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Corona-Enquete im Bundestag: „Es geht nicht um Schuldzuweisungen“

Am Donnerstag will der Bundestag eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie einsetzen. Im Interview sagt die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dagmar Schmidt, was die Kommission leisten soll – und wann sie aus ihrer Sicht ein Erfolg wäre.

von Kai Doering · 10. Juli 2025
Fotomontage: Schild mit der Aufschrift "Corona-Aufarbeitung" vor dem Reichstagsgebäude

Die Corona-Pandemie soll aufgearbeitet werden: Darauf haben sich SPD und Union verständigt.

Der Bundestag will am Donnerstag eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie einsetzen. Was ist das Ziel der Kommission?

Wir wollen als Parlament unserer Verantwortung gerecht werden – und die Corona-Pandemie gemeinsam mit Wissenschaft, Gesellschaft und Ländern systematisch aufarbeiten. Ziel der Enquete-Kommission ist es, die staatlichen und gesellschaftlichen Reaktionen in der Pandemie umfassend zu analysieren, Fehler wie Erfolge ehrlich zu benennen und daraus konkrete Lehren für die Zukunft zu ziehen. Dabei ist uns besonders wichtig: Es geht nicht um rückwärtsgewandte Schuldzuweisungen, sondern um zukunftsorientiertes Lernen – für einen krisenfesteren, gerechteren Staat.

Dagmar
Schmidt

Die Aufarbeitung der Pandemie kann nur dann wirksam und glaubwürdig sein, wenn sie auf einer möglichst vollständigen Faktenbasis beruht.

Die Kommission soll den Sudhof-Bericht zur Maskenbeschaffung des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn nur mit teilweise geschwärzten Passagen erhalten. Wie bewerten Sie das?

Die Aufarbeitung der Pandemie kann nur dann wirksam und glaubwürdig sein, wenn sie auf einer möglichst vollständigen Faktenbasis beruht. Dafür müssen Schwärzungen nur dann eingesetzt werden, wenn sie wirklich notwendig sind und zum Beispiel die Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern des Ministeriums schützen. Dabei dürfen keine wichtigen Details unterschlagen werden. Denn das schwächt das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Aufarbeitungsprozess. Zudem darf wichtige Fach-Expertise und die Arbeit von Frau Sudhof nicht vorab diskreditiert werden, wenn man es mit der Aufarbeitung ernst meint. Denn eine ernst gemeinte Aufarbeitung muss verantwortungsvoll und sachlich stattfinden. Nur dann können wichtige Schlüsse für die Zukunft gezogen werden.

Mit Blick auf mögliche Fehlentscheidungen der Corona-Zeit tobt seit einiger Zeit in der Gesellschaft ein Kampf um die Deutungshoheit. Kann die Enquete helfen, diesen zu befrieden?

Ja, genau das ist eine zentrale Hoffnung, die wir mit der Kommission verbinden. Die Pandemie war für viele Menschen eine tiefgreifende Erfahrung – mit Unsicherheiten, Ängsten und auch Verletzungen. Wir sehen, dass sich daraus ein Bedürfnis nach Orientierung, nach Aufklärung und auch nach Anerkennung des Erlebten entwickelt hat. Die Enquete kann helfen, diese Debatten zu versachlichen und Gräben zu überbrücken – indem sie die Perspektiven der Betroffenen ernst nimmt, wissenschaftlich fundiert arbeitet und transparent kommuniziert. Nur mit einem ehrlichen Blick auf das, was gelungen ist – und das, was nicht – kann neues Vertrauen entstehen. Gerne hätten wir darüber hinaus einen Bürgerrat eingesetzt, der direkt ein noch breiteres Bild der Auswirkungen und Erfahrungen auf die Gesellschaft hervorbringen würde.

Dagmar
Schmidt

Ich wünsche mir, dass wir am Ende einen Bericht in den Händen halten, der nicht nur Fakten zusammenträgt, sondern auch Haltung zeigt.

Wann wäre die Arbeit der Enquete-Kommission aus Ihrer Sicht ein Erfolg?

Ich wünsche mir, dass wir am Ende einen Bericht in den Händen halten, der nicht nur Fakten zusammenträgt, sondern auch Haltung zeigt: dass wir bereit sind, aus Fehlern zu lernen, und dass wir die Erfahrungen der Menschen wirklich ernst nehmen. Ein Erfolg wäre für mich, wenn wir Empfehlungen entwickeln, die unseren Sozialstaat krisenfester machen, die die öffentliche Kommunikation verbessern und die die Resilienz von Kindern, Familien, Pflegekräften, Selbstständigen und vielen anderen stärken. Und wenn am Ende deutlich wird: Die Demokratie kann sich selbst hinterfragen – und gerade dadurch stärker werden. Und am meisten würde ich mich freuen, wenn wir es auch schaffen, die Empfehlungen dann auch mit einer breiten demokratischen Mehrheit umzusetzen. 

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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3 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 26.06.2025 - 12:06

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Wird ja langsam Zeit. Zum Einen sind da die wissenschaftlichen Einschätzungen und Fehleinschätzungen - manche meinen aich gekaufte Expertise und ganz unwissenschaftliche eine Antithese nicht zuzulassen. Das muss unbedingt geklärt werden denn so nimmt die Wissennschaft Schaden. Zum Anderen sind finazielle Verstrickungen und Bereicherungen gerichtlich aufzuklären und zu ahnden. Daß die Fehlleister sich gegenseitig Orden umhängen macht nichts besser - alle zurück. Strafmaßnahmen müssen entschädigt werden. Wer als "Experte" wissentlich oder unwissentlich versagt hat sollte sich zurück ziehen.
Bei Beschaffungskriminellen will ich Handschellen klicken hören.

Gespeichert von Markus Frieauff (nicht überprüft) am Fr., 27.06.2025 - 16:52

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Eine Aufarbeitung, die sich nicht detailliert mit den Impfungen, den politischen Entscheidungen dazu und den Folgen der Impfungen befasst, wäre nicht viel wert. Die Reform von RKI, PEI und STIKO muss dabei ebenso Thema sein wie die politische Einflussnahme durch Spahn und Lauterbach. Sehr bemerkenswert dazu die detaillierte Stellungnahme der Ärzte für individuelle Impfentscheidung:
https://individuelle-impfentscheidung.de/aktuelles/detail/stellungnahme…

Solche kritischen Fachleute müssen an der Arbeit der Kommission beteiligt werden!

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Do., 10.07.2025 - 07:41

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Die SPD hätte sich zu einem Untersuchungsausschuss durchringen müssen, um die damit verbundenen Zwangsmittel bei Zeugenbefragungen einsetzen zu können. Dass dies nicht geschehen ist zeigt, dass die SPD noch immer zuerst die Verantwortlichen in den eigenen Reihen schützen will. Eine Aufarbeitung der Coronazeit ist damit gescheitert, bevor sie überhaupt beginnt.

Wenn man wirklich die gesellschaftliche Spaltung angehen will, muss man diese im Rahmen der Aufarbeitung auch abbilden und aufnehmen. Es muss Raum für die Vertreter der Menschen geben, die Opfer sind und mit Tätern abrechnen wollen. Und auch in der Politik gab es Täter, die lauthals Entscheidungen gefordert oder getroffen haben, mit den sie heute lieber nicht mehr konfrontiert werden wollen. Daran geht kein Weg vorbei. Aber genau das ist nicht gewollt, wen ich das Interview hier lese.

Fakten- und wissenschaftsbasiert war die Corona-Politik hierzulande jedenfalls nicht und auch das muss ins Zentrum gerückt werden.