Meinung

It's the economy: Warum Wirtschaftspolitik entscheidend im Wahlkampf wird

Die Wirtschaftspolitik dürfte das entscheidende Thema in diesem Bundestagswahlkampf werden. Um die Unternehmen stark zu machen und Arbeitsplätze zu sichern, muss massiv investiert werden. Um ein Streitthema wird die Politik dabei nicht herumkommen.

von Gustav Horn · 26. November 2024
Stahlproduktion in Duisburg: Es gilt die Industrie mit ihren guten Arbeitsplätzen fit für die Zukunft zu machen.

Stahlproduktion in Duisburg: Es gilt die Industrie mit ihren guten Arbeitsplätzen fit für die Zukunft zu machen.

Der Wahlkampf hat begonnen. Es ist nicht allzu schwer vorherzusehen, dass die Wirtschaftspolitik im Mittelpunkt vieler inhaltlicher Auseinandersetzungen der kommenden Monate stehen wird. Die SPD hat sich nicht zuletzt durch den Leitantrag auf dem Parteitag im vergangenen Jahr vorbereitet, in dem sie sich eine wirtschaftspolitische Ausrichtung gegeben hat, die den großen Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden versucht (Moderne Wirtschaftspolitik). Nachdem die immer enger werdenden neoliberalen Fesseln der FDP von der Ampel abgestreift sind, gilt es nun, sozialdemokratische Vorstellungen mit großer Klarheit und Überzeugung im Wahlkampf zu vertreten.

Die Industrie fit für die Zukunft machen

Entscheidend ist jetzt, klar zu zeigen, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Wie sieht die sozialdemokratische Vorstellung vom wirtschaftlichen Modell Deutschland der Zukunft aus? Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, sollte man auf seinen Stärken aufbauen. Die Stärke der Wirtschaft in Deutschland ist die Industrie mit Betrieben in allen Größenordnungen. Es gilt also, die Industrie mit ihren guten Arbeitsplätzen fit für die Zukunft zu machen. Ein Erfolg würde auf alle anderen Bereiche der Wirtschaft ausstrahlen. 

Ein solcher Zustand fällt aber nicht vom Himmel. Vor dem Hintergrund der akuten Schwierigkeiten im Gefolge der geopolitischen Konflikte, unter denen eine auf Export angewiesene Industrienation besonders leidet, sind sogar erhebliche Anstrengungen erforderlich. Das gilt umso mehr, da Produktion und Konsumtion in weiten Bereichen grundlegend verändert müssen, um nachhaltig zu werden. In gleicher Weise erhöht eine in Teilen nicht mehr funktionstüchtige Infrastruktur und eine in Schieflage geratene Daseinsvorsorge die zu bewältigenden Anforderungen.

Die Bahn ist unzuverlässig, das Gesundheitssystem ineffizient, die Schulen schlecht und Wohnen zu teuer. Hinzu kommt, dass Wirtschaft und Staat durch überzogenes Regeldenken und eine unterentwickelte Ergebnis-Orientierung von bürokratischen Hindernissen umstellt sind. Vieles ist bereits von der Ampel in Angriff genommen worden, aber gerade in den vergangenen Monaten überwogen wegen der Blockaden der FDP die Halbherzigkeiten.

Jetzt muss eine Ära der Investitionen beginnen

Jetzt aber gilt es, einen klaren Kurs einzunehmen. Es ist ein Kurs, der eine Ära der Investitionen beginnen lässt. Öffentliche Investitionen sind das Mittel der Wahl, um die öffentliche Infrastruktur und die Daseinsvorsorge wieder auf einen modernen Stand zu bringen. Private Investitionen – in Teilen mit öffentlicher Unterstützung – treiben den Wandel zur nachhaltigen Produktion und Konsumtion voran. Letzteres geschieht, um den Unternehmen den Umstieg, der ihre Rendite zunächst schmälert und mit Risiken behaftet ist, zu erleichtern und ihn zugleich zu beschleunigen.

Nur so lassen sich technologische Vorsprünge erreichen, die auch in Zukunft die Grundlage für erfolgreiche industrielle Wertschöpfung im globalen Maßstab bilden können. Die Stärken der Industrie hierzulande werden auf diese Weise in die Zukunft übertragen und der Wohlstand wächst. Gute Jobs und der Zugang zu einer funktionierenden Daseinsvorsorge ist der Kit für die breite Mitte unserer Gesellschaft und hält sie zusammen.

Investieren heißt, in die Zukunft zu sparen

Das alles kostet sehr viel Geld. Dieses Geld gibt es. Zwar steht es derzeit nicht in den öffentlichen Haushalten bereit, sehr wohl aber auf den Kapitalmärkten und bei den privaten Investoren. Im Klartext heißt dies, dass die transformativen Investitionen mit höheren Schulden finanziert werden. Dies ist ökonomisch vernünftig, denn Investieren ist nichts anderes als in die Zukunft zu sparen. Investitionen sorgen schließlich für zusätzliche Produktionsmöglichkeiten morgen, die künftig zusätzliche Einnahmen schaffen oder Kosten senken. Beides erhöht den Wohlstand.  

