entwicklungsleistungen auf. Wenn diese Leistungen gestrichen würden, würde der Bundeshaushalt sogar Mehreinnahmen haben, behauptete sie – eine steile These. „Die Zuschauer haben nix gehört außer heiße Luft“, sagte Scholz und ging zum Gegenangriff über. Die AfD wolle Gas, Kohle, Öl auf Staatskosten einkaufen und dann den Leuten schenken. „Super Konzept, großartig ausgedacht, ganz toll“, sagte er ironisch. Weidel sah sich in die Ende gedrängt, und warf dem Kanzler vor, er habe seine Wähler*innen enttäuscht.
Der Kanzler wirkte während der gesamten Sendung in Kampfstimmung, oft stand er neben seinem Rednerpult statt dahinter. Am Ende zeigte der Blick auf die Uhr: Er hatte am meisten von allen vieren geredet. Als Günther Jauch im Stile von „Wer wird Millionär“ die Quizfrage stellte, wie viel Prozent der Beamten bis zur gesetzlichen Arbeitsgrenze arbeiten würden, wusste Scholz die korrekte Antwort – 20 Prozent. „Da wären Sie eine Runde weiter“, sagte Moderator Jauch. „Das ist mein Plan“, sagte Scholz – und hatte die Lacher der Zuschauer*innen auf seiner Seite.