Vier Jahre Donald Trump: Jetzt braucht es Widerspruch
Die Amtseinführung von Donald Trump war eine groteske Aneinanderreihung von Schuldzuweisungen und Heilsversprechen. Erschreckend ist, wieviele sich auch in Deutschland damit abzufinden scheinen. Denn gerade wir müssten wissen, wohin so etwas führt.
IMAGO / ZUMA Press Wire
Kette eines Trump-Anhängers am Rande der Amtseinführung am 20. Januar: Verblendung, die in Abgründe führt
Es geschah am 20. Januar 2025 gegen 19.40 Uhr MEZ. Im Rahmen seiner Berichterstattung über die Inauguration von Donald Trump als 47. Präsidenten der USA übertrug der Nachrichtensender Phoenix live auch die Rede, die Donald Trump nach der offiziellen Feier im Capitol vor seinen Anhänger*innen hielt. Langatmig schwadronierend ergeht sich Trump in seinen Lügenmärchen über den Sturm seiner Anhänger*innen auf das Capitol 6. Januar 2021. Da scheint jemandem in der Regie von Phoenix der Kragen zu platzen. Er schreit in ein offensichtlich nicht abgeschaltetes Mikrophon: „Wie lange wollt ihr bei dem Scheiß bleiben?“ Kurz danach blendet sich der Sender aus der Live-Berichterstattung und setzt seine Diskussionsrunde im Studio fort.
„America first“ in unzähligen Variationen
Ja, an diesem Abend fragen sich nicht Wenige: Wie lange müssen wir diese schrecklich-gefährliche Trump-Politik, vor allem aber ihre Erklärer*innen und Rechtfertiger*innen bei uns ertragen? Denn eines ist überdeutlich: Immer mehr Politiker*innen, immer mehr Journalist*innen, immer mehr sogenannte Expert*innen, aber auch immer mehr Bürger*innen scheinen sich damit abzufinden, dass im Weißen Haus nun ein Mann sitzt, der abseits jeglicher Moral und jeglichen Respekts vor der Meinung anderer eine systematisch nationalistische, die Natur rücksichtslos ausbeutende, imperialistische Politik betreibt.
Kein einziges Wort hat Trump in seiner Rede zur Notwendigkeit von internationaler Zusammenarbeit verloren, stattdessen in unzähligen Variationen „America first“ skandiert. Es war geradezu grotesk, wie Trump die zerstörerischen Folgen des Klimawandels, die Feuerbrünste in Kalifornien und die verheerenden Hurrikans in North Carolina der in seinen Augen korrupten Elite Washingtons, der neben ihm sitzenden Biden, Harris, Obama, Clinton in die Schuhe schob – also den Repräsentant*innen des demokratischen Amerikas, die durch ihren Anstand den Anschein eines normalen Regierungswechsels in einem demokratischen Staat wahren wollten. Doch das zerbrach an Donald Trump, dem Präsidenten, der den von ihm am 6. Januar 2021 initiierten Putsch nun legalisiert und der diesen sicher mit ganz anderer Wucht wiederholt hätte, wenn er die Wahlen am 5. November 2024 verloren hätte.
Erinnerungen an das Deutschland der 30er Jahre
Was sich vor diesem Hintergrund in diesen Tagen in zahllosen Diskussionen und Statements bei uns abspielt, kommt mir vor wie ein willenloses Nachplappern bzw. Hinnehmen größten Unsinns einer immer mehr in Trance versetzten Politriege ohne jedes Rückgrat, aber coole Abgeklärtheit vorspiegelnd. Das erinnert mich zunehmend an Frauen, die in den 30er Jahren mit leuchtenden Augen am Straßenrand dem im offenen Wagen vorbeifahrenden Führer als ihrem Erlöser zujubelten.
Wer das heute sieht und an das grausige Ende des Jubels denkt, steht fassungslos davor, in welche Abgründe Verblendung Menschen führen kann. Kein Wunder also, dass sich Trump in seiner Rede auch noch selbst als den von Gott vor dem Märtyrertod bewahrten Retter der Nation bezeichnete und dafür frenetisch feiern ließ. Dies alles wurde dann noch übergossen mit einer ekelhaften religiösen Sauce von blasphemischen Gebeten.
Es gab allerdings eine sehr entlarvende Szene in diesem infernalischen Theater: Als Trump die Eidesformel sprach und seine neben ihm stehende Frau zwei Bibeln in der Hand hielt, legte Trump seine linke Hand nicht darauf – wenigstens das: der einzige ehrliche Moment an diesem Tag im Capitol. Bleibt die Frage an jeden von uns: Wie lange … ?
Der Text erschien zuerst im Blog des Autors.
Wolfgang Zeyen
ist evangelischer Theologe und seit 2014 als Blogger und Berater für Kirche, Politik und Kultur tätig. Seit 1970 ist er Mitglied der SPD.
Trumpismus
D A N K E !!! für diesen ausgezeichneten, kurzen Kommentar.
Helmut Gelhardt, Sprecher Gerechter Welthandel der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) DV Trier und LV RLP
Trump + Co.