Eine neue Bundesregierung muss also die Schuldenbremse für Investitionen öffnen, um die heute erforderlichen Mittel auf dem Kapitalmarkt aufnehmen zu können. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung einen „Deutschland Fonds“ aufsetzen, an dem sich auch private Finanzinvestoren beteiligen können, der der Industrie Kredite für die Transformation ihrer Produktion zur Verfügung stellt. Dies alles wird einen Schub auslösen, der nicht nur die lahmende Wirtschaft belebt, sondern die Daseinsvorsorge modernisiert, und die Wirtschaft schneller und mit technologischem Vorsprung in die Zeit nachhaltigen Wirtschaftens führt. So sieht eine wirtschaftspolitischen Strategie aus, die Wohlstand und Zusammenhalt stärkt.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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6 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 27.11.2024 - 13:00

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Nachfrage. Da kann es nur eine Antwort geben, und zwar diese. Bürgergeld und Sozialleistungen hoch, Einkommenssteuer auch. Wir müssen das Vermögen so umverteilen, dass alle als Konsumenten auftreten können

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am So., 01.12.2024 - 12:36

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Die Schuldenbremse wird laut beklagt als Investitionshemmnis, aber vergessen wir nicht auch sie gehört zu den Ursünden der SPD, die ja so gerne "modern" sein wollte.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am So., 01.12.2024 - 18:31

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Die Wirtschaft ist nicht das einzige Thema, aber sicher ein zentrales für den Wahlkampf.
Die Notwendigkeit, „massiv investieren zu müssen“, kann aus einem riesigen Investitionsstau, sollte mehr aber noch aus dem „transformativen“ Projekt – Horn ist da mit Beispielen etwas zurückhaltend – abgeleitet werden. Nicht zu überschätzen sind auch die „Schwierigkeiten im Gefolge der geopolitischen Konflikte“, die zu weltweiten Verwerfungen und bei uns u. a. dazu geführt haben, dass wir unser erfolgreiches Wirtschaftsmodell, preiswerte Energie und Rohstoffe von Russland zu beziehen und sie – verarbeitet – unseren Wohlstand mehrend zu verkaufen, aufgekündigt haben und deshalb für deutlich teureren Ersatz auf der Beschaffungsseite sorgen mussten - ein wesentlicher Grund für die Inflation, die offiziell seit 2022 15% unseres Lebensstandards vernichtet hat – und dabei hilft es gar nicht, dass wir uns dadurch, wie z. B. Habeck oder Klingbeil immer – unberechtigt - behaupten,

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am So., 01.12.2024 - 18:33

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aus einer Abhängigkeit mit Erpressungspotential befreit haben. Betrachtete man nur die Lebensmittelpreise, dann käme eine dreifach, vierfach höhere Senkung des Lebensstandards heraus. (Einkommenssteigerungen müssten dagegengerechnet werden.)

Investitionen sind ein notwendiges Mittel, unseren Wohlstand langfristig zu sichern, „in die Zukunft zu sparen“ nennt Prof. Horn das. Die Schuldenbremse zu modifizieren, ist dafür ein dem Ziel Wohlstandssicherung und -mehrung untergeordnetes notwendiges und probates Instrument. (Sie darf in der Diskussion also nicht zur Hauptsache verkürzt werden, wie ich das bei manchen Äußerungen von SPD-Politikern heraushöre.) Die SPD sollte das Thema Investitionen einbetten in die Leitidee, Narrativ, wie man heute sagt, dadurch „einem fortschrittlichen und erfolgreichen Land anzugehören“, in dem „die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs durch Bildung und Leistung“ jedem offensteht (Vorwärts, 21.11.24, „Sozialdemokratischer Pat...“).

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am So., 01.12.2024 - 18:36

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Ich möchte gerne annehmen, dass der Ruf nach „mehr Verantwortung übernehmen“, mehr in „unsere Sicherheit investieren“ oder auf der nach oben offenen Pistorius-BIP-Skala über das 3%-Ziel hinausgehende Ambitionen zu verfolgen, von Horn nicht mit „Gefolge der geopolitischen Konflikte“ gemeint ist, also durch Kredite finanziert werden kann.

Ich registriere eine neue Sichtweise auf die „Schwierigkeiten im Gefolge der geopolitischen Konflikte“, jedenfalls auf den Krieg um die Ukraine, durch die Merkel-Biografie, sodass einige unserer Journalisten den Teil der Autobiografie schon als falsch diagnostizieren mussten.

„Zeige alle Artikel der Rubrik an“ funktioniert übers Wochenende nicht. Die Kinderkrankheiten des neuen Vorwärts ziehen sich.
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