Geschichte

Vor 25 Jahren: Wie Franz Müntefering der erste SPD-Generalsekretär wurde

Vor 25 Jahren wird Franz Müntefering der erste Generalsekretär der SPD. Heute erinnert er sich die Zeit im Jahr 1999.

von Thomas Horsmann · 5. September 2024
1999 wird Franz Müntefering der erste SPD-Generalsekretär.

1999 wird Franz Müntefering der erste SPD-Generalsekretär.

Im Atrium des Parteihauses in Berlin werden vor dem Bronzestandbild Willy Brandts Stehtische, Fernseher, Getränke und ein Büffet für den Wahlabend vorbereitet. An diesem Sonntag, 5. September 1999, werden im Saarland und in Brandenburg, neue Landtage gewählt. Die SPD steht vor schweren Wahlniederlagen.

Auftakt in einer schwierigen Zeit

Weiter oben, in den Räumen des Parteivorstands, stimmt das SPD-Präsidium in einer Sondersitzung dem Vorschlag von Parteichef Gerhard Schröder zu: Die Führungsstruktur der SPD soll reformiert werden – durch das neu geschaffene Amt des Generalsekretärs. Es übernimmt unter großem Beifall der SPD-Spitze Franz Müntefering – zunächst kommissarisch, vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesparteitags im Dezember.

Blick zurück: Nach dem überzeugenden Wahlsieg bei der Bundestagswahl 1998 löst Rot-Grün unter Bundeskanzler Gerhard Schröder die Regierung Kohl ab. Oskar Lafontaine, damals SPD-Vorsitzender, bekommt ein auf ihn neu zugeschnittenes Superministerium der Finanzen.

Massenarbeitslosigkeit, hohe Sozialabgaben und enorme Steuerlasten erfordern harte Reformen. Wie diese Hinterlassenschaften der Ära Kohl zu beseitigen sind, darüber sind sich die beiden Wahlgewinner Parteichef Lafontaine und Kanzler Schröder nicht einig. Den Konflikt entscheidet der Kanzler. Kurz darauf, am 11. März 1999, dann der Paukenschlag: Lafontaine schmeißt hin und tritt ohne Kommentar von allen Ämtern zurück. Schröder wird am 12. April zum SPD-Vorsitzenden gewählt. Doch der Partei fehlt eine Integrationsfigur, die die Reformen an der Basis vermittelt.

Lafontaine gegen die SPD

„Das war ein Desaster für SPD und Koalition“, erinnert sich Franz Müntefering im Gespräch mit dem „vorwärts“ an den beispiellosen Schritt Lafontaines. „Der Wahlsieg 1998, der eine gute Ausgangslage für drei oder vier Legislaturen hätte sein können, drohte zu zerbröseln, weil Lafontaine von da an systematisch gegen die SPD agierte und insbesondere in Teilen der Gewerkschaften für einen Wechsel zur Linken und für deren Wahl warb. Ab Mitte 1999 wurde diese Tendenz immer offensichtlicher – die Konsequenzen auch.“

Die rot-grüne Reformpolitik kommt bei den Wähler*innen nicht an. Die Parteibasis ist verunsichert. In den Gewerkschaften rumort es. Er habe Schröder darauf angesprochen und empfohlen, einen „Generalsekretär der SPD“ in die Partei zu schicken, um der Gefahr zu begegnen und neue Motivation zu schaffen, so Müntefering. Diese Idee passt zu den Plänen Schröders. Er fordert Müntefering auf, eine entsprechende Satzungsänderung auszuarbeiten. „Meinem Entwurf stimmte er zu und fragte: ‚Aber wer soll das denn machen?‘ Meine Antwort: ‚Am besten ich‘“, sagt Franz Müntefering im Rückblick.

Müntefering kennt die Partei

Der ehemalige Bundesgeschäftsführer kennt seine Partei genau. Er kann begeistern und mit allen reden. Und er ist der Architekt des mitreißenden und erfolgreichen Bundestagswahlkampfes 1998. Müntefering übernimmt die Rolle eines „Geschäftsführenden Vorsitzenden“: Er führt die Partei nach außen als eine Art politischer Geschäftsführer. Nach innen wirkt er integrierend. Er koordiniert, hält die Partei zusammen und managt den nächsten Bundestagswahlkampf 2002. Als erste Amtshandlung lädt er die Chefs der Unterbezirke zu einem Treffen ein. Und er schafft es: Unter seiner Ägide wird die SPD zu einer straff geführten, wieder schlagkräftigen und erfolgreichen Partei.

„Ich habe mich bemüht – mit Hilfe vieler Genossinnen und Genossen – aus der Situation das Bestmögliche zu machen“, sagt Franz Müntefering im Gespräch mit dem „vorwärts“ heute. „Das Schlimmste konnte bei der Bundestagswahl 2002 verhindert werden, aber die Koalition SPD/Grüne hatte nur noch eine minimale Mehrheit von vier Mandaten. Und 2005 landeten wir dann bei der vorgezogenen Bundestagswahl – alles nicht nötig! Wenn nicht O. L.“

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Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 06.09.2024 - 13:36

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