Warum Deutschland sich aktiv für Frieden in Nahost einsetzen sollte
Seit zwei Monaten tobt der Krieg zwischen Israel und der Hamas. Deutschland sollte sich stärker für eine friedliche Lösung einsetzen – und dabei auch Israel kritisieren.
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Bombardierung des Gaza-Streifens: Die SPD sollte sich für einen Frieden in Nahost einsetzen.
Diplomatie wirkt und hat mehr Aufmerksamkeit verdient. Nach sieben Wochen Krieg in Gaza wurde nach zähen Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas unter Vermittlung Katars und mit Unterstützung der USA ein Teil der israelischen Geiseln freigelassen. Israel gewährte eine mehrtägige Feuerpause. Die USA begrüßten den Fokus auf Diplomatie, der ganz konkrete Ergebnisse erzielte. Der CIA-Direktor war in der Region unterwegs, um diese Entwicklung zu befördern und weitere Verlängerungen der Feuerpause und Freilassungen von israelischen Geiseln zu erwirken.
Allerdings hat die israelische Regierung klar gemacht, dass ihre Streitkräfte den Feldzug im Gazastreifen fortsetzen werden und es kein Interesse an einem Waffenstillstand gibt. Inzwischen wurden die Kampfhandlungen wieder aufgenommen und beide Seiten beschuldigen sich, den Waffenstillstand gebrochen zu haben. Die USA warnen indes Israel, dass sie eine größere Zielgenauigkeit, also weniger zivile Opfer des Kampfeinsatzes erwarten beim Angriff auf den Südes des Gazastreifens.
Die SPD trat stets für Israel und Palästina ein
Die New York Times errechnete, dass bisher 10.000 palästinensische Kinder und Frauen von den israelischen Streitkräften getötet worden seien. In den USA schwindet politisch wie gesellschaftlich die Bereitschaft, dies als Kollateralschaden des Krieges gegen die Hamas zu akzeptieren. Es wird offen politisch diskutiert, die massive finanzielle und militärische Unterstützung Israels durch die US-Regierung an Bedingungen zu knüpfen.
Die deutsche Sozialdemokratie hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Schrecken der Shoah traditionell sowohl für das Existenzrecht Israels als auch für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser*innen eingesetzt. Eine politische Lösung des Nahostkonflikts stand im Mittelpunkt der internationalen Politik der SPD: Frieden im Nahen Osten war das Ziel. Deswegen hat sich die SPD sowohl gegen terroristische Gewalt als auch gegen die Besatzung Israels im Westjordanland und im Gazastreifen ausgesprochen und das Einhalten des internationalen Völkerrechtes auf beiden Seiten des Konflikts eingefordert.
Die Rolle der SPD im Friedensprozess
Es ging dabei immer um einen dualistischen Ansatz, der den nationalen Kerninteressen der Bundesrepublik auf zwei Ebenen Rechnung trug: Der Etablierung von verantwortungsbewussten Beziehungen zum Staat Israel und der Aufrechterhaltung von belastbaren Beziehungen mit den Staaten der arabischen Welt. Eine einseitige Parteinahme für eine Konfliktpartei sollte vermieden werden. Diese Politik ist insbesondere mit dem Politiker Jürgen Wischnewski („Ben Wisch“) verbunden.
In den 1970er Jahren war neben dem Staat Israel auch die Bundesrepublik Deutschland direkt von palästinensischem Terrorismus bedroht; bedenken wir den Terrorangriff auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen in München oder auch die Flugzeugentführung in Mogadischu. Trotzdem hat sich die sozialdemokratische Führung für die Anerkennung der als Terrororganisation gebrandmarkten Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) als politische Kraft ausgesprochen, um so Verhandlungen und eine friedliche Lösung des Konflikts zu ermöglichen.
Symbolisch lud Willy Brandt Ende der 1970er Jahre die PLO bewusst in die Sozialistische Internationale (SI) ein. Die deutsche Sozialdemokratie war in der Lage, die zutiefst auseinanderlaufenden Interessen der beiden Konfliktparteien in eine kohärente Friedenspolitik für den Nahen Osten zusammenzubringen, in dessen Kern das Selbstbestimmungsrecht beider Völker – der Israelis und der Palästinenser – stand.
