Meinung

Streit um Brosius-Gersdorf: Ein Desaster nach rechtsextremem Drehbuch

Seit Tagen ist die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf Zielscheibe einer Hetz-Kampagne der extremen Rechten. Nun wird ihre Wahl zur Verfassungsrichterin verschoben. Ein Tiefpunkt für die Demokratie in Deutschland.

von Kai Doering · 11. Juli 2025
Porträtaufnahme der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf

Ziel ein Kampagne von rechts: die für das Bundesverfassungsgericht vorgesehene Juristin Frauke Brosius-Gersdorf

Es ist noch nicht lange her, da sorgte eine Wahl in den USA für Aufsehen, weit über die Landesgrenzen hinaus. Dabei ging es weder um ein Mandat im Senat, noch um das Amt eines Gouverneurs. Stattdessen musste Anfang April einer der sieben Sitze am Obersten Gericht des Bundesstaats Wisconsin nachbesetzt werden. Anders als in Deutschland werden die Richter*innen des Gremiums, das mit einem Landesverfassungsgericht vergleichbar ist, in den USA vom Volk gewählt.

Der Wahlkampf wurde mit harten Bandagen ausgefochten. Milliardär Elon Musk unterstützte den Kandidaten der Republikaner mit 20 Millionen Dollar und verloste täglich eine weitere Million an Menschen, die eine Petition gegen „aktivistische Richter“ unterzeichnet hatten. Diese zielte auf die von den Demokraten unterstützte Kandidatin, die die Wahl schließlich gewann. Mit Ausgaben von knapp 99 Millionen Dollar war es der teuerste Wahlkampf für einen Gerichtsposten in der Geschichte der USA.

Brosius-Gersdorf als „Linksextremistin“ gebrandmarkt

Ein ähnlicher Kampf findet zurzeit in Deutschland statt – allerdings nicht als offener Wahlkampf, sondern verdeckt mit Vorwürfen, Unterstellungen und Unwahrheiten. Es geht um die Neubesetzung von drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht. Vor allem eine Kandidatin, die Potsdamer Juristin Frauke Brosius-Gersdorf, ist dabei zur Zielscheibe geworden.

Weil sie sich während der Corona-Pandemie für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen und sich offen für ein Verbotsverfahren gegen die AfD gezeigt hatte, wurde sie in sozialen Medien und von rechtsgerichteten Medien sowie der AfD schon früh als „Linksextremistin“ und Schlimmeres gebrandmarkt. In dieser Woche kamen Falschbehauptungen hinzu, Brosius-Gersdorf würde Abtreibungen bis kurz vor der Geburt befürworten und habe in ihrer Doktorarbeit betrogen. Letzteres führte dazu, dass ihre Wahl am Freitag von der Tagesordnung des Bundestags genommen wurde – auf Druck von CDU und CSU.

Union knickt vor der Hetz-Kampagne ein

Damit knickt die Union vor einer von der extremen Rechten orchestrierten Kampagne ein. Der Schaden für die politische Kultur in Deutschland ist noch nicht abzusehen. Aus gutem Grund findet die Wahl von Verfassungsrichter*innen seit Gründung der Bundesrepublik im Bundestag ohne Aussprache und ohne vorherige öffentliche Anhörung statt. So soll vermieden werden, dass sich Richter*innen politisch positionieren müssen. Das Amt einer Verfassungsrichterin ist eben kein politisches, sondern ein juristisches – ein integraler Bestandteil der Gewaltenteilung in unserem Land.

Mit der Politisierung der Justiz, wie sie in den vergangenen Tagen von rechts und mit willfähriger Unterstützung der Konservativen stattfindet, werden die Grundpfeiler der Demokratie angegriffen. Das liegt allein im Interesse der extremen Rechten, die unter dem Vorwand von „Neutralität“ Vorwürfe erheben und damit die Integrität von Jurist*innen beschädigen, sondern auch dem Bundesverfassungsgericht als Schützerin der Verfassung Schaden zufügen wollen.

Wohin das führt, zeigen nicht nur die USA, sondern auch Länder in unserer direkten Nachbarschaft wie Polen oder Ungarn. Eine politische Justiz will niemand. Mit der Entwicklung der vergangenen Tage sind wir ihr in Deutschland aber leider einen großen Schritt nähergekommen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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Gespeichert von Melanie Kipfer-Bieri (nicht überprüft) am Fr., 11.07.2025 - 16:36

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Ich bin studierte Sozialarbeiterin, ganz sicher nicht „extrem rechts“, aber entsetzt über die menschenverachtenden Positionen von Frau Frauke Brosius-Gersdorf!

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 11.07.2025 - 17:13

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"Plagiat" sehr beliebt um jemanden abzusägen. Dann gibt es bestimmt noch was "sexuelles". Das sind natürlich schmutzige Kampagnen. Allerdings sehe ich die Kandidatur von Frau Brosius-Gersdorf sehr skeptisch. Also Impfpfilcht das ist nicht verfassungskonform, afd-Verbot ???? Von so jemanden ist eine juristische Aufarbeitung des ganzen Corona-Mistes nicht zu erwarten. Justiz muss nach rechtsstaatlichen Prinzipien erfolge und nicht nach persönlichen Vorlieben !! Frau Brosius-Gersdorf ist meiner Meinung nach eine typische Vertreterin der "radikalisierten Mitte", und das sind Leute, die mit zuvielerlei Maß messen.

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