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Neuwahl: Warum gerade jetzt tausende Menschen in die SPD eintreten

Nach dem Aus der Ampel verzeichnet die SPD eine Neumitglieder-Welle. Mehr als 2.500 Menschen sind neu in die Partei eingetreten. Die Neuwahl des Bundestags sehen sie als große Chance.

von Jonas Jordan , Kai Doering · 12. Dezember 2024
Begehrtes Gut Parteibuch: Seit dem Ampel-Aus sind mehrere tausend Menschen neu in die SPD eingetreten.

Begehrtes Gut Parteibuch: Seit dem Ampel-Aus sind mehrere tausend Menschen neu in die SPD eingetreten.

Mit dem Ende der Ampel kam der Boom für die SPD. Binnen weniger Tage sind mehr als 2.500 Menschen neu in die Partei eingetreten. Um Flagge zu zeigen für ihre sozialdemokratischen Überzeugungen und mitzuhelfen bei den anstehenden Aufgaben in den kommenden Monaten. Bei einer Online-Konferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz fragt etwa Neumitglied Pascal Makiadi aus dem Saarland, was er im Bundestagswahlkampf tun könne.

Den Neuanfang mitgestalten

Scholz’ Tipp für den ersten Straßenwahlkampf: „Ich finde, man soll entspannt bleiben.“ Der Bundeskanzler, der selbst seit 49 Jahren Mitglied der SPD ist, wirbt für Freude an Gesprächen mit Bürger*innen sowie interessante Diskussionen mit anderen Mitgliedern. Zugleich rät er mit einem Augenzwinkern: „Durchhalten!“ Neu in der SPD ist auch Marco Müller aus Düsseldorf. „Ich wollte nach dem Ende der Ampel-Koalition den Neuanfang mitgestalten und die Themen, mit denen ich mich schon länger beschäftige, mehr in den Mittelpunkt stellen“, erzählt der 30-jährige Ingenieur für Erneuerbare Energien im Gespräch mit dem „vorwärts“. 

Dass er nun der SPD beigetreten ist, habe auch mit seiner persönlichen Familiengeschichte zu tun: „Ich komme aus der Schicht, die die SPD vertritt, und möchte mich jetzt dafür einsetzen, dass sie wieder stärker den Bezug zu dieser Schicht findet. Denn an den Ergebnissen sowohl bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland als auch bei der Präsidentschaftswahl in den USA sieht man, dass die SPD wieder stärker den Bezug zur Arbeiterklasse herstellen muss.“

Die Neuwahl als Chance für die SPD

Das Ende der Ampel-Regierung habe er insofern als erlösend empfunden. „Jetzt gibt es nicht mehr so viel, was im Weg steht, um eigene Politik zu machen. Jetzt kann man wirklich einen Aufbruch starten und seine Politik offensiv nach vorne tragen“, glaubt er. Den kommenden Wahlkampf sieht er als Richtungsentscheidung. „Seit einigen Jahren erleben wir immer größere politische Eruptionen durch den Krieg in Europa und die Wiederwahl von Trump. Das sind hochpolitische Zeiten, aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Denn auch in diesen Zeiten kann man wirken und agieren. Man darf sich nur nicht in einem Duckmäusertum verschanzen“, so Müller.

Für die SPD liege eine Chance darin, nun ihre eigenen Inhalte in den Fokus zu stellen, wenn es um die Wirtschaft, die Sicherung des Lebensstandards in Deutschland oder die Frage von Frieden und Sicherheit in Europa geht. In welcher Weise er sich selbst am Wahlkampf beteiligen werde, steht für den Rheinländer noch nicht fest: „Ich werde mich jetzt erst mal einlesen und vernetzen. Dann schaue ich, wo ich mich gut einbringen kann.“

Politische Arbeit im Kleinen

Ähnlich ergeht es Annabell Fischer aus Freiburg, die ebenfalls vor wenigen Tagen der Partei beigetreten ist. „Ich bin sehr gerne bereit, mich einzubringen, denke aber, dass es da schon Ideen gibt, an denen ich mich beteiligen kann“, sagt sie im Interview mit dem „vorwärts“ zum anstehenden Bundestagswahlkampf. Für sie beginne politische Arbeit bereits im Kleinen. 

Denn konkret besorgt es sie, dass die AfD bei der Europawahl in ihrem Stadtteil freiburgweit ihr zweitbestes Ergebnis erzielt und die SPD gleichzeitig an Stimmen verloren habe. „Ich will das nicht achselzuckend hinnehmen, sondern mithelfen, dass es wieder besser wird. Mir ist wichtig, dass die SPD vor Ort erfolgreich ist und der AfD etwas entgegensetzt“, sagt Fischer. Das starke Abschneiden der rechten Partei bei der Europawahl sei für sie der letzte Hinweis gewesen, dass es nicht mehr reiche, nur zur Wahl zu gehen. Das Ende der Ampel-Regierung sei der zündende Funke gewesen, der noch gefehlt habe.

