Parteileben

Lars Klingbeil: „Ich will, dass die SPD bundesweit wieder erfolgreich ist.“

Knapp eine Woche ist die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD im Amt. Im Interview spricht Vizekanzler Lars Klingbeil über den holprigen Start, die neuen Gesichter der SPD und seine Erwartungen an den Parteitag im Juni.

von Kai Doering · 11. Mai 2025
SPD-Chef Lars Klingbeil: Wir werden nicht nur regieren, wir werden gestalten.
Lars Klingbeil, Parteivorsitzender der SPD, aufgenommen im Rahmen eines Interviews in Berlin, 20.02.2024. Berlin Deutschland *** Lars Klingbeil, leader of the SPD party, recorded during an interview in Berlin, 20 02 2024 Berlin Germany Copyright: xJaninexSchmitzx

Der Start der neuen Regierung war mit der Wahl von Friedrich Merz erst im zweiten Wahlgang holprig. Was bedeutet das für die künftige Zusammenarbeit zwischen SPD und Union?

Es bedeutet, dass diese Regierung sich Vertrauen bei dem ein oder anderen Abgeordneten aus den eigenen Reihen noch erarbeiten muss und dass zwölf Stimmen keine Mehrheit sind, auf der wir uns ausruhen können. Im Gegenteil, wir werden jetzt schnell loslegen, dieses Land nach vorne zu bringen. Das ist die Verantwortung, die wir gemeinsam mit der Union tragen. Und das ist auch der Auftrag, den uns die SPD-Mitglieder mit dem starken Votum von 85 Prozent für den Koalitionsvertrag mitgegeben haben. Wir wissen doch wie viele unterwegs sind, die wollen, dass diese Regierung scheitert, die spalten wollen und vom Gegeneinander leben. Diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun. 

In den international turbulenten Zeiten und mit einer AfD bei über 20 Prozent braucht es eine stabile Regierung in Deutschland. In der SPD-Fraktion spüre ich ein großes Verantwortungsgefühl für diese Ausgangslage. Unsere Prioritäten für den Start sind klar: Die Wirtschaft muss wachsen, damit Arbeitsplätze sicher sind und wir in Europa voran gehen können. Und die 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Straßen, Schienen, Kitas, Schulen müssen schnell vor Ort bei den Menschen ankommen. Das wird auch die Stimmung im Land verändern, wenn wir zeigen, Deutschland kann es besser, wir nehmen unser Schicksal selbst in die Hand und machen.

Lars
Klingbeil

Die Koalition mit der Union entscheidet nicht über unsere Zukunft als Partei.

Bei den SPD-Minister*innen gibt es viele neue Gesichter und einige Überraschungen. Was versprechen Sie sich von der neuen Mannschaft?

Wir haben am Abend der Bundestagswahl nach dem schlechten Ergebnis von 16,4 Prozent versprochen, dass wir die Partei neu aufstellen. Mit dem neuen Regierungsteam setzen wir genau da an. Neben erfahrenen Bundes- und Landespolitikern übernehmen neue Gesichter, die für einen Generationswechsel in der SPD stehen, Verantwortung. Sechs Frauen – Bärbel (Bas Anm.d.Red.), Reem (Alabali-Radovan), Verena (Hubertz), Stefanie (Hubig), Elisabeth (Kaiser) und Natalie (Pawlik) – und mit Boris (Pistorius), Carsten (Schneider) und mir drei Männer. Wir vereinen ganz unterschiedliche Biografien und Perspektiven. Von der Ausbildung bis zum Staatsexamen, von jung bis erfahren, mit und ohne Migrationsgeschichte, von Ost bis West, aus dem Bund und aus den Ländern. Ich finde, da ist uns wirklich eine sehr gute Teamaufstellung gelungen. Wir werden nicht nur regieren, wir werden gestalten. Und wir werden hart dafür arbeiten, dass die neue Bundesregierung erfolgreich ist. Mit Teamplay, mit Mut zur Entscheidung und mehr Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger.

Ende Juni steht nun der vorgezogene Parteitag an. Dabei soll die Neuaufstellung der SPD im Mittelpunkt stehen. Welches Signal soll von diesem Parteitag ausgehen?

