Schweitzer statt Dreyer: Was der Wechsel in Rheinland-Pfalz bedeutet
Nach elf Jahren soll bald Schluss sein. Malu Dreyer will ihr Amt als Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz im Juli an ihren Parteikollegen Alexander Schweitzer weitergeben. Die Gründe erläuterte sie in einer Pressekonferenz.
In Mainz endet an diesem Mittwoch eine Ära. „Frau Dreyer, ein bisschen erinnern Sie an Jürgen Klopp“, sagte eine Journalistin gar während der Pressekonferenz am Nachmittag mit Blick auf den Fußballtrainer, der ebenfalls auf eine lange berufliche Tätigkeit in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt blicken kann.
Und es gibt noch mehr Parallelen zwischen Klopp und Dreyer. Charismatisch, den Menschen zugewandt, erfolgreich und schließlich das Ende in diesem Sommer, weil die Kraft fehlt. Bei Klopp in Liverpool, bei Dreyer in Mainz. „Ich habe den Bürgerinnen und Bürgern bei meinem Amtsantritt versprochen, dass ich meine ganze Kraft für dieses Land gebe. In den vergangenen Wochen habe ich gemerkt, dass ich an meine Grenzen komme und mir die Kraft ausgeht“, gab die SPD-Politikerin unumwunden zu.
Abschied mit großer Dankbarkeit
Mit 4.164 Tagen im Amt ist Malu Dreyer die derzeit dienstälteste SPD-Ministerpräsidentin in Deutschland. Doch nach 4.185 Tagen im Amt soll Schluss sein. Ihre Akkus würden sich nicht mehr so schnell aufladen, sagte die 63-Jährige. Am 10. Juli will die Sozialdemokratin das Amt daher nach fast zehneinhalb Jahren an ihren Parteikollegen Alexander Schweitzer weitergeben.
Ab Januar 2013 führte Dreyer die Staatskanzlei in Mainz zunächst an der Spitze eine rot-grünen Koalition, seit der Landtagswahl im Jahr 2016 in einem Bündnis mit Grünen und FDP. Diese Ampel-Koalition erwies sich einige Jahre später auch als wegweisend für eine ähnliche Konstellation auf Bundesebene.
Die Landeschefin gehe nun schweren Herzens, „weil ich nicht amtsmüde bin“, sagte sie. Zugleich sei es ein Abschied in großer Dankbarkeit und mit der Zuversicht, dass „Rheinland-Pfalz ein starkes Land ist“.
Eine „total vertrauensvolle" Ampel-Koalition
Dreyer sagte, die von ihr geführte Landesregierung habe in den vergangenen Jahren sehr viel bewegen können „in einer Koalition, die einfach total vertrauensvoll zusammenarbeitet“. Rheinland-Pfalz sei ein Land, das jedem eine Chance gebe. Ein Land, „in dem es egal ist, ob man eine Behinderung hat oder keine hat“.
Dreyer selbst leidet seit Jahrzehnten an einer Multiplen Sklerose. „Es ist auch wichtig, zu fühlen, wann ist der richtige Zeitpunkt zu gehen. Ich bin ganz, ganz sicher, dass es sehr gut weitergehen wird“, sagte die Ministerpräsidentin mit Blick auf ihren designierten Nachfolger Alexander Schweitzer. Sie selbst seit jetzt noch drei Wochen Ministerpräsidentin. „Danach bin ich frei. Was tue ich? Erst mal mich ausruhen. Ich werde gemeinsam nichts tun mit meinem Mann und meiner Familie“, kündigte sie an.
Ein bisschen ist es an diesem Mittwoch ein Déjà-vu. Denn im Januar 2013 gab Malu Dreyer schon einmal ein Regierungsamt nach elf Jahren auf. Damals war es das Sozialministerium, auch damals war ihr Nachfolger Alexander Schweitzer.
