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Lothar Binding im Wahlkampf: Mit dem Zollstock gegen die Mythen

Als Bundesvorsitzender der AG 60plus ist Lothar Binding auch in diesem Wahlkampf wieder „on Tour“. Dabei setzt er auf Fakten, Zusammenarbeit mit den jüngeren Generationen und seinen berühmten Zollstock.

von Finn Lyko · 7. Februar 2025
Mit seinem 60plus-Bus tourt Lothar Binding im Wahlkampf durch die Republik.

Mit seinem 60plus-Bus tourt Lothar Binding im Wahlkampf durch die Republik.

Als Lothar Binding seinen Zollstock zückt, zieht ein Mann in der ersten Reihe des Publikums sein Handy aus der Hosentasche und beginnt zu fotografieren. Der rote Zollstock ist seit Bindings Zeit als Heidelberger SPD-Bundestagsabgeordneter sein Markenzeichen. Mit ihm visualisierte der 74-Jährige im Plenarsaal in zahlreichen Reden finanzpolitische Sachverhalte – und erreichte damit so viel Bekanntheit, dass sich im Internet sogar Videozusammenschnitte davon finden lassen.

Der „Mann mit dem Zollstock“ und die Verteilungsfragen

2021 endete Lothar Bindings Zeit im Bundestag nach 23 Jahren, doch der Zollstock blieb – das zeigt sich auch an diesem Winterabend Anfang Februar in Frankfurt am Main. Hier ist Binding in seiner Funktion als Bundesvorsitzender der Senior*innen-Arbeitsgruppe der SPD, der AG 60plus, für eine Veranstaltung zu Wirtschafts- und Sozialpolitik im Kontext des demografischen Wandels. Eine Handvoll Genoss*innen der älteren Generation sind gekommen. Es geht um Pflege, um die Rente, um Steuern, Einkommen und Vermögen – kurzum: Es geht um Verteilungsfragen.

Auch deshalb fragt Lothar Binding in die Runde: „Wer ist der größte Lügner?“ – seine Antwort: „der Durchschnitt“. Denn der Durchschnitt, so erklärt er weiter, bilde weder die ab, denen es besonders gut gehe, noch die, denen es besonders schlecht gehe. Die Genoss*innen im Raum nicken konzentriert. Eine Finanzpolitik für den Durchschnitt, darauf will Binding hinaus, berücksichtigt weder die Armen noch die Reichen. Das ist die Botschaft, die er den Genoss*innen auf seiner Wahlkampftour mitgeben will – im besten Fall geben die sie dann an den Infoständen an interessierte Bürger*innen weiter. Denn auch darauf, auf solche Multiplikator*innen, kommt es im Wahlkampf an.

Auf Tour mit dem „Dialogbus“

Frankfurt am Main ist nur eine von vielen Städten, die der Vorsitzende der AG 60plus im Wahlkampf bereist. Einen ganzen Monat lang ist Binding vor allem im Süden und Westen der Republik mit seinem „Dialogbus“ unterwegs. Der „Dialogbus“ hat Platz für zwei Personen, genügend Flyer und Infomaterial und vor allem eins: jede Menge Requisiten. Die sind fester Bestandteil von Bindings politischem Inventar. Er spricht viel und gern in Bildern, und arbeitet im Wahlkampf viel mit Veranschaulichung, erzählt er. Zu diesen Requisiten gehören beispielsweise ein Glücksrad und drei Plastikröhren mit unterschiedlich vielen Kugeln drin, anhand derer Lothar Binding Steuergerechtigkeit erklärt.

Lothar Binding ist Finanzexperte und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft 60+ in der SPD.
SPDings – der „vorwärts“-Podcast

SPDings – der „vorwärts“-Podcast, Folge 28 mit Lothar Binding

23 Jahre lang saß Lothar Binding für die SPD im Bundestag. Doch auch nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament bleibt der Finanzexperte als Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft 60+ deutschlandweit aktiv. Immer mit dabei: der Zollstock, seit vielen Jahren das Markenzeichen des Heidelbergers.