Dass Trump auch hierzulande viele etwas positives abringen liegt nicht zuletzt an der desaströsen Politik der US-Demokraten um Biden, Obama und den Clintonclan.
Ob eine deutsche Bundesregierung und eine EU noch soviel Rückgrat finden daß sie einigen Nuancen von dessen Politik widersprechen ist noch offen. Ich meine seine zB imperialistischen Ambitionen in Punkoe Grönland oder Panama nicht den ganzen kulturpolitischen Unfug von Identitätsgschwurbel und Wokismus; das fällt den Grünen (Gelbhaar) nun auch schon auf die Füße.
„Systematisch nationalistische,_1
die Natur rücksichtslos ausbeutende, imperialistische Politik“
- anders kann man wohl nicht beschreiben, was da aus den USA droht. Und Christian Wolff hat nur die offensichtlichen Gefahren benannt, nicht aber die „Kollateralschäden“.
Unabweislich drängt sich der Vergleich Trump – Putin auf. Allein beide vergleichen zu wollen und zu dürfen, ist für uns/ den Westen ein intellektuell-moralischer Kollateralschaden, denn er räumt Putins Alleinstellungsmerkmal ab, größter aller Bösewichte zu sein.
Putin hat zwanzig Jahre lang mit uns, dem Westen, verhandelt, uns politische Angebote gemacht, unseren Wohlstand mit günstigem Gas und Öl gefördert, auf die Missachtung der Sicherheitsinteressen seines Landes verwiesen, trotzdem die Nato-Osterweiterung bis 2004 um 10 ehemalige Warschauer-Pakt-Staaten hingenommen und, ja, auch gedroht und die Nato-Erweiterung um die Ukraine und Georgien als rote Linie gesetzt, um deren Natobeitritt zu verhindern.
„Systematisch nationalistische"_2
Trump postulierte von heute auf morgen strategische nationale Sicherheitsinteressen auf den Panama-Kanal, Canada und Grönland, obwohl kein russischer Militärpakt, nicht einmal ein politisch-wirtschaftlicher Zusammenschluss wie BRICS einen Versuch gemacht haben, Grönland, Kanada oder Panama an sich zu binden – Canada und Grönland will er gar den USA einverleiben. Trump gibt seinen Forderungen Gewicht mit wirtschaftlichen und militärischen Drohungen der größten Wirtschafts- und Militärmacht.
Das Narrativ unserer Wortgewaltigen über die Entstehung des Kriegs um die Ukraine ist die „imperiale Besessenheit“ (Steinmeier) Putins. Das war schon immer falsch, und alle politisch Beteiligten wussten und wissen das. Spätestens seit Kamala Harris ist jedem Zeitgenossen klar, dass „Amerika nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine steht, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist“ (Spiegel, 15.6.24).
„Systematisch nationalistische"_3
Trump hat durch seine nationalen sicherheitspolitischen Forderungen gegenüber Nato-Mitgliedern klargemacht, dass nationale Sicherheitsinteressen letztlich kein Völkerrecht kennen, keine Rücksichten, keine Verbündeten. Wenn in einer Konfliktlage aus strategischen Interessen ein Beteiligter praktiziert, was die SPD in ihrem Wahlprogramm durchzuführen verspricht, dass „für uns militärische Stärke und Diplomatie zwei Seiten der gleichen Medaille“ sind, dann ist Krieg vorprogrammiert. Anders als unser Narrativ behauptet, ist der Ukraine-Krieg ein Krieg aus geostrategischen Interessen.
Ein Narrativ unserer Wortgewaltigen, den Krieg in der Ukraine bis zur militärischen Niederlage Putins auszukämpfen, ist die Annahme, dass vom Ausgang des Krieges andere Despoten, z. B. China, angeregt werden, ihre Ansprüche militärisch einzufordern. Trump zeigt uns, dass Großmächte keine Präzedenzfälle brauchen, um ihre Sicherheitsinteressen durchzusetzen.
„Systematisch nationalistische"_4
Um diesen dritten „Kollateralschaden“ zu erkennen, hätten wir nicht Trump benötigt – ein Blick in die Geschichte der letzten 50 Jahre belegt das auch.
Widerstand gegen Trumpismus ist gut und dringend geboten. Das Wolf-Rezept dafür ist zugleich schlicht und überragend (wenn es weit ausgelegt wird): "Sich nicht für jedes noch so kleine Einzelinteresse einzusetzen, sondern sich auf das Wohlergehen aller zu konzentrieren. Also vor allem auf die Wirtschaft und das Eintreten für die, denen es trotz harter Arbeit schwerfällt, gut über die Runden zu kommen“. Wir aber haben Konfrontation, Aufrüstung – 5% vom BIP ist (fast) gesetzt – und Abschreckung gewählt.
Kleiner Hinweis zum Wolf-Text: Es waren nicht nur Frauen, „die in den 30er Jahren mit leuchtenden Augen am Straßenrand dem im offenen Wagen vorbeifahrenden Führer als ihrem Erlöser zujubelten“.