Entsprechend sagte sie am Mittwoch: „Ich weiß, dass ich dieses Amt in beste Hände geben darf.“ Die SPD-Landtagsfraktion habe sich während ihrer Sitzung am Vormittag einstimmig hinter Alexander Schweitzer gestellt. „Er ist der richtige Mann in diesem Moment und hat eine Fähigkeit, Menschen anzusprechen, sie zu begeistern und Ziele zu verfolgen. Ich werde einen wirklich guten Nachfolger haben“, sagte Dreyer.
Bätzing-Lichtenthäler soll Landesvorsitzende werden
Zugleich sprach sie offen darüber, dass es mit Schweitzer, Innenminister Michael Ebling und der Fraktionsvorsitzenden Sabine Bätzing-Lichtenthäler drei Persönlichkeiten gegeben habe, „die alle geeignet sind, Ministerpräsident*innen zu werden“.
In guten Gesprächen sei man jedoch zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen. Diese sieht vor, dass Ebling Innenminister bleiben soll. „Jede Regierung braucht einen starken Innenminister“, erläuterte Dreyer. Bätzing-Lichtenthäler soll neben der Fraktion künftig auch den SPD-Landesverband führen und insofern mit Schweitzer eine Doppelspitze bilden. Dieses Amt hat seit 2012 der frühere Innenminister Roger Lewentz inne.
Ansonsten solle es keine Kabinettsumbildungen geben, kündigte der designierte Ministerpräsident Alexander Schweitzer an. „Ich habe in den letzten Tagen Gespräche mit allen Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett geführt und alle gebeten, mit mir weiterzuarbeiten und mir zu helfen, ein guter Ministerpräsident sein“, kündigte Schweitzer an.
Er werde zwar auch neue Akzente setzen. „Das gehört dazu, wenn man Ministerpräsident wird“, sagte er. Vor allem wolle er aber „nicht nur das Gefühl vermitteln, sondern die Gewissheit geben, dass wir in Rheinland-Pfalz für Schutz und Chancen stehen. Das zeichnet Rheinland-Pfalz aus, dass wir solidarisch und innovativ sind. Das wollen wir bleiben und dazu will ich meinen Beitrag leisten.“
Schweitzer: „Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen“
Der 50-Jährige sprach von einem besonderen und emotionalen Tag „für einen rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten“. Ein Wechsel an der Spitze komme in dem Bundesland nicht so oft vor. Er gehe jedoch gemeinsam, geschlossen und getragen von breiter Unterstützung vonstatten.
„Alle wissen, wie viel sie dir, liebe Malu, zu verdanken haben. Es war keine einfache Situation, als du Regierungschefin wurdest. Danach sind Zuversicht, Geschlossenheit und Ideenreichtum der SPD in Rheinland-Pfalz nicht versiegt. Das haben wir dir zu verdanken“, lobte Schweitzer. Was ihr Engagement und ihre Leidenschaft für Politik und Menschen angehe, sei Dreyer ein Vorbild für ihn und viele andere. „Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das du mir schenkst“, sagte er.
Er habe zwar keinen Karriereplan gehabt, sei aber auch nie vor Verantwortung zurückgeschreckt, sagte er auf Nachfrage und positionierte sich eindeutig zur amtierenden Ampel-Koalition. „Ich stehe inhaltlich und auch politisch zu dieser Koalition“, sagte Schweitzer. Er wolle sie so fortführen, dass sie sich bei der kommenden Landtagswahl 2026 selbstbewusst dem Wählervotum stellen könne.
Eine lange Reihe sozialdemokratischer Ministerpräsident*innen
Einer von Malu Dreyer geführten Landesregierung gehörte er selbst gleich zweimal als Minister an. Zunächst war Schweitzer von Januar 2013 bis November 2014 Sozialminister, seit 2021 ist er erneut für die Bereiche Arbeit, Soziales, Digitalisierung und Transformation zuständig. Dazwischen war er, der auch stellvertretender Landesvorsitzender der SPD in Rheinland-Pfalz ist, sieben Jahre lang Vorsitzender der SPD-Fraktion im Mainzer Landtag.
