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Bayernwahl: SPD-Kandidatin Luisa Haag setzt ganz auf gute Argumente

Als Luisa Haag, die Enkelin eines stadtbekannten CSU-Mitglieds, zu den Jusos wollte, fragte sie der SPD-Ortsvereinsvorsitzende, ob sie das ernst meine. Das tat sie. Jetzt kandidiert die 28-Jährige bei der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober.
von Kai Doering · 26. Juli 2023
SPD-Kandidatin Luisa Haag: „Ich finde es wichtig, den Menschen Politik konsequent zu erklären. Das wirkt auch gegen Populismus.“

Es weht ein heftiger Wind in Berlin an diesem sonnigen Vormittag. Luisa Haag fällt es schwer, ihre Haare im Zaum zu halten. Immer wieder wehen sie ihr ins Gesicht, während sie in die Kamera lächelt. „Als ich 16 war, habe ich mal für Design-Studentinnen gemodelt, die jemanden brauchten, der ihre Kreationen für Fotos trägt“, erzählt die 28-Jährige. Daraus einen Beruf zu machen, sei aber nicht infrage gekommen. „Ich bin meiner Körpergröße dankbar, sonst hätte ich mich womöglich noch bei ‚Germany‘s Next Top-model‘ beworben“, sagt Haag und lacht. Um bei der Fernsehsendung mitzumachen, muss man mindestens 1,76 Meter groß sein. Luisa Haag liegt darunter.

Der „vorwärts“ hat sich mit ihr an der Spree verabredet. Wo Haag mit dem Wind kämpft, verlief vor etwas mehr als 30 Jahren der Todesstreifen zwischen Ost- und West-Berlin. Luisa Haag war da noch gar nicht geboren. Die Zeit der deutsch-deutschen Teilung kennt die junge Frau trotzdem gut: Luisa Haag ist Lehrerin für Geschichte, Politik und Deutsch an einem Gymnasium in Germering, einem Vorort von München. „Den Geschichtsunterricht in der  neunten Klasse finde ich am interessantesten“, erzählt sie. In dem Schuljahr steht die Zeit zwischen dem Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Beginn des Kalten Krieges auf dem Lehrplan. „Das ist eine Zeit, die sehr greifbar ist und spannend für die Schülerinnen und Schüler“, sagt Haag.

Über die Jusos in die SPD

Ihr eigener Geschichtsunterricht als Schülerin trug dazu bei, dass es Luisa Haag zur SPD verschlug. „Die Geschichte der SPD, die wir im Unterricht behandelt haben, hat mich beeindruckt“, erzählt sie, „und auch die grundlegenden Ideen der Sozialdemokratie waren für mich direkt überzeugend“. In ihrer Heimatstadt Abensberg zwischen Regensburg und Ingolstadt sei schon immer die CSU stark gewesen. „Viele treten da schon mit 14 ein, weil die Junge Union immer tolle Partys feiert; dieser unpolitische Grund hat mich gestört“, berichtet Luisa Haag. Irgendwann habe sie zu ihrer Mutter gesagt, dass sie in eine Partei eintreten wolle. Die habe aber nur geantwortet: „Das machst du doch sowieso nicht.“ Also setzte sich Luisa Haag mit den Positionen von SPD, Grünen und Linkspartei auseinander. Neben der Geschichte überzeugte sie auch der Umstand, dass die damalige Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann ebenfalls aus Niederbayern kam. Schließlich trat Luisa Haag online den Jusos bei.

„Irgendwann rief mich dann der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins an und fragte mich, ob ich eine Wette verloren hätte oder es mit dem Eintritt ernst meinen würde.“ Dass die Enkelin eines stadtbekannten CSU-Mitglieds Juso werden wollte, konnte sich bei der SPD niemand vorstellen. Aber Luisa Haag meinte es ernst – und trat nach der ersten Ortsvereinssitzung auch in die SPD ein.

