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Landtagswahl in Thüringen: Schwierige Regierungsbildung droht

Nach der Landtagswahl in Thüringen droht die erwartet schwierige Regierungsbildung. Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow ist der größte Verlierer und dürfte künftig nicht mehr in der Regierung vertreten sein. Die CDU kann zulegen, das Bündnis Sarah Wagenknecht wird zweistellig und die SPD erreicht knapp sieben Prozent.

von Jonas Jordan · 1. September 2024
SPD-Spitzenkandidat Georg Maier bei der Stimmabgabe zur Thüringer Landtagswahl in Erfurt.

SPD-Spitzenkandidat Georg Maier bei der Stimmabgabe zur Thüringer Landtagswahl in Erfurt.

Schon in den vergangenen fünf Jahren war die Mehrheitsfindung im Erfurter Landtag nicht einfach. Die Linke unter Ministerpräsident Bodo Ramelow bildete mit SPD und Grünen zusammen eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung. Damit dürfte nun Schluss sein. So viel scheint nach den ersten Prognosen bereits klar. Ansonsten ist die potenzielle Regierungsbildung im Freistaat unübersichtlich.

Nach dem vorläufigen Ergebnis ist die Linke der größte Verlierer dieser Wahl und kommt nur noch auf 13,1 Prozent (minus 17,9 Prozentpunkte), die CDU steigert sich im Vergleich zu vor fünf Jahren um 1,9 Prozentpunkte und erreicht diesmal 23,6 Prozent, das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt aus dem Stand auf 15,8 Prozent, die SPD erreicht 6,1 Prozent. Grüne (3,2 Prozent) und FDP (1,1 Prozent) sind künftig nicht mehr im Erfurter Landtag vertreten. 

Rechtsextreme Sperrminorität droht

Die rechtsextreme AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke erreicht 32,8 Prozent und damit ihr bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Thüringen. Sie kommt damit auf mehr als ein Drittel der Sitze im Parlament. Damit verfügt sie künftig über eine sogenannte Sperrminorität und kann Entscheidungen, die mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden müssen, verhindern, selbst wenn sie nicht an der Landesregierung beteiligt ist. Ein Beispiel ist die Ernennung von Richter*innen für den Thüringer Verfassunsgsgerichtshof.

Ähnlich wie bereits vor fünf Jahren, als die rot-rot-grüne Landesregierung schließlich ohne eigene parlamentarische Mehrheit weiter regierte, droht auch diesmal eine schwierige Regierungsbildung in Thüringen. Selbst ein vor der Wahl diskutiertes Bündnis aus CDU, SPD und dem Bündnis Sarah Wagenknecht kommt zusammen nur auf 44 von 88 Sitzen im Landtag. Das einzige Dreierbündnis, das ohne Einbeziehung der rechtsextremen AfD möglich wäre, ist eine Koalition aus CDU, BSW und der Linken. Dem stehen jedoch nicht nur der Unvereinbarkeitsbeschluss der Union gegenüber Bündnissen mit der Linken, sondern auch Vorbehalte seitens des BSW gegenüber der einstigen „Mutterpartei“ entgegen.

Schwierige Mehrheitssuche

In einer ersten Einschätzung sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert um kurz nach 18 Uhr im ZDF-Interview: „Es sind keine guten Ergebnisse. Da freut sich jetzt keiner im Willy-Brandt-Haus drüber, auch wenn das nicht unsere Stammbundesländer sind und wir schon seit vielen Jahren in Sachsen und Thüringen keine starken Ergebnisse geholt haben.“ Allerdings habe sich mit dem Einzug in beide Landtage gezeigt, dass Kämpfen lohnenswert sei. „Daraus können und müssen wir auch lernen“, forderte Kühnert.

Der SPD-Generalsekretär sprach von klaren Botschaften für die Bundespolitik. „Eine seriöse, verantwortungsvolle Politik muss darin bestehen, bei solch einem Gegenwind nicht einfach umzufallen. Sie muss werben, erklären, erläutern, viel mehr als wir das bisher tun. Nicht nur in Sachsen und Thüringen. Das scheint mir die Hauptbotschaft des heutigen Abends zu sein“, sagte er. 

Kühnert will Zeichen des Selbstbewusstseins sehen

Angesprochen auf Olaf Scholz, fügte Kühnert an: „Der Bundeskanzler wird am meisten damit identifiziert, wie man sich aus Berlin regiert fühlt. Da habe ich viele Menschen in den beiden Ländern getroffen, die da eher Unzufriedenheit haben. Deswegen wird es für meine Partei jetzt auch darum gehen, sich stärker zu emanzipieren und deutlicher zu machen, was man nur mit der SPD bekommt und wo wir uns auch nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen von anderen, die krachend aus Landtagen jetzt rausgewählt worden sind.“ 

Die SPD müsse nun ein Zeichen des Selbstbewusstseins senden. Dafür brauche es eine andere Körperhaltung, nicht nur beim Kanzler, sondern bei der gesamten SPD-Spitze.

