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AfD-Zuspruch: Opferberatungsstellen warnen vor rechtsextremer Gewalt

Der Rechtsruck führt zu einer Zunahme von rechtsextremen Gewalttaten, sagen Opferberatungsstellen. Sie warnen auch vor bestimmten Verbindungen der AfD.

von Lea Hensen · 4. September 2024
Die Opferberatungsstellen warnen vor Gewalt durch Rechtsextreme.

Die Opferberatungsstellen warnen vor Gewalt durch Rechtsextreme.

Angesichts der hohen Zustimmungswerte der AfD sorgt sich der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt vor einem Flächenbrand politisch motivierter Angriffe. Opferberatungsstellen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg forderten am Mittwoch den Rechtsstaat eindringlich auf, den Schutz Betroffener zur Priorität zu machen. Seit Jahresbeginn hat das Bundeskriminalamt deutschlandweit täglich mindestens zwei Anschläge erfasst. Insgesamt gab es 318 rechts motivierte Gewalttaten. 

Die Beratungsstellen führen die Gewaltzunahme auf den Einfluss der AfD zurück. Ihre gewaltverherrlichende Propaganda normalisiere rechte Ideologie, Antisemitismus und Rassismus und legitimiere dadurch schwerste Gewalttaten. Umfragen des Meinungsforschungsinstituts pollytix und der Princeton University hatten ergeben, dass ein Drittel aller AfD-Sympathisant*innen Gewalt befürwortet, um politische Prozesse  zu beeinflussen. 

„Dies stellt eine reale Bedrohung für individuell Betroffene ebenso wie für die demokratische Gesellschaft dar“, sagte Franz Zobel von der Thüringer Opferberatungsstelle ezra. Andrea Hübler von der Opferberatung Support in Sachsen ergänzte: „Eine Kultur von Straflosigkeit entmutigt die Betroffenen und ermutigt rechte Gewalttäter.“ Die Verantwortlichen der Beratungsstellen berichteten auch von einem „krassen Selbstbewusstsein junger Neonazis". 

Verbindungen zu Neonazi-Schlägergruppen

Die Zahlen sprechen für sich. Allein im Thüringer Landkreis Sonneberg soll sich die Zahl rechtsextremer Angriffe verfünffacht haben – dort regiert seit rund einem Jahr der deutschlandweit erste AfD-Landrat. In Thüringen, wo am Sonntag jede*r Dritte die AfD wählte, gab es im vergangenen Jahr 176 Fälle rechter Gewalt. In Sachsen gab es im vergangenen Jahr knapp 230 Gewalttaten aus dem rechtsextremen Spektrum. Bundesweite Aufmerksamkeit erhielt der schwere Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke, vor wenigen Tagen attackierte in Dresden ein 38-Jähriger ein aus Libyen stammendes sechsjähriges Kind. In Brandenburg gab es 2023 242 rechtsextreme Angriffe. 

Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen erreichte die als rechtsextrem eingestufte AfD jeweils mehr als 30 Prozent. In Thüringen gewann sie fast zehn Prozentpunkte mehr als die CDU. In Brandenburg finden die Landtagswahlen Ende September statt. 

Franz 
Zobel,
Opferberatung 
ezra
 

„Eine Kultur von Straflosigkeit entmutigt die Betroffenen und ermutigt rechte Gewalttäter.“

Die Beratungsstellen warnten insbesondere von nachgewiesen Verbindungen der AfD zu gewaltbereiten Neonazi-Schlägergruppen. So sei die AfD Brandenburg mit der rechtsextremen „Zukunft Heimat” und den verbotenen „Spreelichtern“ vernetzt, die AfD Thüringen hält Verbindungen zur militanten Kampfsportgruppe „Knockout-51“. „Wir warnen davor, dass hier eine parteigebundene Schlägertruppe aufgebaut wird. Im Sinne der klassischen Neonazi-Strategie wird offen zum ‚Kampf um die Straße‘ aufgerufen“, sagte Zobel. 

Beratungsstellen warnen vor Finanzierungslücke

Durch die Mehrheit der AfD in zahlreichen Kommunen und Kreistagen sehen die Beratungsstellen ihre eigene Arbeit gefährdet. So habe die Thüringer AfD mehrfach deutlich gemacht, die Mittel für die Beratungsstellen kürzen zu wollen. Betroffene fühlten sich dadurch vom Rechtsstaat und der Politik im Stich gelassen und seien verunsichert, ob sie Hilfe bekommen. Die Beratungsstellen fordern einen Rettungsschirm für die Beratungsstellen für Gewaltopfer, Migrant*innen und zivilgesellschaftliche Projekte.  „Es braucht jetzt eine Zusicherung der Finanzierungsstellen als klares Signal“, sagte Zobel.

Andrea Hübler warf Sachsens Landesregierung unter CDU-Politiker Michael Kretschmer eine unzureichende Reaktion auf die dortigen Angriffe vor. „Das macht etwas mit den Menschen, wenn sie sehen, es wird nicht in einer angemessenen Art darauf eingegangen“, sagte sie. Über Jahre sei es versäumt worden, die Schulen mit Lehrkräften auszustatten, die dem Gewaltpotenzial begegnen können. „Wir sind mit einer extrem rechten Jugendkultur konfrontiert, wie wir sie seit den 1990er Jahren nicht mehr hatten." Die Tendenz zu rechtsextremem Gedankengut zeige sich zum Teil schon in der siebten Klasse, sagte Hübler. 

Sie erinnerte auch an das im Koalitionsvertrag geplante Demokratiefördergesetz, durch das zivilgesellschaftliches Engagement gegen Demokratiefeinde gestärkt werden soll. CDU und FDP stellen sich bislang quer.

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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