Mit der „Staatsräson“ kann Deutschland nicht Teil der Lösung sein
Zu einer solchen Politik, die sich auf eine politische Lösung des Nahostkonfliktes konzentriert, sollte die SPD auch programmatisch zurückfinden. Die Sozialdemokratie steht für politische Verantwortung und für Solidarität mit dem Staat Israel. Dennoch ist daran zu erinnern, dass das Bekenntnis Israels Sicherheit sei „Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland“ eine Formel ist, die historisch keine sozialdemokratische Position, sondern eine Positionierung Angela Merkels darstellt und die zudem eine politische Lösung eher erschwert als befördert. Weder kann die Bundesrepublik Deutschland die Sicherheit Israels garantieren, noch wird dies von Israel gewünscht. Darüber hinaus macht sich die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Formulierung zum Teil des Konflikts und kann somit auch nicht Teil der Lösung sein.
Die Unterstützung der jetzigen israelischen Regierung und ihrer Kriegsführung durch die Bundesregierung im Namen der Staatsräson ist besonders problematisch. Konkret wird nämlich eine Regierung unterstützt, die schon in der Vergangenheit die Sicherheit ihres Landes nicht garantieren konnte und es heute vielleicht auch nicht tut. Die Bundesregierung unterstützt de facto Völkerrechtsbrüche einer Regierung, die vor dem 7. Oktober für die Unterwanderung des Rechtsstaats massiv kritisiert wurde, und riskiert damit, sowohl die Rolle des Völkerrechts insgesamt als auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands, beides zentrale deutsche Interessen, zu unterminieren.
Daher wäre es geboten, diese verkürzte Festlegung durch ein erneutes Bekenntnis zu ergänzen, dass diese Sicherheit langfristig nur durch einen politischen Ausgleich mit den legitimen Interessen des palästinensischen Volkes erreicht werden kann. Sollte eine Zweistaatenlösung langfristig unerreichbar bleiben, hätte dies gravierende Konsequenzen nicht nur für die Palästinenser*innen, sondern auch für die Zukunft Israels als jüdischer und demokratischer Staat.
Sechs Punkte für die künftige Ausrichtung der SPD
Die jüngsten Entwicklungen im Gazastreifen machen es notwendig, die Lage im Nahen Osten von ihren politischen Konstanten her zu betrachten und die politische Ausrichtung der deutschen Sozialdemokratie zu überdenken:
- Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 war ein Zivilisationsbruch. Die Hamas-Kämpfer handelten grausam und unmenschlich; ihre Taten sind barbarisch. Daraus folgt das Recht Israels zu einer entschiedenen Antwort mit dem Ziel, eine Wiederholung solcher Attacken in der Zukunft zu verhindern, nicht aber eine Carte Blanche, die das gesamte palästinensische Volk für den Terror der Hamas verantwortlich macht und bestraft. Bei der Beurteilung des israelischen Vorgehens dürfen die Taten vom 7. Oktober weder übergangen oder relativiert werden, noch sollte der Eindruck erzeugt werden, der gesamte Konflikt habe am 7. Oktober mit dem Überfall der Hamas begonnen.
- Der Staat Israel besetzt seit 1967 den Gazastreifen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Diese Besatzung und vor allen Dingen die Realität der Besatzung sind völkerrechtswidrig, deswegen erkennt die Bundesrepublik Deutschland Jerusalem auch nicht als Hauptstadt Israels an. Mit der Besatzung Israels in den palästinensischen Gebieten geht deren völkerrechtswidrige Besiedlung einher. Diese Besiedlung ist seit Jahrzehnten israelische Politik und ein Grund dafür, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht bedingungslos an die Seite Israels stellen kann.
Für die Existenz Israels sind weder die Besatzung noch die Besiedlung der besetzten Gebiete notwendig. Beides dient insbesondere radikalen israelischen Nationalist*innen – die jetzige Regierung besteht aus solchen – zur Durchsetzung des Zieles eines Großisraels, welches auch die Vertreibung der Palästinenser vorsieht. Vorerst geht es diesen Politiker*innen aber vor allem um die Verhinderung einer Zweistaatenlösung. In den vergangenen 30 Jahren hat der Staat Israel sowohl in Ost-Jerusalem als auch in der Westbank eine umfassende Siedlungsinfrastruktur aufgebaut, die nicht nur große wie kleine jüdische Siedlungen in den palästinensischen Gebieten geschaffen hat, sondern darüber hinaus Straßen für Siedler, Checkpoints und Militärstationen.
Diese führen im Resultat dazu, die Bewegungsfreiheit und die Entfaltungsmöglichkeiten der Palästinenser*innen stark einzuschränken. Mit der Besatzung Israels im Westjordanland gehen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch radikale jüdische Siedler*innen und das Militär einher. Diese sind in Berichten der UN und israelischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen gut dokumentiert. Die Netanjahu-Regierung hat zudem den Ausbau der Siedlungen im Westjordanland zur obersten politischen Priorität erklärt. Dieses Ziel und die Verdrängung der Palästinenser*innen wird von israelischen Siedlergruppen offen und gewalttätig praktiziert.