Schwerer Stand im tiefschwarzen Niederbayern

„Ich hatte anfangs keine konkreten Ambitionen“, erzählt sie. Und doch wurde sie bereits nach kurzer Zeit Vorsitzende der Jusos Niederbayern und schließlich auch gefragt, ob sie nicht bei der Landtagswahl antreten wolle. Das war 2018. „Damals war es mir jedoch wichtig, erst mein Studium zu beenden und beide Staatsexamina hinter mich zu bringen.“ Die Möglichkeit, es bei der nächsten Wahl fünf Jahre später zu versuchen, sei aber im Hinterkopf geblieben. „Ich war nie die, die gesagt hat: Ich will das jetzt unbedingt machen.“ Doch als sie im vergangenen Jahr wieder angesprochen wurde, sagte Luisa Haag überzeugt zu. Bei der Wahlkreiskonferenz im vergangenen Jahr wurde sie einstimmig gewählt. Im tiefschwarzen Niederbayern wird sie es jedoch nicht leicht haben. Bei der Landtagswahl 2018 landete der SPD-Kandidat auf dem fünften Platz, mit knapp sechs Prozent der Stimmen. „Mein Ziel ist, vor der AfD zu landen“, sagt deshalb Luisa Haag entschlossen. „Wenn ich ein zweistelliges Ergebnis erhalte, bin ich sehr glücklich.“

Dafür setzt die 28-Jährige auf einen Wahlkampf zum Mitmachen. „An den Wahlkampfständen sollen die Leute selbst aktiv werden können“, erzählt sie, etwa indem sie große Würfel mit Themen stapeln, über die sie sprechen möchten. „In Niederbayern gewinnt, wer die Menschen im Wahlkampf am wenigsten nervt und positiv im Gedächtnis bleibt“, ist Luisa Haag überzeugt. Dabei komme es auch auf das richtige Timing an. Die Kandidatin hat deshalb eine klare Vorstellung von ihrem Wahlkampf. Seinen Höhepunkt soll er im Spätsommer erreichen.

Wahlkampf mit roten Rädern

Am 4. September findet in Abensberg der politische Gillamoos statt, ideal für die heiße Wahlkampfphase, meint Haag. Schon im vergangenen Jahr hielt sie eine Rede beim ältesten Volksfest Bayerns, im Bierzelt vor Hunderten Zuhörerinnen und Zuhörern, darunter SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. „Bierzeltreden sind speziell und fordernd – das macht mir Spaß“, sagt Luisa Haag. Sie möchte dieses Jahr noch mehr Redezeit als im vergangenen Jahr, zumal sich SPD-Chef Lars Klingbeil angekündigt hat.

Bis dahin laufen die Wahlkampfvorbereitungen weiter. Luisa Haag hat bereits vier alte Fahrräder gekauft und sie für die Ortsvereine in ihrem Wahlkries „als mobile Flyer-Ständer“ lackiert wie sie sagt. Die Idee stammt aus einem Wahlkampf-Seminar. „Wir haben sehr fleißige Ortsvereine“, lobt Luisa Haag, „aber leider sind sie nicht sehr mitgliederstark“. Da gelte es, kreativ zu sein. Auf Haustür-Wahlkampf will die Kandidatin dagegen verzichten. „Ich möchte niemanden in seiner Privatsphäre bedrängen.“

Luisa Haag: Argumente gegen Populismus

Stattdessen setzt Luisa Haag auf die Kraft des Arguments. „Ich finde es wichtig, den Menschen Politik konsequent zu erklären. Das wirkt auch gegen Populismus“, sagt sie. Dabei helfe ihre Erfahrung aus der Schule. Da verteilt sie gerne QR-Codes, die ihre Schülerinnen und Schüler mit dem Handy scannen können, um gezielt auf eine Internetseite mit Informationen über das politische System oder historische Ereignisse zu gelangen.

Kein Wunder, dass Bildung auch das Thema ist, das Luisa Haag politisch am meisten am Herzen liegt. „Ich fände es gut, wenn die Menge von Schulnoten reduziert und die Art der Leistungsmessung geändert wird“, sagt sie. Auch den Übergang von der Grund- auf die weiterführende Schule würde sie verlagern, von der vierten auf die sechste Klasse. „Das ist entwicklungspsychologisch eine sinnvolle Altersstufe“, erklärt sie. Ob Luisa Haag diese Themen ab dem Herbst im bayerischen Landtag vertreten kann, werden die Wählerinnen und Wähler am 8. Oktober entscheiden. Sollte es diesmal nicht reichen, wäre das für sie kein Weltuntergang. „Ich habe einen Beruf und ich liebe meinen Beruf“, sagt sie.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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