Kultur

Wider den tierischen Ernst: Warum Lars Klingbeil einen Karnevalsorden erhält

Norddeutscher und Karneval – das ist kein Widerspruch, findet der Aachener Karnevalsverein. Im kommenden Jahr zeichnet er den Niedersachsen und SPD-Vorsitzenden mit dem Orden „Wider den tierischen Ernst“ aus. Das hat auch mit einer Rede aus dem vergangenen Jahr zu tun.

von Kai Doering · 7. August 2024
„Die Wahl ist uns sehr leichtgefallen.“ Der designierte Ordensträger Lars Klingbeil (l.) und der Präsident des Aachener Karnevalsvereins Wolfgang Hyrenbach

„Die Wahl ist uns sehr leichtgefallen.“ Der designierte Ordensträger Lars Klingbeil (l.) und der Präsident des Aachener Karnevalsvereins Wolfgang Hyrenbach

Eigentlich passt Lars Klingbeil gar nicht ins Raster. Als Norddeutscher und als Sozialdemokrat sei es mit dem Humor nicht weit her, sagt er selbst. Der Aachener Karnevalsverein (AKV) sieht das anders und wird dem SPD-Vorsitzenden im kommenden Jahr den Orden „Wider den tierischen Ernst“ verleihen. Das hat Vereinspräsident Wolfgang Hyrenbach am Mittwoch im Willy-Brandt-Haus verkündet.

Ritter Klingbeil und Knappe Ott

„Die Wahl ist uns sehr leichtgefallen“, sagte Hyrenbach bei einer Pressekonferenz in der SPD-Zentrale. In Zeiten von Kriegen und zunehmendem Hass besonders im Internet sei es wichtig, zu zeigen, dass Parteien anders miteinander umgehen können. „Um seine Argumente zu vertreten, setze Lars Klingbeil „auf Feinfühligkeit, aber auch auf die Mittel des Humors. Dem Elferrat des AKV imponiert diese Haltung sehr“, heißt es in der Begründung für die Wahl. Klingbeil gelinge es so, „den manchmal etwas faden Politikbetrieb mit treffsicheren Kommentaren und Pointen zu würzen“.

Der Orden „Wider den tierischen Ernst“ wird vom Aachener Karnevalsverein seit 1950 verliehen. Wer ihn trägt, wird als Ritter in den gleichnamigen Orden aufgenommen. Klingbeil wird der 75. Ritter sein. Der SPD-Vorsitzende bezeichnete die Auszeichnung am Mittwoch als „große Ehre“. Als „Knappe“ werde ihn der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD-Landtagsfraktion Jochen Ott zur Ordensverleihung am 8. Februar in Aachen begleiten.

Karnevalsrede am 8. Februar 2025

Nach einer Laudatio des diesjährigen Ordensträgers, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, muss dann Klingbeil selbst eine Karnevalsrede halten. Dabei wird er traditionsgemäß in einem großen Vogelkäfig stehen. „Achten Sie darauf, dass Friedrich Merz nicht an den Schlüssel kommt“, bat der SPD-Chef am Dienstag AKV-Präsident Wolfgang Hyrenbach. Der CDU-Vorsitzende Merz gehört dem Orden seit 2006 an. Sozialdemokratische Ordensträger*innen sind u.a. Helmut Schmidt (als Verteidigungsminister 1972), NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (1986) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (1998). Der letzte Ordensträger mit SPD-Parteibuch war 2004 der damalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf.

Lars Klingbeil ist das Aachener Karnevalspflaster bereits bekannt. 2023 hielt er hier eine viel beachtete Karnevalsrede und griff sogar spontan auf Bitten der Moderatorin zur Ukulele. „Ganz Aachen erinnert sich an Ihre Feuertaufe im letzten Jahr. Das war wirklich grandios“, lobte Wolfgang Hyrenbach am Dienstag. Und auch Lars Klingbeil zeigte sich optimistisch, im Februar eine gute Rede zu halten. „Die Ampel wird dafür sicher noch die eine oder andere Steilvorlage bieten.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 09.08.2024 - 10:19

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Ist das nicht schön?!
Klingbeil, der „Stratege des Jahres“ 22, (fast) direkter Nachfolger von Frau Baerbock, deren Ruhm und Ehre er 2023 in einer Phalanx mit „der Allergeilsten“ (Strack über Zimmermann) minnesang. Der Vorwärts nannte das ritterliche Großereignis schnöde „viel beachtete Karnevalsrede“ und vergaß glatt, die personelle Umgebung zu erwähnen.
Tatsächlich spricht Klingbeil viel Ritterliches aus, das auch ideeller Hintergrund der genannten Phalanx ist: „Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung“ sollte „Deutschland heute „(wieder) militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen“ bereit sein. Er schließt sich damit nicht etwa Putin an, der nach dieser ritterlichen Binsenwahrheit handelt, sondern posaunt nur eine gewissermaßen konstitutive Eigenschaft einer Großmacht aus, nämlich dass „ein ´großer Akteur` die Fähigkeit und Bereitschaft zur Führung von Pazifizierungsoperationen in der Peripherie besitzt“ (Herfried Münkler, Blätter ..., 10(2021)66). (Zur Klarstellung. Natürlich gilt das nur für uns, die Guten, aber auf gar keinen Fall für den bösen Putin; bei Israel schwanken wir noch, jedenfalls beim Maß der Gewaltanwendung.)

Für einen Ritter geradezu untypisch, weil mit feiner Selbstironie, meint Klingbeil, dass sicherlich „die Ampel noch die eine oder andere Steilvorlage“ für die 2025 von ihm zu haltende Rede bieten werde. Vermutlich denkt er da an seinen Verteidigungsminister, der Bundeswehr und Gesellschaft „kriegstüchtig“ machen will, während Freund und Feind über Mützenich herfallen, weil der zu bedenken gibt, dass wir nicht nur über Kriegsertüchtigung intensiv nachdenken sollten, sondern endlich auch darüber, wie wir diesen verfluchten Krieg beenden könnten. Aber Ritter meinen wohl immer, dass Krieg am besten durch noch mehr Krieg zu beenden ist.
Ritter glauben auch wohl immer, den Heiligen Gral zu suchen und zu verteidigen – bis Kamala Harris kommt und klarstellt, "Amerika steht ... an der Seite der Ukraine, weil es in unserem strategischen Interesse ist."

Dem Ritterorden gehen langsam die geeigneten Fachkräfte aus.