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Industriestandort: Wie Rheinland-Pfalz die Transformation gestaltet

Rheinland-Pfalz ist das einzige Bundesland mit einem Transformationsminister. Im Interview erklärt Alexander Schweitzer, worauf es für einen erfolgreichen Wandel ankommt und warum Geld nicht die entscheidende Rolle spielt.
von Kai Doering · 31. Januar 2023
BASF in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz: Es gibt keinen Betrieb, in dem das Thema Transformation nicht bekannt ist.
BASF in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz: Es gibt keinen Betrieb, in dem das Thema Transformation nicht bekannt ist.

Transformation ist ein eher abstrakter Begriff. Welche Rolle spielt sie für die Menschen in Rheinland-Pfalz?

Es gibt keinen Betrieb, in dem das Thema Transformation nicht bekannt ist und nicht das betriebliche Miteinander prägt. Klar, der Begriff selbst ist technisch-akademisch, aber jedes Unternehmen kann sicher auf Anhieb drei, vier Bereiche nennen, in denen sich die Transformation konkret äußert. In der Automobilbranche ist das Thema Transformation natürlich anders besetzt als in der chemischen, aber jeder kann seine Geschichte zur Transformation erzählen.

Wo macht sich die Transformation in Ihrem Bundesland besonders bemerkbar?

Rheinland-Pfalz ist ein starker Industriestandort mit starken Unternehmen wie etwa Boehringer, Biontech oder BASF. Gleichzeitig sind wir geprägt von kleinen und mittleren Unternehmen. Das macht Rheinland-Pfalz stark, aber es macht es gleichzeitig auch anspruchsvoll, die Transformation bei uns zu begleiten. Besonders bemerkbar macht sie sich über die großen Themen Demografie, Digitalisierung, den Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft oder ganz aktuell die Energiekrise. Herausfordernd ist, dass diese Entwicklungen nicht nacheinander auftreten, sondern gleichzeitig in den Betrieben einschlagen. Gerade kleine Unternehmen können diese multiplen Herausforderungen selten allein meistern. Aber auch die großen Unternehmen sind für jede Hilfe dankbar. Deshalb versuchen wir, sie als Land zu unterstützen.

Wie sieht das aus?

In Rheinland-Pfalz haben wir uns schon immer dazu bekannt, die Dinge nicht einfach den Kräften des Marktes zu überlassen. Wir haben uns deshalb als Landesregierung dazu entschlossen, dass das Thema Transformation für uns ein politisches Schwerpunktthema ist. Das liegt zu einem ganz entscheidenden Teil daran, dass Ministerpräsidentin Malu Dreyer es sich zu eigen gemacht hat. Sie hat einen Transformationsrat einberufen und das Thema ganz oben auf die politische Agenda gesetzt. Sehr wichtig ist uns die Sicherung von Fachkräften. Viele Unternehmen kommen mit den technischen Anforderungen der Transformation gut zurecht, aber sie brauchen qualifizierte Beschäftigte, die ihre Produkte für die nächste Generation weiterentwickeln.

Im vergangenen Jahr haben Sie deshalb eine „Transformationsagentur“ gegründet. Was soll die genau leisten?

Die Transformationsagentur hat eine Lotsenfunktion und hilft den Unternehmen, passende Weiterbildungsangebote zu finden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen so weiterqualifiziert werden, dass sie im Unternehmen bleiben können, auch wenn sich ihre Arbeit verändert. Die Unternehmen sollen auch dabei unterstützt werden, Netzwerke zu bilden, in denen sie selbst Weiterbildung organisieren können. Aus- und Weiterbildung sind heute kein Wettbewerbsthema mehr zwischen Unternehmen, sondern ein Kooperationsthema, bei dem man sich gegenseitig unterstützt und voneinander lernt.

Zur Gründung der Agentur haben Sie viele verschiedene Partner an einen Tisch geholt, die Gewerkschaften ebenso wie die Arbeitgeber und die Bundesagentur für Arbeit. Waren alle sofort bereit, mitzumachen?

Ja, die Resonanz war von Anfang an sehr positiv. Wir hatten sofort die DGB-Gewerkschaften mit im Boot wie auch die Landesvereinigung der Unternehmerverbände. Auch die Bundesagentur für Arbeit war von Anfang an Projektpartnerin. Das zeigt für mich, dass alle die Dringlichkeit des Themas Transformation verstanden haben. In der Zwischenzeit sind viele weitere Kooperationspartner dazugekommen, etwa die Handwerkskammer, Universitäten und Fachhochschulen. Wir haben in diesem ersten Jahr ein breites Netzwerk gebildet, das mit seiner Kompetenz den Unternehmen in den Regionen hilft. Dieser regionale Ansatz ist eine große Stärke der Transformationsagentur, da die Herausforderungen je nach Lage sehr unterschiedlich sind.

Es geht den Unternehmen also nicht um mehr staatliches Geld, um die Transformation meistern zu können, sondern vor allem um Informationen?

Natürlich gibt es auch immer wieder den Wunsch nach finanzieller Unterstützung. Häufig steht aber eher die Frage im Vordergrund, ob wir nicht Hinweise geben können, wo es bereits Fördermöglichkeiten gibt, von denen die Unternehmen noch nichts wissen. Auch dabei spielt die Lotsenfunktion der Transformationsagentur eine wichtige Rolle. Sie ist gewissermaßen die Taschenlampe im Förderdschungel.

Würden Sie sich eine Einrichtung wie die Transformationsagentur auch auf Bundesebene wünschen?

Zunächst einmal bin ich mit dem Koalitionsvertrag auf Bundesebene sehr zufrieden, weil die Ampel darin das Thema Transformation, aber auch die Themen Qualifikation und Weiterbildung sehr viel stärker betont als jede andere Bundesregierung zuvor. Mit Hubertus Heil als Arbeitsminister haben die Länder zudem einen starken Partner. Eine bundesweite Transformationsagentur könnte durchaus sinnvoll sein. Entscheidend für das Gelingen der Transformation ist aber, dass alle Ebene zusammenarbeiten. Das ist etwas, das vor allem in den Regionen stattfindet. Eine Agentur auf Bundesebene müsste deshalb den regionalen Aspekt sehr stark im Blick behalten. Klar ist aber, dass Deutschland mit der Transformation vor einer Herausforderung steht, die uns in ihren Ausmaßen noch gar nicht bewusst ist. Ob uns die Transformation gelingt, entscheidet darüber, ob wir auch in den nächsten Generationen noch ein starker Industriestandort sind. Jede Unterstützung des Bundes ist deshalb willkommen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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