Beziehungen zu Norwegen: Wofür SPD-Politiker Thönnes den Brandt-Preis bekommt
Franz Thönnes hat aus einer Urlaubsliebe Politik gemacht. Seit Jahrzehnten setzt sich der SPD-Politiker für die deutsch-norwegischen Beziehungen ein. Gemeinsam mit dem Journalisten Asbjørn Svarstad erhielt er am Freitag eine besondere Auszeichnung.
Willy Brandt-stiftelsen / Willy Brandt-Stiftung
Der Willy-Brandt-Preis wird jährlich an eine Person oder Institution aus Norwegen und Deutschland vergeben.
Die Liebe begann mit einem Reinfall. Es war das Jahr 1974, Deutschland gewann die Fußballweltmeisterschaft, und Franz Thönnes, damals 20 Jahre alt, fuhr mit seiner Freundin in den Urlaub. Nach Norwegen sollte es gehen, in eine Hütte in der westlichen Fjordregion. Dann stellte sich heraus, die Hütte gab’s nicht, das Reisebüro in der Heimat hatte sich vertan. „Man hätte meinen können, die deutsch-norwegischen Beziehungen waren damit zum Scheitern verurteilt“, scherzte Thönnes heute, 50 Jahre später, in den Nordischen Botschaften in Berlin.
Zum Scheitern verurteilt waren die Beziehungen wohl nicht. Thönnes wurde am Freitag für sein Engagement für das Verhältnis zwischen Norwegen und Deutschland mit dem Willy-Brandt-Preis ausgezeichnet. Denn in jenem Sommer 1974 fuhr er keineswegs zurück ins Ruhrgebiet, sondern zog mit seiner Begleitung von Campingplatz zu Campingplatz, die Westküste entlang. „Da haben wir uns verliebt, in diese Landschaft und diese Stille“, schwärmt der 70-Jährige. Aus Urlaubsliebe wurde Kulturinteresse, und daraus schließlich Politik.
Namensgeber Brandt im norwegischen Exil
Die Deutsch-Norwegische Willy-Brandt-Stiftung unterstützt Projekte und organisiert Veranstaltungen zwischen den beiden Ländern. Seit 20 Jahren ehrt sie Personen und Institutionen, die sich um die Beziehungen zwischen Norwegen und Deutschland bemühen. Die Stiftung ist nicht mit der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung zu verwechseln, die das Andecken des ehemaligen Bundeskanzlers bewahrt. Willy Brandt ist gleichsam Namensgeber der deutsch-norwegischen Stiftung, weil er in dem skandinavischen Land Zuflucht vor der Naziherrschaft in Deutschland fand. Ab 1940 wurde er norwegischer Staatsbürger. Später war Brandt maßgeblich am Wiederaufbau der guten Beziehungen zwischen Oslo und Berlin beteiligt - heute gilt Deutschland als wichtigster Partner Norwegens in der EU.
Die guten Beziehungen zu Norwegen schrieb sich auch Thönnes auf die Fahne. 2000 war er Mitbegründer der Stiftung, 2010 folgte er Egon Bahr als Vorstandsvorsitzender auf deutscher Seite. Von 1999 bis 2003 war Thönnes Landesvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, von 1994 bis 2017 saß er im Bundestag. Dort leitete er unter anderem die deutsch-nordische Parlamentariergruppe und war Co-Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Von 2002 bis 2005 war er Staatssekretär bei der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und danach bis 2009 Staatssekretär im Arbeitsministerium unter Franz Müntefering und Olaf Scholz. Der norwegische König Harald V verlieh ihm 2019 einen königlichen Orden, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ehrte ihn im gleichen Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz.
Weitergabe von Wissen zwischen Kulturen und Generationen
Und schließlich verbrachte Thönnes mit seiner Familie 20 Jahre lang am Stück Weihnachten in den Fjorden – daran erinnerte Morten Weiland, einst norwegischer Botschafter, in seiner Laudatio. Ganz besonders eingesetzt habe er sich für den Austausch junger Erwachsener aus beiden Ländern, etwa, indem er Jungpolitiker*innen beider Länder zusammenbrachte. „Die Weitergabe von Wissen zwischen verschiedenen Kulturen und Generationen ist nicht selbstverständlich“, sagte Thönnes in seiner Dankesrede. Dabei sei es gerade jetzt wichtig, sich dieses Wissen zu Nutze zu machen, weil Europa nach der Wiederwahl von Donald Trump vor neuen Herausforderungen stehe.
Neben Franz Thönnes wurde auch der Journalist Asbjørn Svarstad mit der Willy-Brandt-Büste geehrt. Svarstad lebt seit 1996 in Berlin und schreibt für mehrere skandinavische Medien Kolumnen und politische Kommentare. Der 65-Jährige hat eine persönliche Verbindung zu Willy Brandt – die norwegische Tochter des ehemaligen Bundeskanzlers war seine Grundschullehrerin. „Es kam gut an, dass ich bei meinem ersten Treffen mit Willy Brandt dem Altkanzler sagen konnte, dass es seine Tochter war, die mir das Lesen und Schreiben beigebracht hat", sagte der Korrespondent in einem Interview mit der norwegischen Zeitung Gudbrandsdølen Dagningen. „Danach war Brandt immer sehr großzügig, dem ehemaligen Schüler seiner Tochter Exklusivinterviews zu geben." Laut Stiftung ist Svarstad heute der einzige norwegische Journalist mit festem Wohnsitz in der Hauptstadt.