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J.D. Vance: Was das Buch „Hillbilly-Elegie“ über Trumps Vize verrät

Wenn Donald Trump am Montag als Präsident der USA vereidigt wird, zieht J.D. Vance als sein Stellvertreter mit ins Weiße Haus ein. Was den 40-Jährigen antreibt, hat er selbst vor einigen Jahren in seiner Autobiografie aufgeschrieben. Es könnte noch wichtig werden.

von Kai Doering · 20. Januar 2025
Er könnte Trumps Nachfolger als US-Präsident werden: J.D. Vance

Er könnte Trumps Nachfolger als US-Präsident werden: J.D. Vance

Als die „Hillbilly-Elegie“ 2016 in den USA erschien, wurde sie schnell zum Bestseller. Der damals 31-jährige J.D. Vance beschreibt darin seine Kindheit und Jugend in einer entlegenen Ecke von Ohio – die Mutter drogenabhängig und mit ständig wechselnden Partnern, die Großmutter schießwütig und mit Hang zu Gewaltausbrüchen. 2017 erschien das Buch auch auf Deutsch. Der Ullstein-Verlag entschied sich im vergangenen Jahr jedoch, den Vertrag mit Vance nicht zu verlängern, wegen dessen „aggressiv-demagogischer, ausgrenzender Politik“. Seither erscheint die „Hillbilly-Elegie“ in Deutschland im kleinen YES-Verlag.

Mit Hilfe der Armut entkommen

Der Verlagswechsel sagt auch einiges über den Wandel aus, den Vance – J.D. steht für James David – selbst durchgemacht hat. Als die „Hillbilly-Elegie“ 2016 erschien, arbeitete er als Geschäftsführer einer Investment-Firma. Zuvor hatte Vance sein Jura-Studium an der Elite-Universität Yale abgeschlossen. Dass es Vance einmal so weit bringen würde, hätte er selbst wohl am wenigsten für möglich gehalten. „Wer von Armut umgeben ist und in einer Gegend aufwächst, in der die meisten Kinder nur einen Elternteil haben, hat wirklich sehr beschränkte Möglichkeiten“, schreibt er in „Hillbilly-Elegie“. „Es bedeutet, dass man niemanden hat, der einem zeigt, was geschieht, wenn man hart arbeitet und sich weiterbildet.“

Dass Vance dennoch die Kurve kriegte, lag zum großen Teil an seiner Großmutter – und am Militär. „Und es gab Lehrer, entfernte Verwandte und Freunde, denen mein Schicksal nicht egal war. Wenn man nur einen dieser Menschen aus der Gleichung gestrichen hätte, wäre es vermutlich böse für mich ausgegangen.“ Doch „Hillbilly-Elegie“, die 2020 auch für „Netflix“ verfilmt wurde, ist mehr als nur die Autobiografie eines 31-Jährigen, der den Aufstieg geschafft hat. Sie ist auch und vor allem das Porträt einer gesellschaftlichen Gruppe in den USA, die lange von der Politik nicht beachtet wurden: die weiße Unterschicht.

Gleichzeitig ist es eine Abrechnung mit dem fernen Washington, das die Menschen in der Peripherie vergisst und ihnen nicht die Unterstützung zukommen lässt, die sie bräuchten. „Ein Teil des Problems liegt darin, wie die bundesstaatlichen Gesetze eine Familie definieren“, schreibt Vance etwa und: „Wenn in einem Viertel alle Leute einkommensschwach sind, stehen auch weniger emotionale und finanzielle Ressourcen zur Verfügung.“ Vances Lehre daraus: Auf die Politik ist kein Verlass, sondern nur auf den eigenen Einsatz.

Vom Kritiker zum Verehrer Trumps

Kein Wunder, dass „Hillbilly-Elegie“, das während des Präsidentschaftswahlkampf 2016 erschien, schnell als Erklärbuch für den Aufstieg Donald Trumps gefeiert wurde – ähnlich dem Buch „Rückkehr nach Reims“ des Soziologen Didier Eribon in Frankreich. Erstaunlich ist dagegen die Wandlung, die J.D. Vance seitdem vollzogen hat. In einem Artikel für die amerikanische Zeitschrift „The Atlantic“ schrieb er im Juli 2016, Donald Trump sei „ungeeignet für das höchste Amt der USA“. Vor allem seine unbarmherzige Haltung gegenüber Einwander*innen kritisierte Vance deutlich.

Wie kommt es also, dass Vance nun, achteinhalb Jahre später, mit Trump als dessen Vize-Präsident ins Weiße Haus einzieht? Trump sei im persönlichen Umgang ganz anders als er in den Medien dargestellt werde, hat er mal gesagt. Eine schlüssige Erklärung von Vances 180-Grad-Wende ist das nicht. Klar ist aber, dass er sich Donald Trump komplett verschrieben hat – bis dahin, sich von ihm auf offener Bühne demütigen zu lassen. „J.D. Vance küsst mir den Arsch, er will unbedingt meine Unterstützung“, sagte Trump bei einem gemeinsamen Wahlkampfauftritt 2022. Vance kandidierte damals in Ohio erstmals für den Senat.

Vance könnte Trump beerben

Zwei Jahre später berief Trump Vance als seinen „running mate“ für das Weiße Haus. Sein Kalkül: Vance könnte diejenigen Wähler*innen gut ansprechen, über die er in „Hillbilly Elegie“ geschrieben hat. Ob Trump die umkämpften Swing States wie Ohio und Michigan nicht auch ohne Vances Hilfe gewonnen hätte, sei dahin gestellt. Im Wahlkampf machte er eher wegen umstrittener Äußerungen von sich reden wie der, über „kinderlose Katzen-Frauen“.

Interessanter ist aber die Frage, was aus Vance wird, jetzt, wo er Vize-Präsident ist. Nach dem Sieg Trumps war er in der Versenkung verschwunden. Stattdessen bestimmte ein anderer glühender Unterstützer Trumps die Agenda: der reichste Mann der Welt, Elon Musk. Doch auch wenn die die Macht von J.D. Vance als Vize-Präsident begrenzt ist – laut Verfassung besteht seine Aufgabe vor allem darin, Präsident des Senats und damit einer der beiden Kammern des Kongresses zu sein – dürfte sein Einfluss deutlich wachsen.

Hinzu kommt, dass Vance mit seinen 40 Jahren die Zukunft verkörpert, der 78-jährige Trump dagegen die Vergangenheit, zumal diese Amtszeit seine letzte sein wird. Gut möglich also, dass 2028 J.D. Vance als Präsidentschaftskandidat für die Republikaner ins Rennen gehen wird. Für die Amerikaner*innen würde dann ein Anhänger der Make-America-Great-Again-Bewegung ins Rennen gehen, wie er im Buche steht – das er sogar selbst geschrieben hat.

J.D. Vance: Hillbilly-Elegie. Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise, Yes Publishing 2024, ISBN 978-3969053614, 24 Euro

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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