Das Leben eines Großteils der Palästinenser*innen im Westjordanland ist durch einen tristen Alltag geprägt, da sie die meisten Ortschaften, in denen sie leben, nur nach umfangreichen Kontrollen manchmal aber auch gar nicht verlassen können. Diese Umstände bestehen schon seit mehreren Jahrzehnten, sind jedoch durch die Politik der aktuellen Regierung verschärft worden. Mehrere Kabinettsmitglieder wohnen selbst illegal in diesen Ortschaften, wie z.B. der Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir, der vergangenen August gesagt hat, dass sein Recht im Westjordanland sicher zu leben wichtiger sei als die Bewegungsfreiheit der Araber. Darüber hinaus ist die politische wie auch die wirtschaftliche Entfaltung der Bevölkerung unter den Bedingungen der Besatzung kaum möglich. Die Realität der Besatzung wird in Deutschland nur unzureichend verstanden und selten politisch thematisiert. Das gilt es zu ändern, die Besatzung darf kein Tabuthema des politischen Diskurses werden.
Gleichzeitig ist Deutschland der größte Geldgeber, um einen palästinensischen Staat und ein palästinensisches Gemeinwesen aufzubauen. Durch die Handlungen Israels wird dieses Bemühen konterkariert. Die Bundesregierung oder zumindest die SPD sollten ihren Einfluss geltend machen und den Aufbau eines palästinensischen Staates im Westjordanland unter Einbeziehung Ostjerusalems zu fordern, so dass die Palästinensische Autonomiebehörde tatsächlich Souveränität über das ihr zustehende Staatsgebiet gewinnen kann. Tun wir dies nicht, geben wir faktisch auch die Zweistaatenlösung auf.
Zumindest ist es aber notwendig, die Realität der Besatzung Israels im Westjordanland zu thematisieren und die Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, die insbesondere in den vergangenen Jahren und noch einmal massiv nach dem 7. Oktober 2023 zugenommen haben. Seit dem 7. Oktober wurden 216 Palästinenser im Westjordanland getötet und 2.280 wurden verhaftet. Die Misshandlung der palästinensischen Zivilbevölkerung durch radikale jüdische Siedler und die Landnahme, die damit einhergeht, schaffen Unfrieden und provozieren eine Gegenreaktion der Palästinenser.
Grundsätzlich geht es darum, die Völkerrechtsverletzung in den internationalen Organisationen anzusprechen und die UN-Organisationen vor Ort, welche zur Stabilisierung der Situation beitragen, tatkräftig zu unterstützen. Die Bundesrepublik Deutschland muss auch den Generalsekretär der Vereinten Nationen bei seiner schwierigen Arbeit im Nahostkonflikt unterstützen. Dasselbe gilt für den EU-Außenkommissar. Deutschland hat sich immer für die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen und für das Völkerrecht eingesetzt. Nicht dem Recht des Stärkeren, sondern der Stärke des Rechts will die Bundesrepublik Deutschland Geltung verschaffen. So argumentierte die deutsche Politik im Falle des russischen Angriffs auf die Ukraine. Dies im Falle Israels nicht zu tun, wird von der internationalen Staatengemeinschaft mehrheitlich kritisiert und setzt Deutschland dem berechtigten Vorwurf aus, nicht mit gleichem Maß zu messen.
- Trotz der grausamen Taten der Hamas gibt es keine Kollektivschuld des palästinensischen Volkes. Die Zivilbevölkerung muss bei den Kampfhandlungen gegen die Hamas geschützt werden. Die Verantwortung dafür liegt bei der israelischen Armee – unabhängig davon, wie sich die Hamas verhält. Wir erleben aber, wie israelische Politiker die Palästinenser ganz grundsätzlich sprachlich entmenschlichen und damit die weitere Eskalation des Konflikts rechtfertigend vorbereiten. So erklärte der Verteidigungsminister Israels Yoav Gallant am 9. Oktober: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und wir werden entsprechend handeln“. Später kündigte er an, dass er „alle Beschränkungen“ für israelische Streitkräfte aufgehoben habe und dass „Gaza nicht zu dem zurückkehren wird, was es vorher war. Wir werden alles eliminieren.“
Am 10. Oktober wandte sich der Leiter des Koordinators der israelischen Armee für Regierungsaktivitäten in den besetzten Gebieten (COGAT), Generalmajor Ghassan Alian, auf Arabisch an die Bevölkerung von Gaza und erklärte: „Menschliche Tiere müssen als solche behandelt werden. Es wird keinen Strom und kein Wasser geben, es wird nur Zerstörung geben. Ihr wolltet die Hölle, Ihr werdet die Hölle bekommen.“ Am selben Tag verkündete der israelische Armeesprecher Daniel Hagari, dass bei der Bombardierung des Gazastreifens „der Schwerpunkt auf dem Schaden und nicht auf der Genauigkeit liegt“.
