Homeoffice nach der Pandemie: Was ver.di vorschlägt
imago images/Westend61
Aus der Sicht von ver.di: Wie bewerten Sie die Erfahrungen mit mobiler Arbeit bzw. Homeoffice nach zwei Jahren Pandemie?
Ich würde unsere Erfahrungen mit dem Corona-bedingten Homeoffice als eine Erfahrung mit Licht und Schatten beschreiben. Es gibt das Bedürfnis vieler Menschen mehr zu Hause zu arbeiten. Die Pandemie hat aber auch gezeigt, dass beispielsweise beim Thema Vereinbarkeit viel gegen Homeoffice spricht, weil Frauen vermehrt Sorgearbeit leisten. Für ver.di folgt daraus, dass an das Homeoffice und an das mobile Arbeiten klare Ansprüche formuliert werden müssen. Es ist gut, dass im vergangenen Jahr im Betriebsverfassungsgesetz die Mitbestimmung von Betriebsräten bei der inhaltlichen Ausgestaltung mobiler Arbeit erstmals eingefürht und gestärkt wurde, leider aber bleibt der Betriebsrat bei deren Einführung weiterhin außen vor. Dies muss geändert werden.
Nun wurde die Empfehlung zum Homeoffice im März aufgehoben. Wie sehen die Übergangsregelungen aus?
Es gab ja bislang keine gesetzlichen Regelungen, sondern nur Empfehlungen. Manche Betriebsräte haben dort, wo die Sozialpartnerschaft gut ist, Betriebsvereinbarungen zum mobilen Arbeiten schnell gestrickt, die bereits wirken. Dies ist nur in Betrieben mit Betriebsrat gelungen. Ver.di versucht die Lücke an betrieblichen Regelungen zum Teil über sogenannte Digitalisierungstarifverträge auf Tarifebene zu vereinbaren. Und wir stellen fest, dass sich Arbeitgeber*innen insgesamt zum Thema Homeoffice immer noch ein bisschen sperrig verhalten.
Was sollte vertraglich geregelt werden?
Geregelt werden muss, wer wie oft einen Anspruch hat und wie der Arbeitsplatz zu Hause aussieht. Wir unterscheiden hierbei zwischen Telearbeit und mobiler Arbeit. Telearbeit bedeutet, dass ich meinen Arbeitsplatz mit allem Equipment nach Hause verlagert bekomme. Wir sind der Meinung, dass auch beim mobilen Arbeiten an vielleicht zwei oder drei Tagen pro Woche der Arbeits- und Gesundheitsschutz im Home Office eingehalten werden muss. Zudem ist der Datenschutz ein wichtiger Teilaspekt.
Wie soll es aus gewerkschaftlicher Sicht nun weitergehen?
Auf kollektivrechtlicher Ebene würde ein Initiativrecht für Betriebsräte helfen. Sie sollten auch über die Einführung von Homeoffice mitbestimmen können, so wie es die aktuelle Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vorsieht, die vom DGB und seinen Einzelgewerkschaften im April vorgestellt wurde. Dabei ist klar, dass Homeoffice in den Betrieben möglichst passgenau vereinbart werden muss, weil jede Branche ihre eigenen Gepflogenheiten hat. Es gibt tatsächlich Jobs, die man besser im Büro machen kann, aber eben auch viele, die sich flexibel von daheim gestalten lassen. Wir befürworten eine Kombination aus Tagen daheim und im Büro. Diesen Trend sehe ich derzeit auch in den Unternehmen. So lassen sich positive Eigenschaften des Homeoffice bewahren, wie den Wegfall langer Anfahrtswege, gleichzeitig bleibt beispielsweise die Anbindung zum Betrieb bestehen, die ebenfalls wichtig ist.
Was halten Sie von einem gesetzlichen Recht auf Homeoffice?
Auch ein gesetzlicher und damit individualrechtlicher Anspruch auf mobiles Arbeiten wäre sinnvoll. Das könnte ähnlich gestaltet sein wie beim Recht auf Teilzeit, wie es im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelt ist. Beschäftigte haben hier das Recht auf eine zeitlich befristete Teilzeit. Nur wenn begründete betriebliche Interessen dagegensprechen, können Arbeitgeber*innen diesen Anspruch ablehnen, was in vielen Fällen nicht der Fall sein wird.
Nun können nicht alle Beschäftigten Homeoffice machen. Ergibt sich daraus ein Problem?
Schwierig kann es in einem Betrieb werden, wo beide Möglichkeiten vorhanden sind. Nehmen wir als Beispiel die Stadtreinigungen. Die einen fahren raus bei Wind und Wetter und die Kolleg*innen in der Verwaltung machen problemlos Homeoffice. Je mehr ich das voneinander entferne, desto mehr verlieren sich auch die Gemeinsamkeiten der Beschäftigten. Hier sollte man mit Augenmaß draufschauen: Homeoffice sollte mit Präsenztagen abwechseln. Eine weitere Gefahr, die sich daraus ergibt, Arbeit komplett auszulagern, sehen wir darin, dass Büroeinheiten immer kleiner werden. Homeoffice kann aus Sicht der Arbeitgeber*innen eine Menge Geld sparen – hier entsteht ein Ungleichgewicht zugunsten der Unternehmen, die dies aus reiner Profitoptimierung anbieten.
Es sollte demnach ein Recht auf Homeoffice geben, aber dies sollte nicht die ausschließliche Form des Arbeitens sein?
Letztendlich ist es auch eine kulturelle Frage. Wie sprechen wir miteinander? Das persönliche Gespräch lässt sich virtuell nicht ersetzen. Das gilt auch für die gewerkschaftliche Arbeit und die Interessenvertretung in einem Unternehmen. Betriebsversammlungen lassen sich meiner Meinung nach dauerhaft nicht ausschließlich digital abhalten, sondern sollten auch präsent stattfinden. Wir erreichen die Menschen zwar auch digital, aber ihre aktive Teilnahme findet durch Präsenz statt. Reines Homeoffice tut der Gewerkschaftsarbeit nicht gut, vor allem solange nicht, wie wir keine gesetzlich festgelegten digitalen Zugangsrechte haben.
Kerstin Jerchel ist Leiterin des Bereichs Mitbestimmung der ver.di Bundesverwaltung.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.