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Oft kämen Menschen vor allem aus Neugier wegen des Glücksrads an den Infostand, erzählt er. „Da kann man Gummibärchen, einen Kugelschreiber oder ein Infoblatt gewinnen“, so Binding. Das sei natürlich nicht sehr viel, aber letztendlich käme es ja auf die Gespräche an, die daraus entstehen, findet er.

Und die haben es offenbar in sich, auch im Vergleich mit dem letzten Bundestagswahlkampf. Auf der einen Seite bemerke er eine wachsende Gleichgültigkeit der Menschen, erzählt Lothar Binding, „man muss noch aktiver auf die Leute zugehen“. Auf der anderen Seite meint der AG 60plus-Vorsitzende: „Der irrationale Anteil hat zugenommen“. Immer öfter sei er mit Menschen im Gespräch, die falsch oder sehr lückenhaft informiert seien, erklärt er. Doch selbst wenn er dann versuche, mit Fakten dagegen zu halten, werde es oftmals schwierig. Denn: „Immer weniger Leute wollen zugeben, dass sie sich irren“.

Lothar Binding: „Die Rente ist ein Zukunftsthema“

Besonders oft begegnen ihm dabei Mythen zum Thema Generationengerechtigkeit. Viele Menschen, mit denen er spreche, seien der Meinung, die SPD sei zu einer „Partei der Alten“ geworden, würde die jungen Menschen vernachlässigen und durch einen vermeintlichen Fokus auf Themen wie die Rente die ältere Generationen priorisieren. Lothar Binding sieht hier einen Denkfehler. „Bei uns ist die Rente durch, das ist kein Thema für uns, sondern ein Zukunftsthema“, meint er. „Wenn wir über eine stabile Rente reden, geht das eigentlich nur die an, die noch arbeiten“ – daher wundere es ihn, dass die Rente vor allem als Thema der älteren Generation wahrgenommen werde. Die AG 60plus beschäftige sich tatsächlich mit den verschiedensten Themen, so Binding – oft auch in Zusammenarbeit mit den Jusos.

Beim Thema Rente sieht Binding auch einen Kommunikationsfehler der SPD. „Es gibt leider sehr viele Mythen, die auch am Rednerpult des Bundestags wiederholt werden“, findet er, manches werde auch einfach „wirklich schlecht erklärt“. Er selbst sei zwar auch „kein Fachmann“, meint Binding, doch wenn man sich an diesem Abend im Raum der Frankfurter Genoss*innen umsieht, merkt man, dass das, was er mit bildlicher Sprache und seinem berühmten Zollstock zu erklären versucht, auch wirklich zu denen, die ihm zuhören, durchdringt.

Neue Argumente für den Straßenwahlkampf

Am Ende des Abends in Frankfurt gibt es dann noch Raum für Fragen und Diskussion. Bindings Ideen finden viel Zustimmung, einige Genoss*innen bedanken sich bei ihm für die klaren Worte. Er sei froh, nun neue Argumente für die Diskussionen im Straßenwahlkampf zu haben, sagt ein älterer Genosse.

Diese dürften schon bald zum Einsatz kommen. Denn die AG 60plus hat für den nächsten Tag einen Infostand geplant – direkt vor der Paulskirche, mitten in der Frankfurter Innenstadt. Die Jusos werden auch vor Ort sein, genauso wie Lena Voigt und Armand Zorn, die Direktkandidierenden der SPD Frankfurt. Früh morgens wollen sie bereits vor Ort sein, und trotz den angekündigten zwei Grad Höchsttemperatur ist die Vorfreude groß. „Jetzt können wir morgen richtig loslegen!“, freut sich eine Genossin – damit sind sich alle an diesem Abend einig.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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