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Neue Pläne: Wie die Bundesregierung gegen ungewollte Migration vorgehen will

CDU und CSU haben die Gespräche mit der Bundesregierung über eine Steuerung der Migration abgebrochen. Nun will die Ampel allein handeln. Ziel ist eine Zurückweisung Geflüchteter ohne Aufenthaltsrecht, die rechtssicher ist.

von Kai Doering · 11. September 2024
Die Einreise wird schwieriger: Künftig sollen Asylsuchende direkt an der deutschen Grenze überprüft werden.

Die Einreise wird schwieriger: Künftig sollen Asylsuchende direkt an der deutschen Grenze überprüft werden.

Die Zahl der Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, muss runter. Da sind sich die Bundesregierung und die Union einig. Über den Weg dahin, gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. So beharren CDU und CSU darauf, Geflüchtete an der deutschen Grenze direkt zurückzuweisen. Aus Sicht der Bundesregierung ist eine pauschale Rückweisung jedoch europarechtlich nicht möglich. Die Union hat deshalb am Dienstag öffentlichkeitswirksam die gemeinsamen Gespräche abgebrochen. Nun wollen die Ampel-Parteien im Alleingang handeln.

Was sieht der Plan der Bundesregierung vor?

Ziel der Bundesregierung ist, dass Asylbewerber*innen, die bereits in einem anderen europäischen Land registriert wurden, rascher in dieses Land zurückgebracht werden. Nach dem Dublin-Verfahren muss sich das EU-Land um Asylbewerber*innen kümmern, in dem sie zum ersten Mal registriert wurden. Dafür sollen Geflüchtete, die an der deutschen Grenze Asyl beantragen, in Grenznähe auf deutschen Boden untergebracht und ihr Asylgesuch in einem Schnellverfahren geprüft werden. Stellt sich dabei heraus, dass sie bereits in einem anderen Land registriert wurden oder sie kein Recht auf Asyl haben, sollen sie zügig zurückgebracht werden.

Wer ist für die Schnellverfahren zuständig?

Zuständig für die Überprüfung ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), für das im aktuellen Haushaltsentwurf bereits 1.100 neue Stellen vorgesehen sind.

Wer ist für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber*innen zuständig?

Bisher liegen Abschiebungen in der Verantwortung der Bundesländer, die dort von der Polizei vorgenommen werden. Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Bundespolizei künftig eine größere Rolle spielen und die Länder bei den Rückführungen unterstützen.

Wo werden die Asylsuchenden während der Zeit des Verfahrens untergebracht?

Wichtig ist der Bundesregierung, dass die Unterbringung in Grenznähe geschieht, damit abgelehnte Asylbewerber*innen schnell abgeschoben werden können. Damit niemand während des Verfahrens untertaucht, sollen Gerichte für die Zeit der Prüfung Haft beantragen können. Die Bundespolizei ist für die Prüfung von Haftplätzen zuständig. Im Normalfall soll Asylsuchenden aber ein Platz in einem Wohnheim zugewiesen werden. Eine Wohnsitzauflage soll verhindern, dass sie den zugewiesenen Ort verlassen und so schlechter oder nicht mehr auffindbar sind.

Wie lange dauern die Schnellverfahren?

Das steht noch nicht fest. Die Bundesregierung geht aber von wenigen Tagen aus.

Was passiert, wenn das zuständige Land einen abgelehnten Asylsuchenden nicht zurücknimmt?

Das ist die große Unbekannte. Eigentlich sind alle EU-Staaten nach der Dublin-Verordnung verpflichtet, Asylsuchende, die bei ihnen registriert wurden, aus anderen Ländern zurückzunehmen. In der Praxis funktioniert das System aber nur unzureichend – ein Grund, warum sich die EU-Staaten im Frühjahr auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt haben, die aber voraussichtlich erst 2026 greifen wird. So lange setzt die Bundesregierung darauf, die Länder in Gesprächen davon zu überzeugen, sich an die Dublin-Regeln zu halten.

Warum werden bisher keine Geflüchteten an der deutschen Grenze zurückgewiesen?

Zurückweisungen finden schon jetzt statt, allerdings nur in Fällen, in denen die Person mit einer Einreisesperre belegt ist oder nicht direkt Asyl beantragt. Nach Aussage von Bundesinnenministerin Nancy Faeser sind seit Oktober vergangenen Jahres mehr als 30.000 Menschen an der Grenze zurückgewiesen worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Faeser stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet.

Warum braucht es für Zurückweisungen Grenzkontrollen?

Zurückweisungen sind generell nur dort möglich, wo es Kontrollen an der Grenze gibt. Nach den Grundsätzen der Freizügigkeit im Schengenraum können sich Menschen innerhalb Europas frei von Land zu Land bewegen, ohne kontrolliert zu werden. Diese Freizügigkeit kann vorübergehend und in Einzelfällen eingeschränkt werden, wie es etwa in Deutschland zur Fußball-Europameisterschaft der Fall war. Um Geflüchtete ohne Asylgrund aufzugreifen, hat Innenministerin Faeser deshalb am Montag sechsmonatige Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich, Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg ab dem 16. September angekündigt.

Lässt sich die Zahl der ungewollten Migrant*innen auf diese Weise reduzieren?

Das ist schwer vorherzusagen, aber gut möglich. Der Bundesregierung ist wichtig, dass die Zurückweisung rechtssicher geschieht. Das ist mit dem vorgeschlagenen Verfahren gewährleistet. Entscheidend wird sein, dass die zuständigen EU-Staaten abgelehnte Asylbewerber*innen auch zurücknehmen.

Wieviele Asylanträge wurden in diesem Jahr bisher gestellt?

Bis Ende August wurden in Deutschland 174.000 Asylanträge gestellt. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr wäre damit – ohne die jetzt vorgestellten Maßnahmen – mit rund 262.000 Anträgen zu rechnen. Gegenüber dem Vorjahr würde damit die Zahl der neu gestellten Asylanträge um etwa 26 Prozent abnehmen.

Statistik: Anzahl der Asylanträge in Deutschland von 2014 bis 2024 | Statista

 

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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3 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 11.09.2024 - 16:05

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erschreckend für den Richtungswechsel, der hier an den Tag gelegt wird. Die Schutzsuchenden können sich ihr Schicksal ja nicht aussuchen, sondern müssen zu uns kommen, um Schutz zu finden. Ob wir das wollen oder nicht, darf hier auch mit Blick auf unsere historische Verantwortung nun wirklich keine Rolle spielen. "Refugees welcome"- verkommt das nun zur Modewelle, die abgelöst wird von "Refugees go home"? Wohin sollen sie denn. Wir dürfen sie nicht ins verderben schicken, schicken uns aber - so scheint es- an, gerade dies zu tun

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Do., 12.09.2024 - 17:50

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Springerpresse (-ampel-foerdert-anti-abschiebe-portal-)anklagend vorgetragen wird. Unsere Genossin Alabali-Radovan , Migrationsbeauftragte, macht ihren Job ganz hervorragend. Wir brauchen mehr Leute die ihre Arbeit derart engagiert machen. Natürlich haben die diejenigen, denen die Abschiebung droht, ein recht zu erfahren, mit welchen Mitteln sie der Abschiebung entgehen können. Dass entsprechende Aufklärungsmaßnahmen negativ konnotiert sind, spricht für die Qualität der Medien, die solches tun