Also füllte sie online einen Antrag aus, um SPD-Mitglied zu werden. Mit dem Gedanken daran hatte Fischer schon länger gespielt: „Für mich ist das Thema soziale Gerechtigkeit einfach ein wichtiger Punkt. Freiburg ist zwar eine grüne Hochburg, aber ich bin schon immer SPD-Fan und fühle mich in der Sozialdemokratie auch mehr zu Hause.“ Die SPD verkörpere von allen Parteien soziale Gerechtigkeit am glaubwürdigsten. Daher wolle sie als Mitglied nun helfen, dieses Thema wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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16 Kommentare

Gespeichert von Horst Feldbusch (nicht überprüft) am Do., 12.12.2024 - 10:02

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Ich werde mich im Wahlkampf aktiv beteiligen und hoffe, dass die AFD (Höcke/Weigel) und weitere rechtsradikale nicht weiteren Zulauf erhalten!

Gespeichert von Annette Neumann (nicht überprüft) am Do., 12.12.2024 - 12:06

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Liebe Genossen , ich habe ja oft Probleme mit unserem Sprachstil, den ich oft für eine Spur zu "Dick" finde. Es ist nicht die arbeitende Bevölkerung, es ist die "hart" arbeitende Bevölkerung. Die Menschen sind ja nicht dumm. Versucht es doch einfach mal mit Sachlichkeit.

Gespeichert von Bernd Scheidat (nicht überprüft) am Fr., 13.12.2024 - 07:50

Antwort auf von Annette Neumann (nicht überprüft)

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Kann ich aus vollem Herzen nur zustimmen. Wirklich HART gearbeitet haben wohl die Proletarier und Landarbeiter im 19 .Jahrhundert (s." Das Kapital" )

Gespeichert von Wolfgang Weber (nicht überprüft) am Do., 12.12.2024 - 15:21

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Liebe Genossen, die Bundestagswahl ist keine Kanzler-Wahl. Wir sollten uns daher intensiv mit den Inhalten unseres Wahlprogramms befassen.
Wir müssen Schluss machen, mit immer mehr Bedürftigen, die auf Tafeln und Almosen angewiesen sind!
Um wieder mehr Gerechtigkeit herzustellen, sind auch Steuermehreinnahmen erforderlich. Was vor vielen Jahren abgeschafft wurde, brauchen wir heute wieder: Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer und eine Mehrwertsteuer im Aktienhandel (Finanztransaktionssteuer).
Wir brauchen eine Bürgerkrankenversicherung! Schluss mit dem Unterschied zwischen gesetzlich und privat Versicherten. Auch Schluss mit den Kappungsgrenzen bei den Beiträgen!
Wir brauchen eine Bürgerrente! Schluss mit den Unterschieden bei der Altersversorgung zwischen Beamten, Angestellten und Arbeitern!
Alles sicher nicht so einfach umzusetzen. Aber wer, wenn nicht wir sollten solche Ziele setzen und schrittweise darauf hinsteuern.
Beste Grüße Wolfgang Weber

Gespeichert von Rüdiger Trebing (nicht überprüft) am Do., 12.12.2024 - 15:59

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Ich sehe derzeit täglich „hart arbeitende“ Menschen, nämlich die Arbeiter und Vorarbeiter eine Tiefbaufirma, die im Akkord von Sonnenaufgang bis weit nach Sonnenuntergang Glasfaserkabel verlegt: Pflaster lösen, mit dem Minibagger aufbaggern, Kabel verlegen, mit Splitt wieder zuschütten, mit dem Rüttler komprimieren und wieder Pflaster verlegen einschl. Füllsplitt. Daneben die Hausanschlüsse machen, teilweise Erdarbeiten, Bohren in die Kellerwand, Hineinschießen des Glasfaserkabels ins Haus. Pflaster ohne Stolperstellen, nach der Arbeit alles sauber!
Ich hoffe, diese Leute bekommen gutes Geld für ihre Arbeit.

Gespeichert von Dominic Diers (nicht überprüft) am Do., 12.12.2024 - 19:00

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Liebe Genoss:innen! Ich freue mich sehr über meine inklusive Aufnahme in die SPD Gröbenzell! Als Autist habe ich immer große Bedenken und Zweifel, ob meine besondere Art bei neuen Begegnungen akzeptiert wird und erkläre mich schonmal vorab. Die kleine feierliche Aufnahme war dann einfach toll, genauso wie alle anderen Kontakte bisher! Jetzt kann ich mich für die Werte und Kampagnenziele der SPD, Olaf, unsere Kandidaten und meinen Ortsverein voll einsetzen! Für mich heißt es im Herzen Sozialdemokaratie – Demokratie muss so wehrhaft sein wie Karate! Ich freue mich auf den gemeinsamen Wahlkampf und wertschätze meine Aufnahme als Autist mit Inklusionsbedarf, weit mehr als Ihr euch je vorstellen könnt! Liebe Grüße, euer Genosse Dominic

