Diese Gefahren birgt Trumps Friedensplan für Gaza und den Nahen Osten
Große Hoffnungen ruhen auf dem Friedensplan Donald Trumps für den Nahen Osten. Doch schon wie er zustande kam, zeigt, dass die Risiken groß sind. Deutschland und die EU sollten sich deshalb nicht allein auf die Finanzierung des Wiederaufbaus des Gazastreifens beschränken.
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US-Präsident Donald Trump in Sharm al-Scheikh: blumige Absichtserklärung des Weißen Hauses
Es war ein in großen Teilen bizarrer Auftritt von Donald Trump in der Knesset, dem israelischen Parlament, nachdem der Waffenstillstand in Gaza begonnen hatte. Der US-Präsident wurde euphorisch begrüßt, was angesichts der Tatsache, dass er gerade die Freilassung aller lebenden israelischen Geiseln erreicht hatte durchaus nachvollziehbar ist.
Doch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dankte noch für zahlreiche andere Dinge: Die US-Ankerkennung der israelischen Annexion Ost-Jerusalems und der Golan-Höhen, seinen Einsatz gegen „die Lügen gegen Israel in den Vereinten Nationen“ – und dafür, dass Trump die israelischen „Rechte in Judäa und Samaria“ (so der gängige hebräische Name für das Westjordanand) anerkenne, womit er sich auf Entscheidungen aus Trumps erster Amtszeit bezog. Alles Punkte, die den Frieden in Nahost behindern, nicht befördern.
Trumps 20-Punkte-Plan spielte keine Rolle
Zwei Knesset-Abgeordnete, die es wagten, ihre kritische Haltung zu äußern, wurden ausgebuht und dann von Sicherheitskräften aus dem Saal entfernt. Selbst Trump bemerkte sichtlich beeindruckt, der Rausschmiss sei „sehr effektiv“ gewesen. In seiner langen Rede führte Trump aus, warum er der „beste Freund sei, den Israel je hatte“ – nicht zuletzt aufgrund des massiven Umfangs der Waffen, den die USA Israel seit dem 7. Oktober für die zweijährige Militäroffensive in Gaza, aber auch die weiteren Kriege in der Region zur Verfügung gestellt haben.
Das hinderte Trump nicht daran, sich wenige Stunden später im ägyptischen Scharm al-Scheikh für die Beendigung eines der zerstörerischsten Militäreinsätze seit dem Zweiten Weltkrieg zu feiern, den er so erst selbst ermöglicht hatte. Dort stand Trump auf einer Bühne mit den riesigen Lettern „Peace 2025“ und lud die angereisten Staatsführer nacheinander zum Pressefoto. Die Veranstaltung hatte mehr von einem gigantischen Kindergeburtstag als von internationalen Verhandlungen. Noch nicht mal sein in den Tagen zuvor verkündeter „20-Punkte-Plan“ spielte hier eine Rolle, statt dessen wurde eine blumige Absichtserklärung des Weißen Hauses unterzeichnet.
Nicht einmal eine Woche dauerte es, bis der Waffenstillstand bröckelte: Weil die Hamas nicht alle Leichen von 28 israelischen Geiseln übergab – nach Ansicht des Roten Kreuzes auch nicht übergeben konnte – verhinderte die israelische Regierung die angekündigte Öffnung des Grenzübergangs Rafah und schränkte Hilfslieferungen ein. Nach Israels gezielter Aushungerungspolitik der letzten Monate wird so noch immer die dringend erforderliche humanitäre Hilfe instrumentalisiert. Einige Tage später kam es sogar zu massiven israelischen Luftangriffen, die mit einer vorangegangenen Attacke der Hamas begründet wurden. 45 Menschen starben.
Trumps „Friedens“-Plan könnte eher ins Chaos führen
Über den unsicheren Waffenstillstand hinaus gibt es mindestens drei Gründe, warum Trumps Pläne nichts mit „Frieden“ zu tun haben – und statt zu Stabilisierung zu weiterer Eskalation und Chaos führen könnten:
Erstens wurde der Plan gar nicht mit den Konfliktparteien ausverhandelt und bleibt in vielen Punkten vage. Das ist möglicherweise auch der wichtigste Punkt mit Blick auf ein mögliches Scheitern. Denn die sorgfältige Verankerung vor Ort ist eine Grundvoraussetzung für jede funktionierende Friedensregelung. Statt dessen besprach der US-Präsident den Plan zunächst mit dem israelischen Ministerpräsidenten – und setzte hinterher der Hamas ein Ultimatum. Die stimmte zwar zu; doch nur Tage nach Trumps Visite zeigte sich bereits, wie unsicher selbst Phase Eins des Waffenstillstandes bleibt.
Von den anvisierten schwierigen Folgeschritten wie der Entsendung von Friedenstruppen, dem Rückzug der israelischen Armee und einer Entwaffnung der Hamas ganz zu schweigen – hierzu wurden vor Unterzeichnung überhaupt keine Details vereinbart. Und die Hamas hat bereits auf brutale Weise deutlich gemacht, dass sie fürs Erste die dominierende Kraft in Gaza bleibt.
