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Wie Menschen in Rheinland-Pfalz im Wandel der Arbeit begleitet werden

Digitalisierung und Klimaschutz verändern die Arbeitswelt rasant. In Rheinland-Pfalz helfen „Transformationsbegleiter“ den Arbeitnehmer*innen, sich auf die Veränderungen vorzubereiten. Ein bundesweit einmaliges Ministerium unterstützt sie dabei.
von Kai Doering · 19. Februar 2023
Will Beschäftigte und Unternehmen in der Transformation nicht allein lassen: Alexander Schweitzer, Transformationsminister von Rheinland-Pfalz
Will Beschäftigte und Unternehmen in der Transformation nicht allein lassen: Alexander Schweitzer, Transformationsminister von Rheinland-Pfalz

Eine Glaskugel hat René Brüssow nicht. Trotzdem soll der 41-Jährige Menschen helfen, in die Zukunft zu blicken. Brüssow ist ein Transformationsbegleiter. Sechs davon gibt es seit Herbst vergangenen Jahres in Rheinland-Pfalz. René Brüssow betreut gemeinsam mit einem Kollegen die Region Ludwigshafen und die Vorderpfalz.

Sicher ist nur: Der Wandel kommt

„Es geht darum, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den bevorstehenden Wandel vorzubereiten“, erklärt Brüssow seine Arbeit. Das klingt leichter, als es meistens ist. Wer weiß schon genau, wie sich Arbeitsplätze durch Digitalisierung oder den Umbau zur CO2-freien Wirtschaft verändern werden? Sicher ist nur: Der Wandel kommt. „Durch Corona ist das vielen Menschen zum ersten Mal richtig klar geworden“, sagt René Brüssow. Videokonferenzen oder das Arbeiten von zu Hause hätten viele zuvor nicht gekannt. 

Auf einer Internetseite lässt sich nach der Eingabe von ein paar Rahmendaten ablesen, wie stark sich ihr Beruf in den kommenden Jahren voraussichtlich verändern wird, welche Aufgaben durch die Digitalisierung wegfallen. „Bei nicht wenigen können 60 bis 70 Prozent ihrer derzeitigen Tätigkeit eingespart werden“, berichtet Brüssow.

Weiterbildung nach der Arbeit

Damit sie sich rechtzeitig umorientieren können, erfasst der Transformationsbegleiter zunächst in einem Gespräch die jeweiligen Fähigkeiten der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers. Den Analysebogen dafür hat René Brüssow selbst entwickelt. Danach überlegen beide in einem Einzelgespräch, wo es Bedarf für Weiterqualifizierungen gibt, vor allem aber, wo der zu Begleitende selbst hinmöchte. Auch bei der Suche nach einer geeigneten Fortbildung und nach Fördermöglichkeiten unterstützt Brüssow seine Klienten. Etwa 20 Arbeitnehmer*innen betreut der Transformationsbegleiter derzeit. Alle arbeiten in Handwerksunternehmen. Das „Dienstleistungszentrum Handwerk“ der Kreishandwerkerschaft in Ludwigshafen ist als Projektträger dabei.

„Die Arbeitnehmer, die sich umorientieren, machen die Fortbildungen nach ihrer Arbeit“, betont Brüssow. Vom Betrieb freigestellt werden sie dafür nicht. Bei manchen wisse der Chef nicht mal, dass sich sein Angestellter nach Feierabend noch fortbildet. „Häufig werden wir aber auch von den Betrieben selbst angefragt, ob wir ihre Mitarbeiter beraten können“, berichtet Brüssow. Während ihn Arbeitnehmer zu Anfang der Beratung häufig fragten: „Kriegt das mein Chef mit?“ laute die Frage der Chefs meist: „Wer garantiert mir, dass mein Mitarbeiter nach der Weiterqualifizierung nicht geht?“ Der beginnende Fachkräftemangel setze die Unternehmen immer stärker unter Druck, ihre Mitarbeiter zu halten. „In den allermeisten Fällen wollen die Arbeitnehmer aber gern im Betrieb bleiben“, weiß Brüssow. Auch wenn sich ihre ursprüngliche Arbeit deutlich verändert habe.

Wegweiser im Wandel

Als „Wegweiser im Wandel“ bezeichnet Alexander Schweitzer die Transformationsbegleiter. „Viele Unternehmen kommen mit den technischen Anforderungen der Transformation gut zurecht, brauchen aber qualifizierte Beschäftigte, die ihre Produkte für die nächste Generation weiterentwickeln“, erklärt er. Schweitzer ist nicht nur Arbeitsminister von Rheinland-Pfalz, sondern trägt auch offiziell den Titel Transformationsminister. Er ist der einzige in Deutschland. „In Rheinland-Pfalz haben wir uns schon immer dazu bekannt, die Dinge nicht einfach den vermeintlich schlauen Kräften des Marktes zu überlassen“, sagt Schweitzer. Die Landesregierung habe sich deshalb entschieden, „dass Transformation für uns ein politisches Schwerpunktthema ist“.

Eine entscheidende Rolle spiele dabei, dass sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer das Thema früh zu eigen gemacht habe. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode berief sie einen Transformationsrat ein. Im vergangenen Jahr kam eine Transformationsagentur dazu, in der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, aber auch Handwerkskammern und Hochschulen zusammenarbeiten. „Wir haben in diesem ersten Jahr ein breites Netzwerk gebildet, das mit seiner Kompetenz den Unternehmen in den Regionen hilft“, freut sich Alexander Schweitzer. Gerade kleine Unternehmen könnten die vielschichtigen Herausforderungen der Transformation alleine kaum meistern, zumal diese nicht nacheinander, sondern gleichzeitig aufträten.

Beschäftigte und Betriebe nicht allein lassen

„Aus- und Weiterbildung sind heute kein Wettbewerbsthema mehr zwischen Unternehmen, sondern ein Kooperationsthema, bei dem man sich gegenseitig unterstützt und voneinander lernt“, ist der Minister überzeugt. Häufig sei es aber schwierig zu überblicken, welche konkreten Weiterbildungen die richtigen sind. „Deshalb lassen wir Beschäftigte und Betriebe dabei nicht allein, sondern helfen ihnen, die individuell passenden Wege zu finden.“ Dabei ist Schweitzer froh, dass das Thema Weiterbildung auch für die Bundesregierung eine wichtige Rolle spielt. Mit dem von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil geplanten Weiterbildungsgesetz sollen Beschäftigte künftig bis zu einem Jahr bezahlte Bildungszeit in Anspruch nehmen können. „Mit Hubertus Heil als Arbeitsminister haben wir einen starken Partner“, lobt der Landeskollege. Dabei sei klar, „dass Deutschland mit der Transformation vor einer Herausforderung steht, die uns in ihren Ausmaßen noch gar nicht bewusst ist“. 

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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