Ein Signal der Stärke. Die Neuaufstellung ist ja in vollem Gange. Mit neuen Gesichtern, die Verantwortung in Fraktion und Regierung übernehmen, mit Hilfe der Kommission zur Aufarbeitung des Wahlergebnisses unter der Leitung des Generalsekretärs. Ich will, dass die SPD bundesweit wieder erfolgreich ist. Dass wir die hart arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt unserer Politik rücken. Dass wir uns nicht im Klein-Klein verlieren, sondern uns selbstbewusst als linke Volkspartei der Mitte positionieren. Eins ist wichtig: Die Koalition mit der Union entscheidet nicht über unsere Zukunft als Partei. Das können wir nur selbst tun. Wir haben aus Grokos in der Vergangenheit Wahlen verloren. Wir haben aus Grokos Wahlen gewonnen. Es liegt also an uns.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

9 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 14.05.2025 - 15:06

Permalink

.....möchte nicht daß diese Regierung scheitert und dazu beschwört er alles mögliche Unheil. Ob das hilft ??? Der Herr Dobrint hat schon mal ganz populistisch angefangen und der Herr Merz steht ihm da kaum nach, aber das sind die anderen.
Von der ein großen deutschen Sozialdemokratie ist kaum noch was übrig geblieben, und ich meine damit nicht nur die 16% sondern das sozialdemokratische. Ob der Herr Vizekanzler (!!!) da was ändern kann oder überhaupt will das wissen vielleicht die Sterne.
Soziale Gerechtigkeit, Chancen, Bildung für alle, Arbeit und Lohn, Wohnung, Gesundheit, freie Meinungsäußerung, all dioes ist in der Zeit von SPD mitregierung als GroKo, Ampel oder Agenda weitgehend auf der Strecke geblieben.
Ich will die Hoffnung ja nicht aufgeben also bin ich realistisch und will das Unmögliche.

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mi., 14.05.2025 - 16:27

Permalink

"Die Koalition mit der Union entscheidet nicht über unsere Zukunft als Partei. " sagt der Parteivorsitzende. Dieser Aussage muss ich leider wirdersprechen. Denn die vergangenen Wahlperioden haben deutlich gezeigt, dass Koalitionen mit der Union sich sehr nachteilig für die SPD, sowohl bei Wahlen wie auch bezüglich der Mitgliederzahl ausgewirkt und die Zukunft unserer Partei schon deutlich in Frage gestellt haben.

Ein Beispiel stellt die m.E. voreilige Zusage von Müntefering zu Heraufsetzung des Renteneintrittsalters oder die Zustimmung zu der als rechtswidrig festgestellten PKW-Maut oder die Ablehnung eines Verbots von Glyphosat dar etc. etc.

Deshalb sollte die SPD endlich zu ihren Grundätzen, wie sie z.B. im Erfurter und im Heidelberger Programm formuliert wurden, zurückkehren!!!

Guter Vorschlag, aber wir können auch noch weiter zu sozialdemokratischen Ursprüngen: "Unser Ziel ist eine Gesellschaft in der die freie Entfaltung eines jeden Einzelnen die Voraussetzung ist für die freie Entfaltung Aller". So steht es sinngemäß im "kommunistischen Manifest" und ist meiner Meinung nach die zentrale Aussage für die sozialdemokratische Zielsetzung.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 15.05.2025 - 19:01

Permalink

Dann kann ja nichts mehr schief gehen.
Klingbeil wollte nicht, hat aber die SPD zu einer 16,4 % (- 36%) Partei geschrumpft, wenn auch nicht allein, in der er nahezu unangefochten bestimmen kann, was zu geschehen hat. Jetzt will er, „dass die SPD bundesweit wieder erfolgreich ist.“ Dazu „will er … die Neuaufstellung der SPD ... als selbstbewusste linke Volkspartei der Mitte“. Die WAZ (12.5.) hat „den `starken Mann´, der schwächelt“, deutlich anders wahrgenommen, nämlich als einen, der „seine Partei auf einen konsequenten Mitte-Kurs einschwört“, die „nicht … noch polarisierter, noch radikaler, noch weiter nach links rücken“ darf.
Der Ukraine-Krieg ist ein großer Brocken auf dem Weg „die SPD bundesweit wieder erfolgreich“ zu machen. Die SPD hat dank Klingbeil keinen realistischen Plan, wie der Krieg um die Ukraine beendet werden kann, außer Putin in die Knie zu bomben. Das liegt daran, dass der „Stratege des Jahres“ (2022) eine völlig falsche,

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 15.05.2025 - 19:03

Permalink

weil gefährlich einseitige Vorstellung über das Konfliktfeld entwickelt hat, das zum Überfall auf die Ukraine geführt hat. Nachzulesen ist das in den Reden Klingbeils, mit denen er (spätestens) seine Übernahme der SPD begann, und in denen er eine „grundlegenden Neupositionierung sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik“ (19.10.22) verordnete, die die SPD als „Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch“ (20.1.23) zum (Teil-) Parteiprogramm machte. Auslösendes Ereignis dieser „grundlegenden Neupositionierung“ war die „Zeitenwende“, die die „sozialdemokratische Ostpolitik“, von Brandt und Bahr initiiert und getragen, für die Wiedervereinigung und danach 30 Jahre in Frieden, Freiheit und Wohlstand verantwortlich, über Nacht vom Tisch wischte, weil die sich dann aber doch als „unseren … Fehler im Umgang mit Russland“ entpuppte, weil „wir Putins … autokratische Konsolidierung nach innen und interessengeleitete Großmachtpolitik nach außen verkannt hatten“.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 15.05.2025 - 19:06

