Deutschlands junge Wählerinnen und Wähler: Wie tickt die Generation Z?
Keine Partei hat bei der Europawahl bei den 16- bis 24-Jährigen so stark dazugewonnen wie die AfD. Die Politik sucht seitdem nach Antworten. Immerhin stehen in wenigen Wochen Landtagswahlen an.
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Junge Menschen wählen anders - so lautet das Fazit aus der Europawahl.
Immer mehr junge Menschen wählen rechts: konservativ oder rechtsextrem. So zumindest das Ergebnis der Europawahl Anfang Juni, bei der erstmals auch 16-Jährige abstimmen durften. Die AfD wurde dabei mit 16 Prozent zweitstärkste Partei bei den unter 25-Jährigen. Nach der CDU/CSU mit 17 Prozent. Was ist los mit der jungen Generation?, fragen sich seitdem viele. Zwar folgten die Jungwähler*innen mit 16 Prozent Stimmenanteil dem Trend der Gesamtgesellschaft, die mit ebenfalls 16 Prozent die AfD wählte. Doch das Votum rüttelt am lange vorherrschenden Bild einer links-progressiven Jugend, die die Welt doch eigentlich zum Guten verändern will.
So richtig überraschend kam dies aber nicht. Studien sagen seit Jahren voraus, dass sich das Weltbild von Jugendlichen in Deutschland verändert. Teenager wachsen heute im Dauerkrisen-Modus auf: Der Corona-Pandemie folgt der russische Angriff auf die Ukraine. Energiepreiskrise und Inflation wirken sich auf den Lebensalltag aus. Die Klimakrise spitzt sich unaufhaltsam zu, die Zuwanderung von Geflüchteten reißt nicht ab und beeinflusst das Zusammenleben der Menschen. Hass und Hetze spalten die Gesellschaft, das Gemeinschaftsgefühl geht verloren. Junge Menschen seien heute verunsicherter denn je, sagen Soziolog*innen – und offenbar empfänglich für rechte Parolen.
AfD legte elf Prozentpunkte zu
Gegenüber der Europawahl 2019 gewann die AfD bei den jüngsten Wähler*innen elf Prozentpunkte dazu. Mehr Stimmen als die AfD, nämlich 17 Prozent, erhielten CDU/CSU, die um fünf Prozentpunkte zulegten. Vor allem die Grünen hatten ein böses Erwachen: Die vormals bei jungen Menschen so beliebte Partei verlor in dieser Altersgruppe ganze 23 Prozentpunkte und kam nur noch auf elf Prozent. Bei keiner Altersgruppe gab es so massive Verschiebungen beim Wahlverhalten im Vergleich zur Europawahl 2019 wie bei den jungen Wähler*innen. Wichtig ist: Die AfD hat bei der Generation Z zwar den größten Stimmenzuwachs, nicht aber die meisten Stimmen erzielt. Die meisten Stimmen bekam sie mit 24 Prozent laut einer Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung bei Männern zwischen 35 und 44 Jahren.
Knapp ein Drittel der Jungwähler*innen (28 Prozent) entschied sich bei der Europawahl für Kleinstparteien, die bei einer Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würden. Allein sieben Prozent stimmten für die Europapartei Volt, die insgesamt lediglich 2,6 Prozent erreichte. Zählt man neben den Stimmen für AfD und Kleinstparteien noch die sechs Prozent für das neu gegründete Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) hinzu, wählte die Hälfte der jungen Menschen Parteien, die noch nie in der Regierungsverantwortung waren. Das kann als hohe Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien gedeutet werden. Andererseits blieben die Zustimmungswerte für SPD (neun Prozent), FDP (sieben Prozent) und Linke (sechs Prozent) in dieser Altersgruppe recht stabil.
Parteien ohne Antwort
„Die Präferenzen der jungen Generation zeigen, wie wichtig es ist, dass eine Partei klar für ein Thema eintritt“, sagt Klaus Hurrelmann. Der Jugendforscher spricht von einem „deutlichen Rechtsruck“ in der jungen Bevölkerung. Eine Studie, an der er als Co-Autor mitwirkte, hatte bereits im April das Ergebnis der Europawahl vom Juni quasi vorweggenommen. Die Forscher hatten damals eine Umfrage unter rund 2.000 Jugendlichen im Alter von 14 bis 29 Jahren gestartet. Dabei zeigten sich die Befragten sehr pessimistisch und zunehmend belastet und erschöpft. Mehr als jeder Zehnte sei in psychischer Behandlung, lautete das Ergebnis.
