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Neumitglieder bei der NRW-SPD: Hunderte Eintritte für die Demokratie

Die Zivilgesellschaft ist aufgewacht, hunderttausende Menschen demonstrieren gegen Rechtsextremismus, auch in Nordrhein-Westfalen. Dort verzeichnet die SPD dreimal so viele Neueintritte wie üblich. Im Interview erklärt Generalsekretär Frederick Cordes, wie die Partei damit umgehen will.

von Jonas Jordan · 5. Februar 2024
Etwa 100.000 Menschen haben jüngst in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf gegen Rechtsextremismus demonstriert.

Etwa 100.000 Menschen haben jüngst in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf gegen Rechtsextremismus demonstriert.

Allein in Nordrhein-Westfalen haben in den vergangenen Wochen hunderttausende Menschen für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus demonstriert. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie diese Bilder sehen?

Mich macht das als Generalsekretär der NRWSPD ziemlich stolz. Nicht nur, dass Hunderttausende hier in Nordrhein-Westfalen aufstehen und gegen die AfD demonstrieren, sondern auch wie viele von unseren Mitgliedern dabei sind, wie viele SPD-Fahnen man da sieht, wie motiviert unsere Partei ist, die Fehler nicht zu wiederholen, die man in Weimar gemacht hat. Das gibt mir Zuversicht und Mut.

Bei der Landtagswahl im Jahr 2022 hat es die AfD in Nordrhein-Westfalen mit 5,4 Prozent nur knapp überhaupt in den Landtag geschafft. Warum ist es trotzdem wichtig, dass auch in NRW die Leute so zahlreich auf die Straße gehen?

Da geht es nicht nur um NRW. In manchen Bundesländern scheint es möglich, dass es einen AfD-Ministerpräsidenten geben könnte. Das können wir auch in Nordrhein-Westfalen nicht einfach so hinnehmen. Zudem sieht man mit Blick auf die Umfragewerte, dass es auch in Teilen Nordrhein-Westfalens, zum Beispiel im Ruhrgebiet, sehr schnell kippen kann. Bei der letzten Landtagswahl hatten wir gerade hier eine unglaublich geringe Wahlbeteiligung. Das bietet Potenzial für uns, die Menschen wieder an die Urne zu kriegen. Aber genauso gut für die Rechten. Um das zu verhindern, ist es verdammt wichtig, dass wir hier auch unseren Job machen.

Frederick Cordes

Frederick Cordes ist Generalsekretär der SPD in Nordrhein-Westfalen.

Frederick Cordes ist Generalsekretär der SPD in Nordrhein-Westfalen.

Wie wichtig ist es, diesen Schwung mitzunehmen, um die Wahlbeteiligung bei der Europawahl, aber auch nächstes Jahr bei der Kommunalwahl und bei der Bundestagswahl entsprechend zu steigern?

Super wichtig. Die AfD und Neue Rechte nehmen unsere Demokratie in ihr Fadenkreuz. Die Leute in meinem Freundeskreis, in der Kneipe, in den Vereinen spüren, dass die Lage ernst ist. Sie beschäftigen sich intensiv mit der Politik oder gehen zum ersten Mal in ihrem Leben zu Demos. So eine Stimmung erlebt man sonst nur kurz vor einer Bundestagswahl. Auch wenn jetzt gerade keine Wahl unmittelbar ansteht, müssen wir diesen Schwung mitnehmen. Wir haben viele Menschen angerufen, die neu in der SPD sind, um zu fragen: ,Hey, warum seid ihr eigentlich eingetreten?' Viele von ihnen haben gesagt, dass sie die Demokratie verteidigen und für sie kämpfen und auch für soziale Gerechtigkeit einstehen wollen. Da sind sie bei uns genau richtig.

Die SPD hat in NRW im Januar dreimal so viele Neumitglieder gewonnen wie normalerweise. Führen Sie das auch auf eben jene Haltung zurück?

Ja, genau. Das ist natürlich ein mega Rückenwind. Und das, obwohl die Bundesregierung in ihrer Kommunikation gerade im letzten Jahr nicht den besten Job gemacht hat. Dass trotzdem so viele Menschen eintreten, ist unglaublich gut.