Mit seiner Wahl wäre er nach Rudolf Scharping, Kurt Beck und Malu Dreyer der vierte in der seit 33 Jahre ununterbrochen andauernden Reihe sozialdemokratischer Ministerpräsident*innen in Rheinland-Pfalz.
Reaktionen aus der SPD
Die Reaktionen auf die Rücktrittsankündigung von Malu Dreyer aus der SPD waren sehr zahlreich. „Wir danken Malu Dreyer für ihre großartige Arbeit in den vergangenen elf Jahren als Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz“, ließ etwa die SPD-Vorsitzende Saskia Esken verlauten. Malu Dreyer sei eine der erfolgreichsten Ministerpräsidentinnen Deutschlands. Sie vereine Kompetenz, Führungsstärke und das Vertrauen der Menschen, das weit über ihr Bundesland hinausstrahle.
Auch habe Dreyer als kommissarische Bundesvorsitzende 2019 den Grundstein für einen Neuanfang der Partei gelegt, der mit dem Gewinn der Bundestagswahl zwei Jahre später seinen Höhepunkt fand. Mit Alexander Schweitzer werde nun ein „erfahrener und fähiger Nachfolger“ das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen. „Wir wünschen Alexander Schweitzer für die künftigen Aufgaben viel Erfolg und freuen uns, dass wir unsere enge Zusammenarbeit in dieser neuen Konstellation weiterführen können“, kommentierte Esken.
Auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Verena Hubertz, dankte Dreyer für ihren Einsatz: „Es gibt diese Menschen, die dich prägen und leiten, früh etwas in dir sehen, was du vielleicht selbst noch nicht gesehen hast. Das ist Malu Dreyer für mich. Malu hat mich früh in die Politik begleitet, als Mentorin, Ratgeberin, Freundin, Landesmutter und Triererin mit Herz. Sie hat mein Heimatland Rheinland-Pfalz geleitet, mit viel Empathie und auch in schwierigen Zeiten, aber stets mit dem richtigen Kompass.“ An Alexander Schweitzer und Sabine Bätzing-Lichtenthäler gerichtet schrieb sie: „Ich bin mir sicher, mit euch führen wir die SPD Rheinland-Pfalz in eine gute Zukunft.“
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil schrieb: „Malu Dreyer ist eine starke Ministerpräsidentin und eine Sozialdemokratin mit Herz und Verstand. Herzlichen Dank für alles, was sie für Rheinland-Pfalz, für Deutschland und die SPD bewegt hat. Ihr designierter Nachfolger Alexander Schweitzer ist eine ausgezeichnete Wahl.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
Von der SPD Rheinland-Pfalz lernen
von Scharping bis Schweitzer, hier zeigt sich das kluge SPD Landesverbände auch kluge Personalplanungen und daraus folgen kluge Personalentscheidungen hinkriegen. Gewinner ist in Rheinland-Pfalz die SPD in ihren verankerten Strukturen. Strukturen, Strukturen die in vielen Landesverbänden leider nicht mehr vorhanden sind. Dieses zu ändern wäre sicher das lohnendes Feld unseres Generalsekretärs.
Für Ungeimpfte und…
Für Ungeimpfte und Unrehabilitierte wie mich wird Frau Dreyer für ewig als die Frau in Erinnerung bleiben die sagte: „Also Ungeimpfte sollen nach unserer Verordnung gar nicht feiern". Gemeint war übrigens Weihnachten - das Fest der Liebe. Aber nicht nur das; sie hat Ungeimpfte zudem auch noch als gewaltbereite Extremisten dargestellt, die die Gesellschaft terrorisiseren.
Zitat Dreyer: „Das Schlimme ist, dass eine Minderheit von Menschen, die nicht nur eine andere Meinung haben, sondern radikal und auch gewaltbereit unterwegs sind, die Mehrheit einschüchtern und verunsichern will.“