Vom Parteitag beschlossen: Warum die SPD ein AfD-Verbotsverfahren will
Die AfD gefährdet die Demokratie - darüber waren sich die Delegierten beim Bundesparteitag der SPD einig. Deswegen votierten sie einstimmig für einen entscheidenden Schritt.
IMAGO/dts Nachrichtenagentur
AfD-Verbot jetzt: Die gleichnamige Initiative zeigte Flagge am Rand des SPD-Bundesparteitages in Berlin.
Als Ali Kaan Sevinc am Sonntag beim SPD-Bundesparteitag in Berlin ans Mikrofon tritt, kommt eine traumatische Erfahrung wieder hoch. Anfang Februar, mitten im Bundestagswahlkampf, wurden er und ein weiterer Genosse in Essen von einem Mann angegriffen und bedroht. Der Mann habe sich als AfD-Unterstützer bezeichnet, berichtete Sevinc damals gegenüber Radio Essen. Es ist eines von vielen Beispielen dafür, dass es Anhänger der AfD in der Auseinandersetzung mit ihren Gegner*innen nicht bei verbalen Ausfällen belassen.
„Faschismus kann man nicht entzaubern, man muss ihn bekämpfen“
Sevinc ist einer von 25 Redner*innen, die beim Parteitag für den Initiativantrag des Parteivorstands für eine Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD werben. Sevinc bezieht sich auch auf den jenen Übergriff, um vor den Gefahren zu warnen, die von der AfD ausgehen. Für Sevinc und etliche weitere Genoss*innen ist klar: Die AfD ist keine politische Konkurrenz, sondern eine Bedrohung für die Demokratie und humanitäre Werte in Deutschland. „Faschismus kann man nicht entzaubern, man muss ihn bekämpfen“, fordert Beatrice Wiesner, Delegierte aus Rheinland-Pfalz, mit Blick auf einige Stimmen, die sagen, man müsse die AfD inhaltlich stellen, um sie zu besiegen.
„Thüringen ist wohl das Land, wo die AfD auf dem Weg, die Demokratie von innen zu zersetzen, am weitesten ist“, sagt Georg Maier. Der Innenminister von Thüringen, wo die AfD die stärkste Kraft ist, begründet den Initiativantrag, der unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft Wehrhafte Demokratie zustande gekommen ist. „Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter werden verächtlich gemacht“, berichtet Maier über das Gebaren von AfD-Politiker*innen. Zudem könnten derzeit keine Richter*innen gewählt werden, weil die AfD mit ihrer Sperrminorität immer wieder verhindere, dass der zuständige Wahlausschuss zusammentreten kann.
„Die AfD hat erst begonnen, die Demokratie zu zerstören“, warnt er. „Jetzt ist die Zeit, mutig zu sein und die Instrumente zu nutzen, um die Verfassung zu verteidigen“, so Maier analog zu einem Zitat von Carlo Schmid, einen der „Väter“ des Grundgesetzes.
Georg Maier: „Um nachzuweisen, dass die AfD menschenfeindlich ist, braucht man keinen Verfassungsschutz“
Das Risiko, nichts zu tun, sei größer, als vor Gericht eine Niederlage zu kassieren, sagt Maier mit Blick auf die beiden gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD 2003 und 2017. „Die AfD ist wirkungsmächtig und gefährlich, das zeigen die Wahlergebnisse in Ostdeutschland. Um nachzuweisen, dass die AfD menschenfeindlich ist, braucht man keinen Verfassungsschutz, dazu reicht ein Blick in die Landtage und Social Media.“ Die AfD sei eine völkische Partei, ihre Ziele würden Artikel 1 des Grundgesetzes widersprechen, der besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die innerhalb der AfD diskutierten Pläne zur „Deportation von unerwünschten Menschen“ würden dies klar belegen.