Der Feldzug Israels, dem vor allem Kinder, Frauen und alte Menschen zum Opfer fallen, wird zunehmend zu einem Rachefeldzug; der größte Teil der Bevölkerung des Gazastreifens ist vertrieben worden und hat seine Bleibe verloren. Im Gazastreifen herrscht eine humanitäre Katastrophe, da Israel die Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten nicht zulässt. Allein dies ist bereits ein Bruch des Völkerrechts und sollte dringend revidiert werden. Die Reaktion Israels, die massiven Angriffe auf den Gazastreifen, gehen in Intensität und Extensität weit über frühere Maßnahmen hinaus. Nicht nur der UN-Sicherheitsrat (ohne Gegenstimme der USA) bezweifelt, dass diese Angriffe sich in dem Rahmen halten, den das Völkerrecht Israel für die Selbstverteidigung bietet.
Zumindest sollte Deutschland diese fürchterliche Lage in aller Deutlichkeit beim Namen benennen und sich zusammen mit Frankreich und Spanien dafür einsetzen, dass die Feuerpause wieder hergestellt und die Kampfhandlungen eingestellt werden, um die Freilassung von Geiseln und die humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung sicherzustellen. Vor allem muss es aber darum gehen, einen humanitären Waffenstill zu erreichen, damit die Kollektivbestrafung der Bevölkerung in Gaza beendet wird.
- Israelische Politiker*innen und Generäle glaubten vor dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober, dass sie den Konflikt mit den Palästinensern „managen“ könnten, anstatt zu versuchen, ihn zu lösen. In Gaza wurde dies durch das sogenannte “Mähen von Gras” erreicht. Im Klartext: Zerstörung aus der Luft, um die Hamas im Zaum zu halten. Tatsächlich haben sich die vielen Regierungen von Premierminister Netanjahu dafür entschieden, die Hamas gerade stark genug und die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland schwach und unpopulär genug zu halten, um argumentieren zu können, dass keine politische Lösung mit den Palästinensern möglich sei.
In der Zwischenzeit breiteten sich die Siedlungen in den besetzten Gebieten weiter aus, so dass ein territorialer Kompromiss immer undurchführbarer wurde. Um die Hamas an der Macht zu halten, ließ Netanjahu zu, dass Gelder aus Katar an die Hamas flossen. Im März 2019 sagte Netanjahu während einer Sitzung von Knesset Abgeordneten seiner Likud Partei, bei der das Thema der Überweisung von Geldern an die Hamas erörtert wurde: ,,[…] wer gegen einen palästinensischen Staat ist, muss die Überweisung von Geldern in den Gazastreifen unterstützen, denn die Aufrechterhaltung der Trennung zwischen der PA im Westjordanland und der Hamas in Gaza verhindert die Gründung eines palästinensischen Staates.“
- Ziel der israelischen Regierung ist es nach eigenen Verlautbarungen, die Hamas komplett zu zerstören. Wie sie das erreichen will, bleibt allerdings unklar. Dieses Ziel ist nach Einschätzung der meisten Expert*innen kaum zu erreichen. Es ist nicht möglich, die Hamas-Bewegung militärisch zu besiegen. Sicher ist die Hamas eine Terrororganisation, die sich in den letzten Jahren radikalisiert hat. Doch die Ursprünge der Hamas liegen in einer politischen Organisation, die einen militärischen Flügel hat. In dieser Hinsicht ist die Hamas durchaus vergleichbar mit der IRA in Irland. Dies ist wichtig zum Verständnis der Hamas, insbesondere, wenn das Ziel ein tragfähiges Miteinander zwischen Palästinenser*innen und Israelis sein soll.