Gespeichert von Dieter Klee (nicht überprüft) am Do., 12.12.2024 - 19:45

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Liebe Genossen, ich bin sicher kein Fatalist dennoch habe ich Zweifel daran, dass diese Fraktion die charakterliche Stärke hätte, bei einer Grundsatzfrage wie z.B. beim Ermächtigungsgesetz, NEIN zu sagen. Wenn Olaf sagt: er habe keine Unruhe in der Koalition geschaffen ist das unendlich. Er hätte seine Kompetenz häufiger einsetzen müssen und Robert bei dem Heizungsthema sofort zurückgreifen müssen. Jeden Tag erklären was man warum tut, hätte die Bürger mitnehmen können. Die ganze Schwere der eingetretenen Umstände ist den Bürgern nicht vermittelt worden. Es tut mir leid, die SPD so erleben zu müssen, denn ich gehöre zu der Generation: Nie wieder! Und das sehe ich auch durch die Mitwirkung der Regierungsmitglieder und der Abgeordneten gefährdet. Wir bräuchten wieder Personen die am Gitter ruckeln und sagen: Hier will ich rein!
Freundschaft
Dieter Klee

Gespeichert von Dieter Klee (nicht überprüft) am Do., 12.12.2024 - 19:52

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Liebe Genossen, ich bin sicher kein Fatalist dennoch habe ich Zweifel daran, dass diese Fraktion die charakterliche Stärke hätte, bei einer Grundsatzfrage wie z.B. beim Ermächtigungsgesetz, NEIN zu sagen. Wenn Olaf sagt: er habe keine Unruhe in der Koalition geschaffen ist das unredlich. Er hätte seine Kompetenz häufiger einsetzen müssen und Robert bei dem Heizungsthema sofort zurückpfeifen müssen. Jeden Tag
erklären was man warum tut, hätte die Bürger mitnehmen können. Die ganze Schwere der eingetretenen Umstände ist den Bürgern nicht vermittelt worden. Es tut mir leid, die SPD so erleben zu müssen, denn ich gehöre zu der Generation: Nie
wieder! Und das sehe ich auch durch die Mitwirkung der Regierungsmitglieder und der Abgeordneten gefährdet. Wir bräuchten wieder Personen die am Gitter ruckeln und sagen: Hier will ich rein!
Freundschaft
Dieter Klee

Gespeichert von Gisela Stark (nicht überprüft) am Fr., 13.12.2024 - 11:08

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Auch ich bin seit einem knappen Jahr Neumitglied in der SPD. Mit der Mitgliedschaft bin ich schon lange schwanger gegangen. Als aber Anfang des Jahres Massen von Menschen gegen die AfD auf die Straße gingen, sah ich das als Zeichen, jetzt auch aktiv zu werden. Und: ich habe es keine Sekunde bereut. Die SPD ist m.E. gut vernetzt, was sicher auch noch verbessert werden kann. Was ich aber bis jetzt nicht verstehe: obwohl die SPD die größte Partei Deutschlands ist nach ihrer Mitgliederzahl schafft sie es nicht, diese Maße an die Wahlurne zu bringen. Leute: das muss sich ändern!!! Denn nur wenn die SPD stark ist kann sie auch ihre Ziele umsetzen. Also: bitte helft mit, bei Bekannten, Verwandten und der Bevölkerung die SPD sehr, sehr stark zu machen. Willy Brandt würde sich freuen. Herzliche Grüße aus Mannheim.

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Fr., 13.12.2024 - 15:33

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Derartige Phasen von Neueintritten hatten wir in den vergangenen Jahren, z.B. nach der Nominierung von Martin Schulz, öfter. Viele von denen sind aber leider danach wieder ausgetreten aus Enttäuschung über die Regerierungspolitik.
Deshalb sollte die SPD, falls sie nach der Wahl, wie ich hoffe, wieder den Kanzler stellt, ihre Versprechen auch konsequent umsetzen und nicht, wie in den letzten Jahren seitens der FDP, alle sozialdemokratischen Forderungen und Programme, durch die Koalitionspartner blockieren lassen. Andernfalls wird die Partei weiter schrumpfen.

Gespeichert von Wolfgang Fieger (nicht überprüft) am Fr., 13.12.2024 - 15:55

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Liebe Genossinnen u. Genossen, wie viele SPD-Mitglieder sind ausgetreten und warum wird das nicht ehrlich dagegen gerechnet? Das gleiche Spiel läuft beispielsweise auch bei meiner Gewerkschaft ver.di. Es wird immer mit Neueintritten geworben, aber Austritte werden regelrecht tot geschwiegen!?

Gespeichert von Kai Doering am Mo., 16.12.2024 - 08:19

Antwort auf von Wolfgang Fieger (nicht überprüft)

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Über die Austritte sind leider keine Zahlen von der SPD zu erhalten.

Gespeichert von Manfred Meyer (nicht überprüft) am Fr., 13.12.2024 - 16:57

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Das ist wie an der Börse. Da steigen auch viele ein wenn die Kurse ganz unten sind.