Seine Partei werde es sich nicht bieten lassen, dass zentrale vereinbarte Projekte ausgesessen werden, kündigte Kühnert an und sprach konkret das noch ausstehende Rentenpaket an, bei dem es um die Zukunftsperspektiven von Millionen Menschen in Deutschland gehe.

Klingbeil fordert geschlossenen Kampf

Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sprach im ARD-Interview von einem „Abend der gemischten Gefühle“. Es gebe nun den Auftrag, besser zu werden. „Wir müssen das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler zurückkämpfen, uns um die Alltagssorgen der Menschen kümmern, in den Dialog gehen. Die Themen liegen auf der Hand. Es geht um Sicherheit, anständige Löhne, bezahlbares Wohnen, Pflege, Bildung, Rente. Das sind die Alltagssorgen, die die Menschen umtreiben. Das verbunden mit einem politischen Stil, der auf Augenhöhe geht, den Menschen erklärt, sie ernst nimmt, ist die Chance, die Stimmen zurückzugewinnen. Dafür müssen wir jetzt kämpfen“, sagte der SPD-Vorsitzende.

Das erwarte er von allen in der SPD, forderte Klingbeil. „Wir brauchen einen geschlossenen Kampf, mit dem Bundeskanzler. Alle sind jetzt in der Verantwortung, dass Dinge anders werden. Alle müssen jetzt kämpfen und ihren Teil dazu beitragen. Die Ergebnisse von heute können wir nicht akzeptieren. Da müssen wir besser werden“, sagte er. Auch der Thüringer SPD-Vorsitzende Georg Maier sagte im ZDF-Interview: „Wir können nicht damit zufrieden sein, dass wir einstellig sind. Das ist vollkommen klar.“

Auf der SPD-Wahlparty sagte Maier zudem: „Dieser Wahlkampf war unglaublich schwer. Er hat uns alle gefordert. Er hat Nerven gekostet.“ Er sei von bundes- und geopolitischen Themen überlagert gewesen. „Das haben sich unsere Mitbewerber, insbesondere die Populisten, zum Ziel gesetzt, weil sie keine Antworten für die Zukunft dieses Landes haben. Sie wollten genau das, dass wir über Krieg und Frieden reden, über Migration reden, dass wir über andere bundespolitische, weltpolitische Themen reden, die wir hier aber nicht entscheiden können. Diese Strategie ist bedauerlicherweise aufgegangen“, sagte Maier.

SPD gewinnt bei jungen Wähler*innen

Positiv aus Sicht der SPD: In Thüringen gab es laut ZDF-Daten leichte Zugewinne bei den Unter-30- und den 30-44-Jährigen. Zudem erreichte die Wahlbeteiligung mit fast 75 Prozent ein Rekordhoch. Dazu sagte der abgewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow: „Das ist der Festtag der Demokratie. Vor 35 Jahren haben die Menschen sich das Recht zu wählen erkämpft. Dann muss man mit dem Wahlergebnis umgehen.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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8 Kommentare

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Mo., 02.09.2024 - 09:25

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Auf niedrigstem Niveau noch einmal zwei Prozent verloren und dem Autor fällt nichts besseres ein, als Nebensächlichkeiten zu publizieren? Dan will ich malnachhelfen:

- Die SPD hat die Sozialdemokratie verloren. Die ist jetzt beim BSW.
- Die Ampel ist so drastisch abgestraft worden, dass Neuwahlen auf Bundesebene fällig sind.
- Die SPD ist für fast alle Missstände, die sie jetzt kritisiert, aufgrund von Regierungsbeteiligung direkt verantwortlich Als Beispiel sei nur die Schuldenbremse genannt, der die SPD wider besseren Wissens aufgrund taktischer und strategischer Fehlkalkulation in Bund und Land zugestimmt hat.
- Eine Antwort auf den Ukrainekrieg, den die Ukraine offensichtlich verliert und dessen Folgen die USA vollständig auf Europa abwälzen wollen, will die SPD nicht geben. Sie bleibt beim gescheiterten Kurs des Sieges auf dem Schlachtfeld und der selbstzerstörerischen Sanktionen.
- Außenpolitisches Kernproblem ist das Mantra der Sicherheit VOR Russland statt MIT Russland. Solange dieses regiert, kann die SPD und mit ihr Deutschland nur verlieren.
- Ein "Weiter so" in der SPD wird auch in Zukunft keine Trendwende bringen. Kein Mensch braucht eine SPD ohne sozialdemokratische Politik.