Permalink

Etwas griffiger formuliert, ist das das Narrativ von der „imperialen Besessenheit“ Putins als alleinigem Kriegsgrund. (Klingbeil nennt noch drei weitere Gründe, die ich aber weglasse.) Das ist zwar eine falsche, weil bewusste und darum gefährlich einseitige Analyse des Konfliktsystems, das zum Krieg führte. Aber wer will noch nachdenken, wenn wir wissen, dass selbst „die heutigen Kollektivphantasien, wonach Putin eine Art Wiedergänger Hitlers oder Stalins sei, zu kurz greifen“, sondern „auf Putins Hirn der Alb der außenpolitischen Tradition des Zarismus lastet“ (Timm Graßmann: „Auf Eroberung folgt Eroberung“; Blätter …, 1`25). Wenn klar ist, für Putin ist „der Krieg gegen den Westen seine Geschichtserzählung, seine Machtgrundlage und seine Dauerkarte für den Kreml. Er will die zehrende Schlacht gegen die westliche Allianz auch nach einer Waffenruhe in der Ukraine fortsetzen. Sein Land baut er um für ein Zeitalter des ewigen Kriegs“ (Michael Thumann: „Putins Wende nach Osten –

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 15.05.2025 - 19:09

Permalink

und der ewige Krieg". Blätter …, 5`25), dann ist doch eine vernünftige Gegenrede gar nicht mehr möglich und auch nicht zulässig, weil nur Wiedergabe eines Putin-Narrativs (Thumann kürzlich in einer Talkschow). Selbst unser neuer Außenminister gab kürzlich zu Protokoll, dass Russland immer unser Feind bleibe. Was zählt dagegen der Hinweis auf die frühere Einsicht, dass „unter Beachtung der legitimen Sicherheitsanliegen anderer Staaten jeder Teilnehmerstaat frei ist, seine Sicherheitsinteressen auf der Grundlage der souveränen Gleichheit selbst zu bestimmen“ (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa VERHALTENSKODEX ZU POLITISCH-MILITÄRISCHEN ASPEKTEN DER SICHERHEIT, 3. Dezember 1994). Und wenn die Nato „nicht verhandelbar“ festlegt, dass „eine starke, unabhängige Ukraine für die Stabilität des euro-atlantischen Raumes unerlässlich ist“ (NATO-Gipfel 2022: Neues strategisches Konzept, 30.06.2022),

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 15.05.2025 - 19:11

Permalink

dann kann doch die Russische Föderation eine vergleichbare Sicherheitslage nicht „nicht verhandelbar“ für sich reklamieren. Hat sie aber. Dieses strategische Sicherheitspostulat beider Seiten war aber der entscheidende Kriegsgrund – das beweist auch die überragende Bedeutung eines neutralen Status` der Ukraine in den Friedensvorschlägen, die jetzt von Trump vorgelegt wurden, aber auch schon entscheidend waren in den Friedenssondierungen vom März/April 2022. Wahrscheinlich wird aber Trump eine Friedensordnung durchsetzen, die der vom März/April 2022 entspricht, auch wenn die Willigen Europas sie zu verhindern suchen.
Klingbeil hat durch seine mangelhaft basierte „grundlegenden Neupositionierung sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik“ die SPD zu einer Partei gemacht, die 30 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand als „Fehler“ identifiziert hat, den zu beheben sie auf das geographisch-geschichtliche Geschenk der russischen Rohstoffe verzichten,

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 15.05.2025 - 19:14

Permalink

die Russische Föderation nicht mehr als Sicherheitspartner, sondern als Russische Gefahr sehen will, gegen die sie eine europäische Sicherheitsarchitektur auch konfrontativ durchsetzen will. (Von China will ich gar nicht sprechen.) Das kann nicht funktionieren. Die massive Aufrüstung und die notwendige Kriegstüchtigkeit auch der Bevölkerung werden große Stücke der Lebensqualität der Bevölkerung verschlingen. Es ist auch ziemlich aussichtslos, eine atomare Weltmacht, konventionell abschrecken zu wollen – auch das werden die Wähler wissen.

„Ich will, dass die SPD bundesweit wieder erfolgreich ist“, hat wenig Chancen.