Trump ist schon einmal im Nahen Osten gescheitert
Zweitens ist der Plan und das gesamte Herangehen der US-Administration von offener Einseitigkeit gekennzeichnet. Das ist auch kein Wunder mit Blick auf jene, die ihn vorlegen. Denn Trump und sein Schwiegersohn sowie ehemaliger Nahostbeauftragter Jared Kushner scheitern nicht zum ersten Mal in Nahost. Bereits 2020 kündigten sie den „Deal of the Century“ an. Auch dies ein Plan, der angeblich „Frieden und Wohlstand“ sichern, de facto aber Israel die Übernahme weiter Teile des Westjordanlandes ermöglichen sollte und weitgehend den Vorstellungen der israelischen Siedlungsbewegung folgte.
Dass Präsident Trump die Details des jahrzehntelangen israelisch-palästinensischen Konfliktes nicht kennt, mag niemanden überraschen. Doch Äußerungen, in denen er davon sprach, die Hamas habe „70.000 Leute verloren“, sprechen Bände: Damit negiert er die überwiegend jungen zivilen Opfer der israelischen Offensive. Von den tief traumatisierten Menschen in Gaza verlangt er eine wie auch immer geartete „Deradikalisierung.“ Auch in der Knesset wurde deutlich, wer Trumps Sicht auf den Konflikt prägt: Dort dankte er ausführlich Miriam Adelson, die auf der Zuschauertribüne saß. Ihr verstorbener Ehemann Sheldon Adelson war ein Hauptunterstützer von Benjamin Netanjahu und den Interessen der Siedlerbewegung.
Trumps Plan ist vage und einseitig
Drittens ist in dem 20-Punkte-Plan keine Rede vom Völkerrecht und den Menschenrechten, die Vereinten Nationen spielen bestenfalls eine Nebenrolle. Genau das ist aber der relevante internationale Rahmen: Urteile Internationaler Gerichtshöfe wie das IGH-Gutachten von 2024 zur israelischen Besatzung, sämtliche verpflichtende Sicherheitsratsresolutionen, die wichtige Rolle verschiedener UN-Organisationen vor Ort – all das will die Trump-Administration abräumen. Auch das Westjordanland kommt in den Plänen überhaupt nicht vor, wo seit Monaten die Gewalt eskaliert. Allein seit dem 7. Oktober haben israelische Armee und bewaffnete Siedler hier über 1000 Palästinenser*innen getötet.
Trumps Vorschlag eines „Friedensrats“ ist zudem ein willkürlich geschaffenes Instrument, mit dem sich die USA zu einer Art Neuauflage einer Mandatsmacht aufschwingen. Dass dabei ausgerechnet der in der Region nicht nur wegen des Irakkriegs völlig diskreditierte ehemalige britische Premierminister Tony Blair eine zentrale Rolle spielen soll, zerstört zusätzlich jede Glaubwürdigkeit.
Ein Gremium wie der „Friedensrat“ müsste von den Vereinten Nationen berufen und legitimiert werden, vor allem aber fehlt außer vager Andeutungen die Beschreibung eines Weges zu palästinensischer Selbstbestimmung und einem Ende der Entrechtung von Palästinenser*innen unter israelischer Besatzung. Zwar durfte der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, dem Trump noch vor Kurzem die Einreise in die USA verwehrt hatte, in Scharm al-Scheikh anreisen. Doch Trumps Plan sieht bis auf Weiteres keine Rolle für seine Autonomiebehörde vor.
Die Europäische Union muss Einfluss auf Trump nehmen
Aus diesen Gründen wäre es schon längst geboten gewesen, dass die EU sich von dem Plan Trumps abgrenzt und eigene Akzente setzt. Natürlich war der Impuls richtig, eine sofortige Einstellung der Angriffe und Freilassung der Geiseln nachdrücklich zu unterstützen. Dass die EU mit Trump diplomatisch umgehen muss, ist nachvollziehbar, doch den von ihm beschrittenen, einseitigen Ansatz kritiklos mitzutragen, könnte sich noch als fatal erweisen. Der von Friedrich Merz und Johann Wadephul geäußerte Optimismus war groß - doch worauf er eigentlich fußt, sagen sie nicht.
Klar ist, dass die extremistischen Mitglieder der israelischen Regierung den Militäreinsatz in Gaza weiterführen wollen. Auch Deutschland und die die EU müssen Druck ausüben, um das mit allen Mitteln zu verhindern. Sie müssen sich dafür einsetzen, dass der Gazastreifen endlich geöffnet wird, um das unendliche Leid der Menschen zu lindern. Humanitäre und medizinische Hilfe dürfen nicht länger instrumentalisiert werden, der Gazastreifen muss auch für internationale Journalist*innen und Menschenrechtler*innen zugänglich sein, Kriegverbrechen müssen aufgeklärt werden.
ist Historiker, Dozent an der International Hellenic University in Thessaloniki und Autor mit Schwerpunkt Naher Osten und östliches Mittelmeer. Von 2012 bis 2015 leitete er das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah.