Inland

Ein Jahr AfD-Landrat in Sonneberg: „An seine Grenzen gestoßen“

Seit knapp einem Jahr ist Robert Sesselmann Landrat im thüringischen Sonneberg. Als erster AfD-Politiker deutschlandweit. Der SPD-Kreisvorsitzende Louis Räder berichtet, wie sich die Zusammenarbeit im Kreistag seitdem verändert hat.

von Jonas Jordan · 1. Juli 2024
Seit knapp einem Jahr ist ein AfD-Politiker Landrat im thüringischen Kreis Sonneberg.

Seit knapp einem Jahr ist ein AfD-Politiker Landrat im thüringischen Kreis Sonneberg.

Am 3. Juli ist es genau ein Jahr her, dass Robert Sesselmann sein Amt als Landrat im thüringischen Kreis Sonneberg angetreten hat. Als erster AfD-Politiker bundesweit. Viele hatten in der Folge auf eine Art Entzauberungseffekt gehofft. Bis heute ist insbesondere bei manchen medialen Kommentator*innen die Logik verbreitet, wonach man die Rechten „nur mal ran lassen“ müsse, die Unzufriedenheit der Bürger*innen würde aufgrund der realpolitischen Herausforderungen auf dem Fuß folgen.

AfD-Mehrheit verhindert

In Sonneberg scheint das nicht eingetreten zu sein. Im Gegenteil: Bei der Kommunalwahl am 26. Mai konnte die AfD ihr Ergebnis von vor fünf Jahren noch einmal um 10,7 Prozentpunkte steigern, ist mit 14 Sitzen nun erstmals stärkste Kraft im Kreistag. Federn lassen mussten hingegen alle anderen arrivierten demokratischen Parteien. Die CDU verlor 13,3 Prozentpunkte, die Linke 11,4 Prozentpunkte, auch bei der SPD gab es ein Minus von knapp fünf Prozent. Statt wie vorher mit drei ist sie künftig nur noch mit zwei Abgeordneten im Kreistag vertreten. 

Einer der beiden ist der SPD-Kreisvorsitzende Louis Räder. „Wir wussten, dass es nicht einfach wird, aber wir haben zumindest gehofft, dass wir unsere Sitze halten“, sagt der 25-jährige Grundschullehrer. Die beiden Sozialdemokrat*innen haben aus der Not eine Tugend gemacht und sich mit drei Abgeordneten der Linken zu einer gemeinsamen Fraktion im Kreistag zusammengeschlossen. Das bedeutet: jeweils einen Sitz in den Ausschüssen und daraus resultierend zumindest dort keine Mehrheit für die AfD, erklärt Räder.

Krankenhaus pleite, Straße zu, Kreisumlage gestiegen

Anders verhielt es sich in der ersten Sitzung des Kreistages selbst, berichtet der SPD-Kreisvorsitzende. Obwohl die AfD nur 14 von 40 Abgeordneten stellt, wurde deren Kandidat zum zweiten Beigeordneten gewählt. Räder vermutet eine Absprache mit der Fraktion Pro Sonneberg, einer Abspaltung von der CDU. Mit Freien Wählern und FDP bilden sie zusammen eine achtköpfige Fraktion. Räder befürchtet häufigere inhaltliche Absprachen: „Dadurch könnten sich für die AfD künftig Mehrheiten für ihre Anträge ergeben. Dagegen haben wir als SPD/Linke-Fraktion plus CDU und BSW keine Mehrheit.“

Auch die Gesamtsituation im Kreis beschreibt der SPD-Vorsitzende als „nicht einfach“. Das Krankenhaus ist pleite, die Kreisumlage stark gestiegen, die von Sesselmann versprochene pragmatische Lösung für eine seit Monaten andauernde Umleitung wegen einer gesperrten Straße in Richtung Lauscha ist ausgeblieben. „Er ist an seine Grenzen gestoßen“, sagt Räder zur Jahresbilanz des AfD-Landrates.

„Wir versuchen, ihm aus dem Weg zu gehen“

Kann man also schon von einer Entzauberung sprechen? Das Ergebnis der Kreistagswahl spricht eine andere Sprache. Und auch Räder sagt: „Die AfD hat nicht trotz, sondern wegen Sesselmann Stimmen dazu gewonnen. Viele Leute, die ihn gewählt haben, sind von ihm nicht enttäuscht. Sie haben deswegen auch wieder AfD gewählt.“ Die SPD versuche daher mit „guten Anträgen“, die Menschen zu überzeugen, künftig wieder weniger AfD und mehr SPD zu wählen.

Und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit in der Praxis. „Wir versuchen, ihm aus dem Weg zu gehen“, sagt Räder. Doch das funktioniert nicht immer. „Wenn er Info-Veranstaltungen für Kreistagsmitglieder anbietet, müssen wir teilnehmen, weil wir ansonsten Informationen verpassen würden. Das ist das Hauptproblem.“ Denn Sesselmann sei nun mal der Chef der Kreisverwaltung. 

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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