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Warum sich zwei Jusos gegen Hunger und Armut engagieren

Luisa Stauder und Max Hentschel engagieren sich im Kampf gegen Hunger und Armut. Zum Tag der Menschenrechte erzählen die beiden Jusos, inwieweit sich diese Probleme durch Corona zusätzlich verschlimmert haben.

von Jonas Jordan · 10. Dezember 2020
Die weltweite Armut hat in der Corona-Zeit zugenommen.

Die weltweite Armut hat in der Corona-Zeit zugenommen.

Welche Bedeutung haben Menschenrechte für Sie?

Luisa Stauder: Menschenrechte sind unheimlich wichtig. Gerade durch die aktuelle Lage wird deren Bedeutung nochmals unterstrichen. Menschenrechte waren und sind der Versuch, allen Menschen bestimmte Grundrechte einzuräumen und zu garantieren. In der Praxis sieht das natürlich anders aus. Die Pandemie liefert ein gutes Beispiel, inwiefern auch Menschenrechte eingeschränkt werden müssen, um beispielsweise die öffentliche Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten.

Max Hentschel: Menschenrechte sind fundamental für die eigene persönliche Entfaltung und müssen jeder Person zustehen. Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, seine/ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, ohne Angst zu haben, ob er/sie dafür diskriminiert wird oder sogar körperliche Gewalt erfährt. Ich würde sogar weitergehen und behaupten, dass dazu nicht nur die körperliche Unversehrtheit zählt, sondern auch der Zugang zu allen Mitteln, die ein menschenwürdiges Leben umfassen, wie Zugang zu Gesundheit, Trinkwasser, Nahrung, Unterkunft.

Inwieweit gehören Menschenrechte und Sozialdemokratie für Sie zusammen?

Stauder: Die Grundwerte „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ gehören unweigerlich mit der Erfüllung von Menschenrechten zusammen. Essentiell ist jedoch die Auslegung dieser Begriffe und der Fokus der Sozialdemokratie: Unsere Welt ist nicht gerecht und ist durchzogen von Strukturen, die andere Menschen benachteiligen – innerhalb unserer Gesellschaft, aber auch weltweit. Ich sehe es als unerlässlich, die Grundwerte und Menschenrechte im Licht der globalen Verhältnisse zu sehen und anzugehen.

Hentschel: Für mich ist Sozialdemokratie eine Idee, welche einen Schwerpunkt setzt auf Menschenrechte. Sie stellt die Frage in den Vordergrund, was sollte jede und jeder einzelne in unserer Gesellschaft zur Verfügung gestellt bekommen oder wenigsten den Zugang dazu erhalten. Meiner Meinung nach müssen darunter auch Dinge fallen wie, bezahlbares Wohnen, fairer Lohn für faire Arbeit oder eine saubere Umwelt.

Sie engagieren sich in diesem Jahr als ONE-Jugendbotschafter*innen. Warum?

Stauder: Die globalen Ungleichheiten nehmen von Tag zu Tag zu. Als Frau, die in Mitteleuropa aufgewachsen ist, habe ich Privilegien, die mir nur aufgrund meines Geburtsortes zu Teil wurden. Wir alle profitieren tagtäglichen von den unterdrückenden Strukturen, die vor allem auf Länder des Globalen Südens und marginalisierte Gruppen wirken. Mit meinem Engagement möchte ich genau darauf aufmerksam machen und Politiker*innen dazu auffordern, eine reflektierte und partnerschaftliche internationale Zusammenarbeit aufzubauen.

Hentschel: Ehrenamtliches Engagement ist für mich selbstverständlich und durch mein Studium habe ich mich schon länger mit der Thematik Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt. Ich fand es reizvoll, mit anderen jungen Menschen aus ganz Deutschland gemeinsam für eine Sache zu streiten, welche in der deutschen Politik eher eine untergeordnete Rolle spielt. Mit Abgeordneten zu diskutieren und sich für Menschen einzusetzen, welche keinen Zugang zu unseren Entscheidungsträgern haben, war meine Motivation.

