Leitantrag zum Parteitag: Wie die SPD Deutschland modernisieren will
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Die Zahlen, die das Instituts für Weltwirtschaft im Juli herausgab, waren Besorgnis erregend. Nur um 2,2 Prozent werden die Investitionen in Deutschland im kommenden Jahr zulegen, warnten die Kieler Wirtschaftsforscher*innen. Zum Vergleich: In den USA werden es 3,7 Prozent sein, in Großbritannien sogar 7,2 Prozent. Die SPD will damit Schluss machen und fordert ein „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“. So steht es im Entwurf für einen Leitantrag zum Bundesparteitag (8. bis 10. Dezember), den das Parteipräsidium am Montag beraten hat.
Warum muss Deutschland mehr investieren?
Der Umstieg auf Erneuerbare Energien, der Fachkräftemangel, die Digitalisierung – die Welt verändert sich rasant. Das geht auch an Deutschland nicht spurlos vorbei, im Gegenteil. „Wir werden uns verändern müssen, um auch in Zukunft ein starkes Land zu sein“, heißt es im Entwurf für den Leitantrag „Zusammen für ein starkes Deutschland“. Deutschland habe „in Phasen, in denen vieles von selbst zu laufen schien, zu wenig in die Zukunft investiert“. Die Folge: „Deutschland ist in vielen Bereichen zu kompliziert, zu teuer, zu langsam geworden.“
Was will die SPD ändern?
Mit einer „aktiven Standort- und Industriepolitik“, einem „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“ und einem „Deutschlandpakt Bildung“ will die SPD Deutschland wieder an die Spitze bringen. Vor allem im Bereich der Erneuerbaren Energien sehen die Sozialdemokrat*innen viel Potenzial. „Wenn wir den klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft konsequent vorantreiben, kann das zum Wohlstandsmotor für uns, unsere Kinder und Enkelkinder werden“, heißt es im Entwurf des Leitantrags. Eine Million „neue, gut bezahlte Arbeitsplätze“ sollen auf diese Weise bis 2030 entstehen. „Klimaschutz ist für uns kein Thema für Kulturkämpfe, sondern ein Jobmotor“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil bei einer Pressekonferenz am Montag in Berlin.
Wieviel Geld veranschlagt die SPD und woher soll es kommen?
In ihrem Leitantrag geht die SPD davon aus, dass „allein bis 2030“ jedes Jahr „gut 100 Milliarden Euro“ zusätzlich investiert werden müssen, um Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung voranzutreiben. Das Geld soll in erster Linie aus der Privatwirtschaft kommen. Der Staat soll hierfür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, als „strategischer Investor“. Über einen „Deutschlandfonds“ sollen Staat und private Investoren gemeinsam in Zukunftsprojekte investieren.
Woher bekommt der Staat das zusätzliche Geld?
Teil des Leitantrags ist auch ein Finanzierungskonzept. Danach sollen die fünf Prozent der Gesellschaft mit den höchsten Einkommen künftig stärker besteuert werden. Wer reichensteuerpflichtig ist, soll eine „eine temporäre Krisenabgabe“ zahlen. Zudem soll die die Erbschafts- und Schenkungssteuer so reformiert werden, dass Multimillionär*innen und Milliardär*innen mehr zahlen als bisher. Das Geld soll vor allem in den „Deutschlandpakt Bildung“ fließen, mit dem die Länder das Bildungssystem verbessern und modernisieren sollen. „Ich bin mir sicher, dass es viele Multimillionäre gibt, die bereit sind, mehr zu zahlen, wenn das Geld in die Bildung fließt“, sagte SPD-Chef Klingbeil am Montag. Darüber hinaus soll eine „grundlegende Reform der Einkommenssteuer“ dafür sorgen, dass der Großteil der Bevölkerung bei den Steuern entlastet wird.
Was ist sonst noch geplant?
Um energieintensive Unternehmen auf dem Weg des Umstiegs auf Erneuerbare Energien zu unterstützen, sieht der Entwurf für den Leitantrag einen zeitlich befristeten Industriestrompreis vor. Dieser wird von der Bundestagsfraktion und von Gewerkschaften schon länger gefordert. Zudem soll die Schuldenbremse zunächst gelockert und später grundlegend reformiert werden, um Zukunftsinvestitionen möglich zu machen. „In Zeiten der Transformation spiegelt die Schuldenbremse nicht mehr die wirtschaftlichen Realitäten wider“, heißt es in dem Papier. Zudem soll die derzeitige Höhe des gesetzlichen Mindestlohns noch einmal überprüft und ggf. angehoben werden. Außerdem will sich die SPD, wo möglich, für Arbeitszeitverkürzungen einsetzen.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach der Beratung im Präsidium am Montag, wird sich in der kommenden Woche der SPD-Parteivorstand mit dem Leitantrag befassen. Beschließt er ihn, wird er auf dem Parteitag Anfang Dezember in Berlin eingebracht und dort beraten. Dann haben die 600 Delegierten das letzte Wort. Ob und wie die Punkte dann umgesetzt werden, ist jedoch offen. Eine Erhöhung der Steuern für Reiche etwa dürfte in einer Regierung mit der FDP nicht umzusetzen sein. Doch SPD-Chef Lars Klingbeil betonte am Montag bereits, der Antrag verkörpere „eine Haltung, die weit über eine bestimmte Koalition hinausgeht“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.