Inland

Zurückweisung Geflüchteter: Warum sie rechtlich schwierig durchsetzbar sind

CDU und CSU verlangen, Geflüchtete an der deutschen Grenzen einfach zurückzuweisen. Was einfach klingt, dürfte rechtlich schwierig durchzusetzen sein. Es könnte sogar eine Klagewelle drohen.

von Christian Rath · 6. September 2024
Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze in Bayern

Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze in Bayern

„Die Bundesregierung weiß, dass es rechtlich möglich ist, an den deutschen Außengrenzen zurückzuweisen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz und zeigt sich dabei ziemlich sicher. Er hat der Bundesregierung schon vor einigen Tagen ein Ultimatum gesetzt. Nur wenn die Regierung Zurückweisungen von Geflüchteten zustimmt, sei die CDU/CSU überhaupt bereit, an den Bund-Länder-Oppositionsgesprächen zur Migrationspolitik weiter mitzuwirken. Der CDU/CSU-Fraktionsvorstand hat das Ulitmatum an diesem Freitag in einem Positionspapier bestätigt. Zurückweisungen hätten „Top-Priorität“ für die Union.

Union fordert: Alle Geflüchteten zurückweisen

Die Ampelkoalition hat zwar das Ultimatum heftig kritisiert, nicht aber die Forderung an sich. Vielmehr will Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bis kommende Woche prüfen, ob Zurückweisungen rechtlich möglich sind. Die FDP unterstützt an diesem Freitag Merz' Forderung. Die Grüne Luise Amtsberg, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, erklärte jedoch, „rechtswidrige Forderungen sind kein konstruktiver Beitrag zur Debatte“.

Bisher weist die Bundespolizei Geflüchtete an den Grenzen nur zurück, wenn diese keinen Asylantrag stellen. Künftig, so die Forderung der CDU/CSU, sollen alle Geflüchteten von der Bundespolizei zurückgewiesen werden, die über einen anderen EU-Staat einreisen wollen. Da Deutschland nur von EU-Staaten umgeben ist, würden also alle Geflüchteten an den Grenzen zurückgewiesen, auch wenn sie Asyl beantragen.

EU-Recht hat Vorrang

Die Forderung der CDU/CSU ist nicht neu. Sie wird von Politikern wie Ex-Innenminister Host Seehofer (CSU) schon seit 2015 erhoben. Er konnte sich damals aber nicht gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durchsetzen. Die Befürworter*innen von Zurückweisungen argumentieren mit Paragraf 18 des deutschen Asylgesetzes. Dort heißt es ausdrücklich: „Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat einreist.“

Das deutsche Recht ist hier aber nicht anwendbar, weil EU-Recht Vorrang hat, konkret: die Dublin-III-Verordnung der EU. Die sogenannten Dublin-Regeln legen fest, welcher EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig ist. In der Regel ist es der Staat, über den der Flüchtling in die EU eingereist ist. Wenn ein Geflüchteter nach Deutschland kommt, erhält er also erst mal kein Asylverfahren, sondern es wird geprüft, welcher Staat für sein Asylverfahren zuständig ist. Für diese Prüfung darf er nach den Dublin-Regeln aber zunächst einreisen und kann nicht einfach zurückgewiesen werden. Eine Zurückweisung zum Beispiel nach Österreich würde auch gar keinen Sinn machen, wenn etwa Italien für das Asylverfahren zuständig ist, weil der Flüchtling erstmals in Italien registriert wurde.

EuGH hat noch keine Notlage akzeptiert

Merz schlägt nun aber vor, sich auf die sogenannte Notlagen-Klausel im EU-Arbeitsvertrag zu berufen. Artikel 72 sagt, dass die EU-Staaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich bleiben. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt dies so aus, dass EU-Staaten von EU-Recht nur dann abweichen können, wenn es keine rechts-konformen Möglichkeiten gibt, die Sicherheit aufrechtzuerhalten. Insbesondere Ungarn hat schon mehrfach versucht, sich im Asylrecht auf Artikel 72 zu berufen, um von EU-Recht abweichen zu können. Doch der EuGH hat das noch in keinem einzigen Fall akzeptiert.

Auch eine deutsche Regierungs-Anordnung, die Dublin-III-Verordnung zu ignorieren und Geflüchtete einfach an der deutschen Grenze zurückzuweisen, dürfte vom EuGH kaum akzeptiert werden. Schließlich ist die objektive Lage in Deutschland derzeit nicht übermäßig zugespitzt; die Flüchtlingszahlen sind 2024 sogar niedriger als im Vorjahr. Und dass ein islamistischer Flüchtling beim Stadtfest in Solingen drei Menschen erstochen hat, kann natürlich nicht rechtfertigen, die Regeln für alle Geflüchteten außer Kraft zu setzen.

Lieber erst mal abschrecken

Dennoch scheinen es in Berlin viele auf einen Versuch ankommen lassen zu wollen. Ihnen ist es wohl wichtiger, schnell drastische, abschreckende Bilder an der deutschen Grenze zu produzieren, als eine Beanstandung durch den EuGH zu verhindern.

Außerdem würde es auch geraume Zeit dauern, bis der EuGH die Zurückweisungen prüfen könnte. Die EU-Kommission wird vermutlich kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten, weil sie den EU-Staaten asylrechtlich bisher fast alle Regelverletzungen durchgehen ließ. Deutsche Nachbarstaaten wie Österreich könnten zwar auch klagen, weil dann ja sie die Geflüchteten versorgen müssen. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass Österreich und andere Staaten sofort dem deutschen Beispiel folgen und nun selbst Geflüchtete an ihren Grenzen zurückweisen. Am wahrscheinlichsten ist, dass ein zurückgewiesener Geflüchteter mit Hilfe deutscher Verbände aus dem Ausland bei einem deutschen Verwaltungsgericht klagt und dieses Verwaltungsgericht den Fall dann dem EuGH vorlegt.

Sollte diese oder die nächste Bundesregierung Zurückweisungen an der Grenze anordnen, wird sie also einige Zeit lang behaupten können, der EuGH habe das bisher ja gar nicht ausdrücklich verboten. 

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3 Kommentare

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Fr., 06.09.2024 - 15:53

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"Das deutsche Recht ist hier aber nicht anwendbar, weil EU-Recht Vorrang hat"

Deshalb kann man nur immer wieder betonen wie wichtig ein Austritt Deutschlands aus der EU ist. Anders kann das deutsche Volk seine Souveränität nicht zurückerlangen.

Programmatik der AfD - Sie haben sich hierher verlaufen, scheint mir. Wir tun gut daran, weiterhin alle aufzunehmen, die zu uns wollen. Motivierte Neubürgen, Einbürgern, und dann klappt es auch wieder bei den Wahlen. Mehr ist Mehr !

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am So., 08.09.2024 - 15:41

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Ich sehe in dieser Frage keinen Unterschied in den Verlautbarungen der Regierung samt Union von den Positionen der afd - vor 6 Wochen wäre man für diese Positionen noch gesteinigt worden; Sahra Wagenknecht wurde gar als afd-nah bezeichnet.
20 Jahre lang war die Bundeswehr in Afghanistan zum Kieg führen ......., die USA, samt Türkei, halten syrische Ölquellen besetzt ...... es sei mir gestattet zu fragen ob das alles völkerrechtskonform war oder ist ????? Die Flüchtlinge kommen ja nicht aus dem blauen Himmel.