Parteileben

Was die SPD heute noch von August Bebel lernen kann

Am Vorabend des Parteijubiläums wurde Franz Müntefering mit dem August-Bebel-Preis ausgezeichnet. Auch wenn „Münte“ den Preis nicht selbst in Empfang nehmen konnte, machte er deutlich: Bebel ist aktueller denn je.
von Kai Doering · 23. Mai 2023
Stellvertretend für ihren Mann nahm Michelle Müntefering der August-Bebel-Preis von Wolfgang Thierse und Lars Klingbeil entgegen.
Stellvertretend für ihren Mann nahm Michelle Müntefering der August-Bebel-Preis von Wolfgang Thierse und Lars Klingbeil entgegen.

Wenige Jahre vor seinem Tod hatte Günter Grass eine Idee. Der Schriftsteller gründete die August-Bebel-Stiftung. Alle zwei Jahre sollte sie mit einem Preis Persönlichkeiten ehren, die sich wie August Bebel um die soziale Bewegung in Deutschland verdient gemacht haben. „Er wollte, dass wir uns unserer Wurzeln erinnern und an ihnen unsere aktuelle Politik ausrichten“, sagt der frühere Bundestagspräsident und Vorsitzende der Bebel-Stiftung Wolfgang Thierse. „Die Stiftung war sein politisches Vermächtnis.“

Müntefering: „Mehr geht nicht.“

Am Vorabend des 160. Gründungsjubiläums der SPD haben Partei und Bebel-Stiftung ins Willy-Brandt-Haus eingeladen. Doch der Preisträger kann in der Parteizentrale nicht dabei sein: Franz Müntefering erholt sich in der Reha von einer schweren Operation. Stattdessen nimmt seine Frau Michelle den August-Bebel-Preis für „Münte“ entgegen. „In der SPD bekommt man auch nach 54 Jahren Mitgliedschaft nicht oft Lob“, verliest sie seine Dankesrede. Der Bebel-Preis sei ein „absoluter Höhepunkt an Lob und Anerkennung. Mehr geht nicht.“

Als „Meister der kurzen Sätze und der klaren Ansagen“, hatte ihn kurz zuvor Wolfgang Thierse vorgestellt. Auch die verlesene Rede wird diesem Ruf gerecht. „Er war ein Rebell“, setzt Hubertus Heil, SPD-Vize-Vorsitzender und Bundesarbeitsminister, in seiner Laudatio noch einen drauf. Zum Beweis erzählt er, wie der Wehrdienstleistende Müntefering sich und seine Kameraden von einem Vorgesetzten ungerecht behandelt fühlte und daraufhin dem damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß einen Brief schrieb. „Was für eine Zivilcourage“, sagt Heil.

Historisches Wissen ist keine Folklore

Franz Müntefering sei stets eine „Symbiose von Pragmatismus und Idealismus“ gewesen. Der Satz „Man muss das Leben so nehmen wie es ist, darf es aber nicht so lassen“, sei für ihn stets ein Leitmotiv gewesen – ob als SPD-Vorsitzender, Vizekanzler oder als Vorsitzender der Bundestagsfraktion. „Er wollte nie, dass sich Sozialdemokraten an den Rand verpieseln, sondern dass sie für das ganze Land da sind“, sagt Hubertus Heil. Und: „Er hat sich immer für Jüngere interessiert, sie aber nicht belehrt.“ Alles Eigenschaften, die ihn mit dem Namensgeber des Preises August Bebel verbänden.

„Es lohnt sich, auch heute noch bei August Bebel Orientierung zu suchen“, gibt Franz Müntefering über seine Frau Michelle schließlich dem Publikum im Willy-Brandt-Haus und der SPD mit. Vieles von dem, was Bebel einst vertreten habe, sei auch heute noch aktuell – bei der Gleichstellung der Frau ebenso wie beim Schutz der Natur. Historisches Wissen sei „keine Folklore“, sondern „Grundvoraussetzung für gute sozialdemokratische Politik“, hatte SPD-Schatzmeister und der Geschichtsbeauftragte der Partei Dietmar Nietan schon zu Beginn der Preisverleihung gesagt.

Eigene Wege finden

In diesem Sinne diskutierten SPD-Chef Lars Klingbeil, die Dresdner Bundestagsabgeordnete Rasha Nasr, die Sprecherin des SPD-Geschichtsforums Kristina Meyer und der Vorsitzende des Kulturforums der Sozialdemokratie Carsten Brosda miteinander. „Was machen wir, wenn wir überholen wollen?“, fragte Brosda dabei. „In den Rückspiegel schauen.“ Der Blick zurück helfe häufig, sich für kommende Aufgaben zu orientieren.

„Es lässt sich viel Kraft aus der Vergangenheit der Partei ziehen“, stimmte auch Lars Klingbeil zu. Gleichzeitig sei es aber wichtig, „nicht in Rituale der Vergangenheit zurückzufallen, sondern eigene Wege zu finden“. Stärke der SPD, so Klingbeil, sei es immer gewesen „Brücken zu bauen“. Das sei auch entscheidend für künftige Herausforderungen wie den Kampf gegen den Klimawandel oder die Transformation der Gesellschaft. „Zumindest für die nächsten zehn Jahren hat die SPD damit eine Existenzberechtigung. Und ich bin mir sicher, dass wir danach viele andere Themen finden werden.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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