Die Autoren fragten die Jugendlichen auch, wen sie wählen würden, wenn Bundestagswahl wäre. Zehn Prozent wollte gar nicht wählen, nur zwei Drittel hatte eine Parteienpräferenz. Und davon nannte fast jede und jeder Vierte die AfD – laut Studie war die Zustimmung ein Jahr zuvor nur halb so hoch.
Hurrelmann erklärt das mit einem neuen Fokus. Angesichts der vielen Krisen würden sich Jugendliche heute eher um wirtschaftliche Themen sorgen: statt um den Klimawandel also um Inflation, Krieg, Wohnungsmangel oder Altersarmut. Offenbar hatten die etablierten Parteien auf diese Fragen zu wenige Antworten. Dabei seien das eigentlich wichtige Themen der SPD. „Man merkt, die jungen Leute lauern, sie warten darauf, dass sich die SPD positioniert”, sagt er.
Klaus Hurrelmann,
Jugendforscher
„Man merkt, die jungen Leute lauern, sie warten darauf, dass sich die SPD positioniert”
Auch würden junge Menschen eher pragmatisch als ideologisch wählen. Deswegen hätten wohl die meisten bei der Europawahl für Kleinstparteien gestimmt, die eher für ein kleineres Themengebiet stehen. Den größten Einfluss auf Jugendliche sieht Hurrelmann aber in den sozialen Medien, die für viele die wichtigste Informationsquelle sind. „Junge Menschen haben das Gefühl, eine Partei ist auf der Höhe der Zeit, wenn sie modern kommuniziert“, erklärt er. Eine starke Präsenz auf TikTok und Instagram signalisiere: Da sieht uns jemand und geht auf uns zu. Die AfD konnte diesen Anschein offenbar erwecken.
Junge wollen provozieren
Ein weniger pessimistisches Bild zeichnet die Sinus-Jugendstudie kurz nach der Europawahl. Das Forscherteam befragte Teenager zwischen 14 und 17 Jahren intensiv zu ihren Werten. Auch in dieser Studie äußerten die Befragten wirtschaftliche Sorgen und Zustimmung für traditionelle Werte wie Sicherheit und Geborgenheit. Allerdings haben die meisten dieser Altersgruppe kaum „aktive“ Erinnerungen an Zeiten ohne Krisen. Das Forscherteam stellte bei ihnen eine Art Zweckoptimismus fest: 84 Prozent gaben an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Ganz im Gegensatz zu AfD-typischen Werten seien die Teenager heute sehr weltoffen und hätten ein sensibles Gespür für Diskriminierung. Doch auch die Sinus-Studie kommt zu dem Ergebnis: Junge Menschen fühlen sich von der Politik nicht wahrgenommen und haben weniger Vertrauen in politisch Verantwortliche als zuvor.
Wie soll die Politik nun darauf reagieren? Barbara Becker ist Lehrerin an einem Gymnasium in Bühl in der Nähe von Baden-Baden. Ihrer Ansicht nach wollen viele Jugendliche mit einer Zustimmung zu rechtsextremen Parteien vor allem provozieren. „Was den Stimmenverlust der Grünen angeht, haben mir einige Jugendliche berichtet, dass für sie jemand wie Luisa Neubauer schon zu den Älteren gehört, weil sie sogar in Talkshows sitzt“, sagt Becker. „Davon wollen sie sich abgrenzen.“
Obwohl Bühl bereits in einer traditionell CDU-geprägten Region liegt, fällt Becker auf, dass sich junge Menschen stärker zum Konservativen wenden als früher. „Viele wollen im Leben gar nicht mehr so fürchterlich viel experimentieren, sondern haben diesen Wunsch, die Träume ihrer Eltern zu erreichen wie etwa ein Eigenheim mit Garten“, sagt sie. Die Lehrerin ist sich sicher, dass rechtsextreme Tendenzen unter Jugendlichen meist umkehrbar sind. „Die allermeisten Kids wollen es richtig machen. Sie wollen nicht nur Geld verdienen, sondern etwas Gutes tun“, sagt sie. Deswegen sei es wichtig, dass Politiker auf sie zugehen, sie in den Schulen besuchen. „Sie müssen ihnen zeigen: Solidarität ist nicht nur ein Fremdwort, ihr könnt etwas für die Gesellschaft tun und werdet dafür anerkannt.“ Dafür seien Jugendliche empfänglich. „Junge Menschen sehen viel, das wird oft unterschätzt.“
"Was ist los mit der jungen…
"Was ist los mit der jungen Generation?, fragen sich seitdem viele"
Die Jugend hat erkannt, dass die desaströse Politik der Ampel-Regierung Deutschland in den Ruin führt.