In vielen Ländern hat sich die Situation in Bezug auf den Kampf gegen Hunger und Armut durch Corona verschlimmert. Welche Bedeutung hat das für Ihr Engagement?

Die Coronapandemie zeigt nochmal deutlicher, wie die bereits genannten Strukturen wirken. Es ist keine Überraschung, dass reiche Länder wie Deutschland in Bezug auf soziale und wirtschaftliche Aspekte ‚besser‘ durch die Pandemie kommen als andere Länder. Durch die Haushaltsherausforderungen, die durch die Pandemie entstanden sind, ist unser Engagement wichtiger denn je, um sicherzustellen, dass die Gelder nicht dort gestrichen werden, wo sie gebraucht werden: in der internationalen Zusammenarbeit.

Welche Forderungen stellen Sie?

Unsere Hauptforderung ist, den Etat für internationale Zusammenarbeit hin zu den 0,7-Prozent auszurichten und dabei die Gelder insbesondere in Geschlechter- und Bildungsgerechtigkeit auszurichten und vor allem fragile Staaten und LDCs einzubeziehen. Im Hinblick auf die gesundheitliche Lage um COVID-19 fordern wir nochmals mehr eine gemeinsame Zusammenarbeit und faire Verteilung der Impfstoffe.

In früheren Jahren haben sich ONE-Jugendbotschafter*innen, um ihren Botschaften Nachdruck zu verleihen, mit Spitzenpolitiker*innen getroffen. Wie lief Ihr Engagement in diesem Jahr?

Logischerweise lief dieses Jahr die meiste Arbeit über Social Media oder Videokonferenzen. So gab es etliche Live Formate gemeinsam mit Politiker*innen, und beispielsweise bei den Lobbytagen im September vertiefte Gespräche im Videocall mit Abgeordneten des Bundestages. Das einzige, was wir durch Corona einstellen mussten, waren die lokalen Infostände, die wir auf kulturellen oder sozialen Veranstaltungen organisiert haben.

Deutschland steht in Bezug auf das 0,7-Prozent-Ziel für Entwicklungszusammenarbeit derzeit gut da. Wie beurteilen Sie das?

Stauder: Natürlich ist die Erfüllung des 0,7-Prozent-Ziels, zu der sich Deutschland vor über 40 Jahren verpflichtet hat, nach wie vor immens wichtig. Aber noch viel wichtiger als lediglich das Erreichen dieser 0,7 Prozent des BNE, ist zum einen die effektive Mittelverwendung und zum anderen geeignete Finanzierungskanäle zu wählen. Dabei setzen wir uns neben den oben beschriebenen Forderungen auch für mehr multilaterale Finanzierungsinstrumente ein.

Hentschel: Es entscheidet nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität. In den nächsten Monaten und Jahren müssen wir uns dem Ziel weiter nähern und immer kritisch hinterfragen, wie und wo unterstützen wir nachhaltig und langfristig am besten.

Was wünschen Sie sich für 2021 in Bezug auf den Kampf gegen Hunger und Armut?

Stauder: Generell wünsche ich mir ein größeres Verständnis für globale Verhältnisse und Strukturen. Häufig begegnet mir die Argumentationslinie, dass es so viele lokale Probleme hier vor Ort gibt und weshalb wir diese nicht ansprechen. Diese Sichtweise ist meiner Ansicht nach gefährlich, da so marginalisierte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Für 2021 wünsche ich mir, dass wir beginnen gemeinsam zu arbeiten, anstatt die Herausforderungen marginalisierter Gruppen gegenüberzustellen.

Hentschel: Erst einmal, dass wir die Pandemie bezwingen, das bedeutet, dass wir einen Großteil der Bevölkerung auf der Welt mit Impfstoff versorgen können. Denn Corona verschlimmert viele ohnehin bestehenden Probleme wie Hunger und Armut zusätzlich.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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