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mo., 02.09.2024 - 10:51

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Ein ganz schlimmer Tag mit entsprechenden verhängnisvollen Folgen.

Leider haben die Medien mit ihren ständigen hohen Umfragewerten für die Nazis wesentlich zu deren Erfolgen beigetragen; schlimm ist in diesem Zusammenhang auch, dass ausgerechnet die Tagesschau, die doch von den Rechten laufend als einseitig attackiert wird, verlauten lässt, die AfD sei keine Protestpartei mehr, wo doch alle Analysen aussagen, der Wahlausgang beruhe auf der Politik der Bundesregierung.

Bezüglich der Bundesregierung gibt es natürlich Proteste wegen der Sparpolitik, der Rüstungspolitik und auch wegen der Steuerungerechtigkeit. Deshalb haben die Wahlergebnisse trotzdem auch eine positive Seite, indem die FDP wegen ihrer Blockade- und Vermögendenpolitik abgestraft wurde. Allerdings wird Reichenminister Lindner trotz seines Amtseides, Gerechtigkeiten gegen jeden anzuwenden, mal wieder nichts aus diesem Wahlergebnis lernen. Zum Glück kann er keine Koalitionen mehr mit den Rechten, wie seinerzeit in Thüringen, bilden.

Deshalb sollte Olaf Scholz nun endlich auf den Tisch klopfen und deutlich machen, welche Partei immer noch die Mehrheit in der Regierung und im Bundestag hat und welche Ziele sie in ihrer Geschichte stets vertreten hat!!!

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Di., 03.09.2024 - 17:26

Antwort auf von Peter Boettel (nicht überprüft)

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"Leider haben die Medien mit ihren ständigen hohen Umfragewerten für die Nazis wesentlich zu deren Erfolgen beigetragen"

Was hätten die Medien Ihrer Meinung nach tun sollen? Die Zahlen verschweigen oder manipulieren?

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mo., 02.09.2024 - 13:15

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Also die %e kann ich auch woanders nachlesen. Schwierige Regierungsbildung mag ja nicht das schlechteste sein wenn es denn nun einmal zu Nachdenken anregt. Das Populismusgeschrei kann und will ich auch nicht mehr hören. Ich bin wahrlich kein Freund der radikal neoliberalen afd aber wenn ich dann lesen muss daß 49% der Arbeiter diese gewählt haben, dann frag ich mich doch: "Gibt es die SPD denn überhaupt noch ?"
Als in den 1980er Jahren Mittelstreckenraketen auf dem Teritorium der BRD stationiert werden sollten sagte ein OberJuso namens Olaf Scholz: "Die USA und die NATO sind die größte Bedrohung für den Weltfrieden". Recht hat er heute noch, aber was ist denn aus dem jungen Mann geworden ?
Für die SPD muss jetzt gelten "Wacht auf Verdammte dieser Erde ...." hin zu Bildungs-, Friedens- und Sozialpolitik und wer auf- und hochrüsten will soll doch bei Kiesewetter, Hofreiter und Strackzimmermman Unterschupf suchen.

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mo., 02.09.2024 - 17:24

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es geht schon noch schlechter und ich sehe den dann doch immensen Abstand zur 5 % Grenze als Ermutigung für die Genossen in Erfurt und Dresden- wir werden ja wohl mitregieren, dass ist weit mehr als vorher erwartet wurde. Totgesagte leben länger

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Mo., 02.09.2024 - 18:42

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So geht das auch – wenn man es sich leicht machen will. Ob das allerdings sachdienlich ist? Der Thüringer SPD-Vorsitzende Georg Maier jedenfalls musste einsehen, dass die Wähler „über Krieg und Frieden reden, über Migration reden, dass (sie) über andere bundespolitische, weltpolitische Themen reden (wollten), die wir hier aber nicht entscheiden können. Diese Strategie ist bedauerlicherweise aufgegangen“. Ist das etwa der „Stresstest für die Demokratie“, von dem Frau Esken - spricht (2.9.)? Und dass, um es mal zusammenfassend zu sagen, die „Zeitenwende“ ein wichtiges Wahl-Thema sein würde, kann doch keinen halbwegs Wachen überraschen. Dass die Wahlen von bundespolitischen Problemen komplett überdeckt werden, dass sie eine Wahl über die Ampel sein würden, das pfiffen doch selbst die Spatzen vom Dach. Die Quittung hat die Ampel und mit ihr die SPD bekommen: Der Rückgang der Wählerstimmen von 8,1 auf 6,1 Prozentpunkte bedeutet, dass die SPD in Thüringen um die 25% ihrer Wählerstimmen verloren hat.

„Sie haben aber Punkt sieben vergessen.“