Für eine politische Lösung des Konfliktes wird es vermutlich notwendig sein, die Hamas politisch zu integrieren und sie vom Terror abzubringen. So ein Vorgehen ist nicht gänzlich neu, bis zum 7. Oktober hat die israelische Regierung Kontakte mit der Hamas gepflegt. Die jetzigen Waffenstillstandsverhandlungen zeigen auch, dass es Kanäle gibt, über die Verhandlungen mit der Hamas möglich sind. Die israelische Regierung hat bis zum 7. Oktober durchaus mit der Hamas kooperiert und Gespräche geführt, insbesondere um die Palästinensische Autonomiebehörde in der Westbank zu schwächen.
Netanjahu und seine Politik richteten sich immer gegen eine Zweistaatenlösung, die Schwächung der PA und die einhergehende Macht der Hamas im Gazastreifen halfen ihm zu behaupten, dass es nie einen echten palästinensischen Verhandlungspartner gab. Damit konnte er das palästinensische Problem ignorieren und Fortschritte zur Gründung eines palästinensischen Staates behindern.
- Strategisch muss zum jetzigen Zeitpunkt schon bedacht werden, was aus dem Gazastreifen werden soll. Wer sollte ihn regieren? Was soll aus der zumeist jungen Bevölkerung werden? Kann es gelingen, den Palästinensern im Gazastreifen Selbstbestimmung und Gestaltung des eigenen Lebens zu ermöglichen? Diese Fragen zu beantworten ist wichtiger als ein Feldzug ohne realisierbaren Enderfolg. Dieser Feldzug trägt sehr wahrscheinlich zur weiteren Destabilisierung des besetzten Gebietes bei und zur Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung. Gewalt wird Gegengewalt erzeugen.
Deutschland sollte sich, aus Solidarität zum jüdischen Volk aber auch aus nationalem Eigeninteresse, aktiv an einer politischen Lösung des Konflikts beteiligen. Auch für die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik als aktiver außenpolitischer Akteur in einer multipolaren Welt, sowie im Verhältnis zum globalen Süden, ist es von eminenter Bedeutung, das Völkerrecht nicht selektiv anzuwenden, sondern für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit für beide Völker – Israelis und Palästinenser – glaubwürdig einzutreten. Dafür sollte sich die SPD starkmachen.
Konkret sollte sollten wir 1. eine Verlängerung der Feuerpause mit dem Ziel eines humanitären Waffenstillstandes und eine endgültige Einstellung der Kampfhandlungen fordern, 2. die Völkerrechtsverletzungen und das überzogene Vorgehen der israelischen Armee kritisieren, 3. uns für einen Stopp der aggressiven israelischen Siedlungspolitik in der Westbank einsetzen, 4. die Aufrechterhaltung der deutschen Hilfe für die Bildung staatlicher Strukturen im Westjordanland und die Unterstützung der kritischen israelischen Zivilgesellschaft erreichen. Als europäische Partei sollten wir uns darüber hinaus für ein abgestimmtes Vorgehen im Nahostkonflikt mit anderen europäischen Partner einsetzen.
leitet das Kompetenzzentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Zukunft der Arbeit, Digitalisierung und Geoökonomie. Von 2018 bis zum August 2024 war er der Vertreter der Stiftung in Nordamerika mit Sitz in Washington DC.
Deutsche Regierungen haben deutsche Interessen zu vertreten.
In der SPD hat man wohl schon früher nicht begriffen, dass es während der islamisch-arabischen und der islamisch osmanischen Herrschaft im Nahen Osten keine 'palästinensische' Volksgruppe gab. Nach Auflösung des Osmanischen Reiches blieben im britischen Mandatsgebiet Palästina schlicht und ergreifend staatenlose Bürger zurück, und zwar bis zur Gründung Jordaniens 1946 und Israels 1948. Wer danach weder in Jordanien noch in Israel lebte, war weiterhin staatenlos, und zwar bis heute. Offensichtlich haben deutsche (SPD-) Regierungen und die UNRWA dafür gesorgt, dass das jahrzentelang so blieb. Alle islamisch-arabischen Staaten wollten und wollen die Bürger Gazas und der Westbank nicht als eigene Bürger aufnehmen. Jordanien musste übrigens die PLO-Terroristen von jordanischem Territorium vertreiben. Würden deutsche Bundesregierungen die Interessen Deutschlands vertreten und pragmatisch handeln, müssten sie die staatenlosen Araber aus Gaza und der Westbank dazu bringen, einen eigenen Staat zu gründen und einen Verzicht zu erklären, Israel und Bürger Israels zu vernichten. Denn diese staatenlosen Araber und ihre Unterstützter [Iran ...] wollten und wollen seit Jahrzehnten ein 'judenfreies' Gebiet haben.