Inland

„Deutsche Erdogan-Partei“: Was von der DAVA zu erwarten ist

Die neue DAVA gilt als deutscher Ableger der Erdogan-Partei AKP. Zur Europawahl will sie erstmals antreten. Vertreter türkischer Verbände räumen der DAVA wenig Chancen ein. Kurzfristig könnte sie dennoch an Mandate kommen.

von Kai Doering · 8. Februar 2024
Neue Partei: „Das Potenzial von DAVA ist sehr gering.“

Neue Partei: „Das Potenzial von DAVA ist sehr gering.“

Zunächst mal ist es nur eine Wählergemeinschaft. Zur Europawahl will DAVA aber als Partei antreten. Seit das frühere SPD-Mitglied Teyfik Özcan Mitte Januar die „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ gegründet hat, ist die Aufregung groß. Medien und Politik warnen vor einer „Erdogan-Partei“ in Deutschland, die DAVA gilt vielen als Ableger der türkischen AKP. 

Laut WDR, dem das Programm von DAVA exklusiv vorliegt, fehlt zudem „eine klare Abgrenzung zum politischen Islam und zum militanten Islamismus“. Auch ist der Name der entstehenden Partei zumindest doppeldeutig. DAVA ist nicht nur eine Abkürzung. Das türkische Wort „dava“ bedeutet auch die Missionierung von Nicht-Muslimen.

„Kein Grund für Erdogan, DAVA zu unterstützen“

„Das Potenzial von DAVA ist sehr gering“, gibt Macit Karaahmetoğlu Entwarnung. Er ist Präsident der Deutsch-Türkischen Gesellschaft und stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe des Bundestags. Für die Europawahl sagt Karaahmetoğlu DAVA ein Ergebnis von „deutlich unter einem Prozent“ voraus. Er bezieht sich dabei auf Erfahrungen mit Parteien, die auf ein ähnliches Wähler*innen-Spektrum ausgerichtet sind. Das „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ (BIG) etwa erhielt bei der Europawahl 2019 gerade mal 0,2 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Auch einen direkten Einfluss des türkischen Präsidenten Erdogan auf den Wahlkampf der DAVA hält Karaahmetoğlu für unwahrscheinlich. „Ich sehe keinen Grund, warum er sie unterstützen sollte“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete. Klar sei aber, dass die bereits bekannten Kandidaten der DAVA sehr AKP-nah seien. „Die Leute befürworten Erdogans Politik und wollen damit bei türkischstämmigen Wählern punkten.“ Dazu zählen etwa Ali Ihsan Ünlü, der für den Moscheeverband DITIB arbeitet, und Mustafa Yoldas, der viele Jahre bei der vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation „Mili Görus“ tätig war. Beide sollen auf vorderen Plätzen bei der Europawahl antreten.

„Schon früher Stimmung mit Stimmen verwechselt“

Als „Sammlung des rechten Spektrums der Türkeistämmigen“ bezeichnet daher Gökay Sofuoglu die DAVA. Sofuoglu ist Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Auch er gesteht der neuen Partei nur „wenig Erfolgschancen“ zu. Die DAVA sei „aus Trotz, Wut und Ärger entstanden“. Trotz der geringen Erfolgsaussichten dürfte die Partei in den kommenden Wochen in den Medien sehr präsent sein. „Sie wird im öffentlichen Diskurs sehr wirksam sein“, sagt Sofuoglu. Schon bei früheren Parteien habe man aber „Stimmung mit Stimmen verwechselt“.

Kurzfristig könnte die DAVA dennoch Abgeordneten bekommen, vor allen auf kommunaler Ebene: dann nämlich, wenn Mandatsträger*innen aus anderen Parteien zu DAVA wechselten so wie Gründer Teyfik Özcan. Die anderen Parteien sollten deshalb aus Sofuoglus Sicht Menschen mit Migrationshintergrund mehr Angebote machen als bisher. Das könnte nicht nur der DAVA gleich zu Beginn das Wasser abgraben, sondern auch das Zugehörigkeitsgefühl der Migrant*innen zu Deutschland stärken, findet Macit Karaahmetoğlu. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich Deutschland mehr zugehörig fühlen als zu Erdogan.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Fr., 09.02.2024 - 08:04

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Bevölkerung ausgegrenzt und diskriminiert. Es dauerte einige Jahren und Jahrzehnte, bis sie sich in einer ausreichend großen Menge haben sammeln bzw zu einer solchen haben entwickeln können, aber nun ist es soweit. Folgerichtig, und weitere werden es den Türken nachtun, wenn wir uns weiterhin weigern, sie zu integrieren. Dass heisst auch, mehr Rücksicht nehmen auf ihre persönlichen belange und den eigenen kulturellen Hintergrund, mag der uns in Teilen auch befremdlich vorkommen- wie bsp. bei den speziellen Regelungen der Scharia. Wir dürfen nicht fortfahren mit unseren überheblich daherkommenden Moralvorstellungen- das ist Kolonialismus in Reinkultur, den sollten wir eigentlich schon lange überwunden haben.