Auch der Initiativantrag warnt in aller Deutlichkeit vor der Partei, die im Bundestag derzeit die zweitgrößte Fraktion stellt. „Für uns als SPD ist klar erkennbar, dass die AfD mit der Unterstützung illiberaler und demokratiefeindlicher, rechtsextremer Netzwerke das Ziel verfolgt, mit den Mitteln der Manipulation und Desinformation, der Verunsicherung und der Spaltung unserer Gesellschaft unsere freiheitliche demokratische Grundordnung systematisch zu beeinträchtigen“, heißt es darin.
Die AfD verspotte demokratische Verfahren, unterlaufe bewusst parlamentarische Regeln und nutze ihre Mandate nicht zur Mitgestaltung, sondern zur bewussten Verächtlichmachung und Schwächung der demokratischen Ordnung. „Ihr Ziel ist es, die freiheitlich-demokratische Grundordnung von innen heraus zu zersetzen. Dieses Vorgehen ist von autoritären Bewegungen historisch bekannt – und unsere Geschichte mahnt uns, solchen Angriffen rechtzeitig und entschlossen entgegenzutreten.“
Antrag: Voraussetzungen für Verbotsverfahren gegen die AfD einleiten
Daher will sich die SPD auf allen Ebenen für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht nach Artiker 21 Grundgesetz einsetzen. Die antragsberechtigten Verfassungsorgane, also Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat, sollten die Voraussetzungen schaffen, um unverzüglich einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD zu stellen. Dafür ist eine Mehrheit in einem der Verfassungsorgane notwendig - in allen drei Verfassungsorganen ist die SPD also auf weitere Unterstützung angewiesen.
Die SPD will darauf hinwirken, dass eine Bund-Länder Arbeitsgruppe mit Materialien für ein Feststellungsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sammelt und prüft. Sofern ausreichendes Material vorliegt, soll eines der antragsberechtigten Verfassungsorgane ein Verbotsverfahren gegen die AfD einleiten. Darüber hinaus will die SPD die politische Auseinandersetzung mit der AfD vorantreiben.
Als der Antrag einstimmig beschlossen wird, setzt tosender Applaus ein. Die meisten Delegierten erheben sich von ihren Stühlen. Es ist einer der emotionalen Höhepunkte des Parteitags. Katja Pähle vom Tagungspräsidium holt die Genoss*innen zurück auf den Boden der Tatsachen. „Diese Entscheidung war ein wichtiger Schritt. Aber der Weg ist lang“, so die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt.
Bitte kein Schnellschuß
Das ging mit dem Herrn Elsässer auch schon schief.
Das beste Mittel die afd zu bekämpfen wäre, daß die SPD wieder SOZIALDEMOKRATISCHE Politik macht. Das sehe ich beim jetzigen Spitzenpersonal nicht gegeben und auch der Parteitag wird daran nichts ändern.
Na das hat der Bundesparteitag ja prima hingekriegt!
Bei der Debatte über eine Friedensordnung und die maßlose Erhöhung der Rüstungsausgaben bestand ohnehin keine Gefahr, dass sie Einfluss auf das regierungsamtliche Verhalten der Genossen Minister nehmen könnte. Der Parteitag hat bezüglich der jüngsten Wahlniederlage auch keine signifikanten Konsequenzen gezogen. Das einzige, was den Bundesparteitag eint, ist das AfD-Verbot. Frei nach dem Prinzip:
Umverteilung? Keineswegs, lieber Verfassungsschutz!
Friedensordnung und Rüstungskontrolle? Wer braucht das, wenn er die AfD verbieten kann?
Die SPD hat den schlechtesmöglichen Einigungspfad gewählt und schiebt diesen jetzt auch konsequent medial in den Vordergrund. Den Gegnern sozialdemokratischer Politik kommt das gelegen, denn mit dem AfD-Verbot gefährdet die SPD nicht die Besitzstände der Vermögenden. Im Gegenteil, sie hilft bei deren Sicherung durch eine Beteiligung am Teile&Herrsche.
Die AfD ist eine Protestpartei und damit zuerst einmal Opposition. Wer soll die SPD für Lawfare wählen?