Frederick Cordes

Wir laden alle Neumitglieder zu einer Currywurst mit unserer Landesvorsitzenden ein.

Insgesamt sind es hunderte neue Parteimitglieder. Wie wollen Sie die einbinden?

Der erste Schritt ist, sie in der Partei willkommen zu heißen, sie zu bestärken, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Auch, um sie zu motivieren noch mehr Leute in ihrem Umfeld anzusprechen, um aus ihnen SPD-Mitglieder zu machen. Außerdem laden wir alle zu einer Currywurst – vegan oder mit Fleisch – mit unserer Landesvorsitzenden in die Parteizentrale ein. Wir wollen in den Austausch kommen. Denn sie sind gerade die Expertinnen und Experten, um Neumitglieder zu gewinnen. Wir wollen diesen Schwung bis mindestens zur Europawahl mitnehmen. Bei dem Treffen machen wir noch mal bewusst darauf aufmerksam, wo man sich überall in der Partei engagieren kann.

Im Landtag von Nordrhein-Westfalen gab es kürzlich auf Antrag der SPD und der anderen demokratischen Fraktionen eine Aktuelle Stunde zu den Protesten gegen die AfD. Warum haben Sie diese beantragt?

Wenn Hunderttausende demonstrieren, muss das auch Thema im Landtag werden. Wir haben uns sehr gefreut, dass die anderen demokratischen Fraktionen da mitgemacht haben. Zugleich geht es auch darum, zu zeigen, dass wir alle in der Verantwortung sind. Herr Wüst nennt die AfD eine Nazi-Partei. Da widersprechen wir nicht. Zugleich möchte er immer wieder das Thema Migration auf den Tisch holen, obwohl die angestoßenen Prozesse der Ministerpräsidentenkonferenz längst in Umsetzung sind. Ich kann gewissermaßen verstehen, dass Herr Wüst nicht über Unterrichtsausfall, Lehrkräftemangel, unzureichende Kita-Finanzierung und das Brückendesaster in NRW reden will. Aber das beschäftigt die Menschen hier. Und es frustriert sie und macht sie unzufrieden, wenn der Ministerpräsident dazu schweigt.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von Günther Jikeli (nicht überprüft) am So., 11.02.2024 - 19:44

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Ein Grund für das Erstarken der AfD
ist die Schwäche der demokratischen
Parteien, insbesondere der SPD, die in der Arbeiterschaft seit längerer Zeit immer mehr Mitglieder und damit ihre frühere Organisationsstärke.
Anfang der 70er Jahre des 20.Jhd. hatte die SPD etwa 1 Mio Mitglieder, heute weniger als 400.000. es kam hinzu: Parallel dazu hatten auch die Gewerkschaften Hunderttausende Mitglieder verloren.
Während die SPD in den 70er Jahren wichtige Reformen durchsetzen konnte, gelingt ihr dies jetzt viel weniger. Trotz relativer Stärke in den letzten 30 Jahren verlor sie durch die von Bundeskanzler Schröder durchgesetzten Rentenreformen und Hartz IV Gesetze bei den „kleinen Leuten“ an Unterstützung.

Anstatt mit Reformen von Links die Einkommen einschließlich der Renten der Beschäftigten zu sichern, ist es den Rechten zunehmend gelungen, den „kleinen Leuten“ ihre „Alternativen“ schmackhaft zu machen, indem sie
gegen Flüchtlinge, Mindestlöhne und sozial Schwache im eigenen Land und weltweit gegen freien Handel und Partnerschaft aufgehetzt werden. Europa und unser Militärbündnis NATO sollen unser Verderben sein. Im Erstarken der nationalen Macht sollen wir unser Heil finden.

Wie kann dieser Trend umgedreht werden?
Einen guten Weg sehe ich in der Stärkung der bewährten Organisationen durch unsere Mitgluedschaft, insbesondere der Gewerkschaften und der SPD. Die wissen aus ihrer mehr als 150jährigen Geschichte ganz gut, wie wir den Neonazis mit ihren Heilsbotschaften begegnen können.