Inland

Zukunft der Wehrpflicht: Die Zeichen stehen auf Freiwilligkeit

Kommt die Wehrpflicht wieder? In Kürze will Verteidigungsminister Boris Pistorius seine Pläne vorstellen, wie die Personallücke bei der Bundeswehr geschlossen werden soll. Die SPD setzt dabei vor allem auf Freiwilligkeit.

von Kai Doering · 30. Mai 2024
Sie waren die Letzten: Im Januar 2011 begannen die letzten Wehrpflichtigen ihren Grundwehrdienst bei der Bundeswehr.

Sie waren die Letzten: Im Januar 2011 begannen die letzten Wehrpflichtigen ihren Grundwehrdienst bei der Bundeswehr.

Weg war sie nie. Zwar wurden die letzten Wehrpflichtigen im Januar 2011 zur Bundeswehr eingezogen. Abgeschafft wurde die Wehrpflicht in Deutschland jedoch nie, nur ausgesetzt. Gut dreizehn Jahre später könnte sie nun wieder aktiviert werden. Russlands Angriff auf die Ukraine und 20.000 fehlende Soldat*innen haben die Debatte über die Wehrpflicht neu entfacht. Im Frühjahr hat sich Verteidigungsminister Boris Pistorius deshalb verschiedene Modelle in Skandinavien angesehen. Es heißt, er habe Sympathien für das schwedische Modell: Mit Erlangen der Volljährigkeit werden dort sämtliche Männer und Frauen eines Jahrgangs gemustert. Eingezogen werden aber vor allem diejenigen, die das auch ausdrücklich wünschen.

Ein kostenloser Führerschein als Anreiz

Bald will Pistorius seine Vorstellungen für Deutschland vorstellen. Noch wird im Verteidigungsministerium daran gearbeitet. „Ganz ohne Pflicht wird es nicht gehen“, kündigte Pistorius am Mittwoch bei „zeit-online“ an. Mittelfristig sei eine Regelung geplant, die es erlaube, junge Menschen auch gegen ihren Willen zum Wehrdienst einzuziehen.

Bei einer Sitzung des SPD-Präsidiums am Montag hat der Minister bereits erste Einblicke gewährt, wohin die Reise gehen könnte. Zwar habe es sich um „vertrauliche Beratungen“ gehandelt, wie SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nach dem Treffen betonte, doch ließ Kühnert bereits durchblicken, was der SPD wichtig ist. Und hier stehen die Zeichen klar auf Freiwilligkeit statt auf Pflicht.

„Die SPD ist daran interessiert, dass der Stellenbedarf der Bundeswehr gedeckt werden kann“, betonte Kühnert. „Dafür ist es nötig, mehr Menschen mit den Entwicklungsmöglichkeiten in der Bundeswehr zu konfrontieren.“ Infrage kämen dafür etwa „routinehafte Informationen“, also etwa ein Schreiben an alle Bundesbürger*innen mit Erreichen der Volljährigkeit, in dem über die Möglichkeiten bei der Truppe informiert wird. Attraktive Arbeitgeber seien in der Lage „auch auf dem freien Arbeitsmarkt Menschen für sich zu begeistern“, ist der SPD-Generalsekretär überzeugt. Die Bundeswehr könne etwa dadurch interessanter werden, indem sie die Möglichkeit bietet, kostenlos einen Führerschein zu erwerben.

„Die Lösung liegt nicht im Pflichtdienst“

Zudem wirbt Kevin Kühnert dafür den Dienst an der Waffe und den im zivilen Bereich „ganzheitlich“ zu sehen. Schon jetzt könnten die Angebote des Bundesfreiwilligendienstes die Nachfrage häufig nicht decken. Zudem seien die Rahmenbedingungen oft so gestrickt, dass sie für manche Freiwilligen zu hohe Hürden bedeuteten. „Solange wir noch Hürden haben, sollten wir von Pflichtdiensten und ähnlichem Abstand nehmen“, ist Kühnert überzeugt.

Ganz ähnlich sieht das Sönke Rix. Sowohl Bundeswehr als auch der soziale Bereich stünden heute vor Problemen. „Die Lösung liegt aber nicht darin, den Pflichtdienst wieder einzuführen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Stattdessen brauche es Strukturen. „um zuverlässig alle jungen Menschen eines Jahrgangs zu erreichen und sie mit dem Thema Engagement für Gesellschaft oder Staat zu konfrontieren“. Wer sich freiwillig für eine Tätigkeit im zivilgesellschaftlichen Bereich oder bei der Bundeswehr entscheide, müsse dann aber auch ein Stellenangebot bekommen.

Zwang führt nicht zu Akzeptanz

Und auch aus der Bundeswehr selbst sind die Reaktionen auf eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht eher verhalten. „Kurzfristig ist die Wiederbelebung der Wehrpflicht kein geeignetes Mittel, die Streitkräfte hinsichtlich des notwendigen Personals verteidigungsfähiger zu machen“, sagt die Sprecherin der SPD Betriebsgruppe Bundeswehr, Antje Ott. Nach 13 Jahren ohne Wehrpflicht gebe es dafür kein Verständnis mehr unter den jungen Erwachsenen. Auch die für eine Wehrpflicht notwendigen Strukturen seien „mit einer beispiellosen Gründlichkeit abgebaut“ worden.

Langfristig jedoch kann sich Ott einen Dienst für junge Menschen vorstellen. „Ein Jahr des eigenen Lebens seinem Land zu widmen, egal ob an der Waffe, in der Kinderbetreuung oder in der Pflege, ist sicherlich geeignet, die Resilienz unserer Demokratie gegen Einflüsse von außen und innen, die diese zu zersetzen suchen, zu erhöhen“, sagt sie. Allerdings schränkt Ott ein: „Allein durch Zwang wird das nicht nachhaltig akzeptiert werden und daher nicht gelingen, sondern nur in der Kombination mit Anreizen, etwa auch für den weiteren Bildungs- oder Berufsweg.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 30.05.2024 - 11:47

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Ja das Wort Wehrdienst war immer ein Euphemismus für Kriegsdienst, darum gibt es ja (noch) das Recht auf Kriegsdienstverweigerung (als Menschenrecht !).
Die ganze Debatte um Wehrdienst - nun auch geschlechtsneutral - und zwar Zwangsdienste zeigt doch ganz offen, daß wir von feudalen Verhältnissen noch nicht so weit weg sind, denn der Staat wird nicht gesehen als Gemeinschaft aller Bürger zum Nutzen ebenderselben sondern als Organ von Herrschenden um den Bürgern etwas aufzuzwingen. Da sollten wir mal ein bischen nachdenken - auch die Frau Ott.