Meinung

Wie Europa auf Trumps „America First“-Politik antworten sollte

Wegen Donald Trump gibt es den Westen, den wir kannten, nicht mehr, meint Stephan Exo-Kreischer. Der Europadirektor der internationalen Nichtregierungsorganisation „One" fordert Europa zu einer eigenen Reaktion auf Trumps „America First“-Politik auf.

von Stephan Exo-Kreischer · 31. März 2025
Aktivist*innen demonstrieren vor dem Bundestag für mehr Entwicklungszusammenarbeit.

Aktivist*innen demonstrieren vor dem Bundestag für mehr Entwicklungszusammenarbeit.

Seit Donald Trumps Wiederwahl steht fest: Der Westen, wie wir ihn kannten, existiert nicht mehr. Spätestens bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar wurde das offensichtlich. Trumps Vize J.D. Vance erklärte vor aller Welt das Ende des transatlantischen Wertebündnisses. Europas Problem sei nicht Russland oder China, sondern eine angebliche demokratiefeindliche Elite im Inneren, die unliebsame Stimmen zum Schweigen bringe und die Meinungsfreiheit einschränke. Mehr Verachtung hätte er den Europäer*innen kaum entgegenbringen können.

„America First“ schafft Fakten       

Die MAGA-Doktrin („Make America Great Again“) kennt keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Sie setzt auf das Recht des Stärkeren und betrachtet Politik als Nullsummenspiel. Internationale Abkommen werden gekündigt, Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder UNESCO müssen künftig ohne die USA auskommen. Selbst die NATO droht ihren Spiritus rector zu verlieren. Dabei haben die USA die globale Nachkriegsordnung selbst geschaffen – nun sind sie im Begriff, sie wieder einzureißen.

Während die USA Fakten schaffen, sucht Europa noch nach einer Antwort. „Never let a good crisis go to waste” – „verschwende nie eine gute Krise“, hatte der frühere britische Premierminister Winston Churchill früher gesagt. Im Rückzug der USA liegt auch eine Chance: Europa kann und muss sein Gewicht als wirtschaftliche und politische Macht in die Waagschale werfen. 

Die Entwicklungszusammenarbeit ist dabei ein entscheidendes Instrument – nicht nur aus Altruismus, sondern auch aus Eigeninteresse. Willy Brandt erkannte bereits 1980 im von ihm verfassten Nord-Süd-Bericht: Unser Wohlstand ist eng mit der Entwicklung des Globalen Südens verknüpft.

Wirtschaftliche Chancen nutzen    

Die neuen US-Zölle auf Autobauer zeigen: Wir dürfen uns nicht nur auf alte Handelsstrukturen verlassen. Neue Märkte müssen entstehen. Entwicklungszusammenarbeit kann hier eine Schlüsselrolle spielen, indem sie Investitionen und Wachstum fördert. Wer heute in afrikanische Infrastruktur investiert, schafft morgen Absatzmärkte für europäische Produkte.

Russland und China sind auf dem afrikanischen Kontinent bereits mit Krediten und Militärhilfe präsent. Europa darf nicht mit leeren Händen dastehen. Afrika hat die Wahl – und wir sollten uns um eine Partnerschaft auf Augenhöhe bemühen. 

Beispiel Energiesicherheit: Namibia kann ein zentraler Lieferant für grünen Wasserstoff werden. Dafür braucht es europäische Investitionen in erneuerbare Energien. Wenn wir das klug managen, profitieren alle: Namibia schafft Jobs, Deutschland sichert sich Energiequellen, europäische Unternehmen erhalten Aufträge – und das Klima gewinnt. Eine Win-Win-Win-Win-Situation.

Die Ernte einfahren, die Willy Brandt gesät hat    

45 Jahre nach Brandts Nord-Süd-Bericht steht zweifelsfrei fest: Entwicklungszusammenarbeit wirkt. Die weltweite Kindersterblichkeit hat sich mehr als halbiert. Polio, die Infektionskrankheit, die zu Kinderlähmung führt, ist fast ausgerottet. HIV ist kein Todesurteil mehr, selbst in armen Ländern gibt es erschwingliche Medikamente. Malaria und Tuberkulose wurden zurückgedrängt. 

Millionen Kinder besuchen zum ersten Mal eine Schule, insbesondere Mädchen – auch in Konfliktgebieten. Ohne Entwicklungszusammenarbeit wäre das undenkbar. Darauf sollten wir stolz sein, denn das sind auch unsere Erfolge. 

Die EU und ihre Mitgliedsländer finanzieren die Hälfte aller internationalen Hilfen. Doch der US-Rückzug setzt eine gefährliche Kettenreaktion in Gang. Das Vereinigte Königreich plant bereits drastische Kürzungen. Wenn Europa jetzt nicht gegenhält, drohen Jahrzehnte an Fortschritt verloren zu gehen. Die EU muss daher ein Bollwerk sein, das die bereits erzielten Erfolge schützt und gleichzeitig am Prinzip festhält, dass es keine nationalen Lösungen für globale Herausforderungen gibt. Multilateralismus first. 

Entwicklungspolitik ist Sicherheitspolitik 

Krisen kosten mehr, als was es kostet, Krisen zu verhindern. Entwicklungspolitik schafft Perspektiven und Stabilität. Das betonen auch ehemalige Spitzenpolitiker*innen aus SPD und Union sowie Kirchenvertreter in einem aktuellen Appell an die Bundesregierung. Ihr Fazit: Weniger Entwicklungszusammenarbeit wäre kurzsichtig und teuer.

Der schlafende Riese Europa erwacht. Unsere Antwort auf „America first“ kann nur lauten: „Entweder wir verlieren allein – oder wir gewinnen zusammen.“

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Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mo., 31.03.2025 - 18:17

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1.) sollte die EU - ohne wie derzeit praktiziert - unverzüglich ebenfalls mit Zöllen antworten,
2.) sollte weder Trump noch ein anderes Mitglied seiner Regierung oder einer seiner Finanzhaie wie Musk & Co. nach Deutschland oder in ein anderes EU-Land eingeladen werden,
3.) sollten bestehende Kontakte auf wirtschaftlicher oder kultureller Ebene eingefroren werden,
4.) sollte geprüft werden, ob Voraussetzungen für einen internationalen Haftbefehl für die o.g. Mannschaft vorliegen, und falls ja, umgesetzt werden.

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