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80. Geburtstag von Franz Müntefering: Franz, der war mein Star

Franz Müntefering war SPD-Generalsekretär und -Vorsitzender, Bundesminister und Vize-Kanzler. An diesem Donnerstag feiert er seinen 80. Geburtstag. SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan mit einer persönlichen Würdigung
von Dietmar Nietan · 16. Januar 2020
Franz Müntefering und Dietmar Nietan im Autoscooter auf der Dürener Kirmes 2005: Zur Heldenverehrung taugt „Münte“ nicht. Aber warum auch?
Franz Müntefering und Dietmar Nietan im Autoscooter auf der Dürener Kirmes 2005: Zur Heldenverehrung taugt „Münte“ nicht. Aber warum auch?

Es ist im Frühherbst des Jahres 2012. Ich bringe Franz Müntefering zurück zum Dürener Bahnhof. Er ist viel mit dem Zug unterwegs. Seit fast drei Jahren ist er jetzt einfacher Bundestagsabgeordneter. „Sag mir bitte Bescheid, wann Jupps Beerdigung ist. Ich werde dabei sein“, hatte er mir ein paar Wochen zuvor kurz und knapp gesagt, als ich ihn über den Tod von Josef Vosen informiert hatte, meinen Vorgänger im Bundestag und Ehrenbürger meiner Heimatstadt.

Die Rückfahrt von der Beerdigung ist so ein Moment, in dem ich den Menschen Franz Müntefering erleben darf. Wir reden natürlich über Jupp, aber wir reden eigentlich über das, worauf es ankommt im Leben. Es sind Erfahrungen, wie dieses Gespräch und die „schnörkellose Selbstverständlichkeit“ mit der Franz für sich entschied, einem früheren Bundestagskollegen die letzte Ehre zu erweisen. Sie prägen mein Bild von ihm mehr als seine politischen Entscheidungen.

Und darum soll es hier gehen: Meine ganz persönliche Würdigung zum 80. Geburtstag eines Menschen, der sich um unsere Partei und unser Land große Verdienste erworben hat.

Franz Müntefering, der Modernisierer

1998 kandidiere ich zum ersten Mal für den Bundestag. Gerhard Schröder? Großer Respekt. Aber der Franz, der war mein Star! Was für eine großartige Kampagne hatte er mit Matthias Machnig, Kajo Wasserhövel und Co in der KAMPA auf die Beine gestellt. Ein Modernisierer? Mit der Frisur und diesen Sakkos? Spätestens nach Franz' Auftritt in der Harald-Schmidt-Show konnte diese Frage nur mit „Ja“ beantwortet werden.

Reformationstag 2005. Im Parteivorstand will Franz seinen Vorschlag für den Generalsekretärsposten durchsetzen. Ich schätze Kajo, aber ich drücke Andrea Nahles die Daumen. Für mich ist das Amt des Generalsekretärs ein politisches, das auch mit einer/einem Politiker*in besetzt werden soll. Andrea gewinnt die Abstimmung und wird trotzdem nicht Generalsekretärin. Franz tritt als Vorsitzender zurück. Danach bricht eine regelrechte Hatz auf die SPD-Linke und Nahles-Unterstützer*innen los, wie auch ich einer bin.

Wenige Wochen später treffen Franz und ich uns auf dem Parteitag erstmals nach seinem Rücktritt wieder. Obwohl Franz weiß, dass ich zu den Unterstützern von Andrea gehöre, sagt er zu mir, dass er es sehr bedauert, dass ich mein Bundestagsmandat verloren habe. Wenn er mir irgendwie helfen könne, wolle er das gerne tun. Auch das ist Franz Müntefering.

Zum zweiten Mal SPD-Vorsitzender

Am 18. Oktober 2008 wird Franz zum zweiten Mal zum SPD Vorsitzenden gewählt. In der Generaldebatte des Parteitages gehe ich mit denen aus meiner Sicht Verantwortlichen für den Rücktritt von Kurt Beck hart ins Gericht. Ich lasse keinen Zweifel daran, dass auch Franz für mich zu diesen Verantwortlichen gehört. Als ich das Podium verlasse, merke ich aus dem Augenwinkel, dass er seinen Platz verlassen hat. „Dietmar, warte mal!“ ruft er. Meine Rede hat ihm nicht gefallen. Anstatt es mir persönlich übel zu nehmen und mich abzuschreiben, spricht Franz die Sache sofort an. Wir können das zwischen uns klären – sofort und an Ort und Stelle. Diesen klaren Umgang miteinander habe ich leider selten in der Parteiführung erlebt.

In politischen Fragen war ich nicht immer seiner Meinung und habe erlebt, wie hart er seine Sache „durchziehen“ konnte. Zur Heldenverehrung taugt „Münte“ also nicht. Aber warum auch? Klarheit in der Sache und in der Sprache, gepaart mit Konsequenz und unbändigem Fleiß. Dabei unbedingter Gestaltungswille, etwas zum Wohle der Gesellschaft und der Arbeitnehmerschaft im Besonderen zu bewegen. Das war und ist Franz Müntefering.

Pragmatiker und Visionär zugleich

„Und was ist mit der Rente mit 67?“, höre ich spätestens an dieser Stelle den einen oder die andere Leserin dieser Zeilen murmeln. „Ja und?“, will ich antworten.

Weil Franz – wie allen von uns – auch politische Fehler und Fehleinschätzungen unterlaufen sind. Weil dies nichts an seiner Verbundenheit mit dem Wert der Arbeit und der Würde von Arbeitnehmer*innen ändert. Weil der gleiche Franz Müntefering, der die Rente mit 67 vorangetrieben hat, genau so vehement die „Heuschrecken-Debatte“ vom Zaun gebrochen hat.

Ein Pragmatiker und Visionär zugleich. Bereits im Jahre 2001 hat Franz Müntefering mit dem Motto „Sicherheit im Wandel" in drei Worten auf den Punkt gebracht, worum sich die SPD im 21. Jahrhundert kümmern muss: Den technologischen Wandel nicht bekämpfen, sondern Zusammenhalt und Fortschritt daraus entwickeln, die Menschen dabei immer im Blick, indem wir als SPD soziale und persönliche Sicherheit organisieren.

In diesem Sinn herzlichen Dank und alles Gute zu Deinem 80. Geburtstag, lieber Franz!

Autor*in
Dietmar Nietan
Dietmar Nietan

ist seit 2014 Schatzmeister der SPD und seit 2022 Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit.

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