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Vor dem NATO-Gipfel: „Abschreckung Putins ist das Gebot der Stunde“

Kurz vor dem NATO-Gipfel in Den Haag zeigt die SPD sich offen für höhere Verteidigungsausgaben. Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Sebastian Hartmann setzt auf eine „Position der Stärke“ des Westens gegenüber dem russischen Machthaber Wladimir Putin. Und er spricht eine deutliche Warnung aus.

von Lars Haferkamp · 23. Juni 2025
Die NATO setzt auf Einigkeit: Verteidigungsminister Boris Pistorius (r.) mit seinem britischen Amtskollegen John Healey (l.) und dem ukrainischen Rustem Umerov (m.) am 4. Juni 2025 in Brüssel

Die NATO setzt auf Einigkeit: Verteidigungsminister Boris Pistorius (r.) mit seinem britischen Amtskollegen John Healey (l.) und dem ukrainischen Rustem Umerov (m.) am 4. Juni 2025 in Brüssel

Herr Hartmann, die NATO bewegt sich auf das Ziel zu, künftig einen Anteil von fünf Prozent des nationalen Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung zu investieren. Ist das Konsens innerhalb der Bundesregierung?

Auf dem kommenden NATO-Gipfel in Den Haag werden die Mitgliedstaaten auch über die Höhe der Verteidigungsausgaben diskutieren. Diese werden sich auch an den neuen Fähigkeitszielen orientieren. Da die Anforderungen steigen, sollten wir uns nicht überrascht zeigen, wenn auch die Forderungen an die Verteidigungsausgaben steigen. Das eine geht mit dem anderen einher. 

Dennoch sind Prozentzahlen nicht alles. Im Vordergrund müssen die Fähigkeiten stehen, die am Ende zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit unserer Bundeswehr und der NATO in Gänze beitragen. Das ist allen in der Bundesregierung bewusst. Im Bundesministerium der Verteidigung arbeiten wir unermüdlich daran, unseren Beitrag zur Verteidigung des Bündnisses zu leisten. Auf welcher Marke sich am Ende die NATO-Mitgliedstaaten verständigen werden, bleibt bis Den Haag abzuwarten. 

Verteidigung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe

Die spannende Frage wird sein: Was wird in diese fünf Prozent alles miteinberechnet. Was ist Ihr Vorschlag? Und bis wann soll Deutschland dieses Ziel erreichen?

Unabhängig von der Festlegung auf eine konkrete Prozentzahl umfassen Verteidigungsausgaben stets mehr als nur reine Investitionen in die Streitkräfte oder in Rüstungsvorhaben. Verteidigung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, dazu gehören beispielsweise auch die Schaffung und der Ausbau von verteidigungswichtiger Infrastruktur, die Vorhaltung von Waren und Gütern sowie zivil-militärische Dienstleistungen wie Logistik oder Gesundheitsvorsorge. 

Aber auch die Unterstützung von Partnerländern kann einen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit leisten. Darüber wird in Den Haag zu diskutieren sein. Und auch über die Zeitlinien zur Umsetzung wird beraten werden müssen.

Mehr Investitionen in die Verteidigung bedeuten auch mehr Investitionen in Rüstung. US-Präsident Trump hofft auf große Aufträge für amerikanische Firmen. Wollen Sie in den USA oder wenn möglich in Deutschland und Europa investieren?

Die Bundeswehr muss schnell und zielgerichtet aufwachsen, auch materiell. An unseren Beschaffungsprozessen haben wir bereits gearbeitet und positive Veränderungen erzielt. Das reicht uns aber nicht aus. Wir werden daher noch in diesem Jahr ein Gesetz einbringen, das zur weiteren Beschleunigung der Beschaffung beiträgt. In der Vergangenheit haben wir bei den meisten Projekten auf eine sogenannte „Goldrandlösung“ gesetzt. 

Diesen Luxus können wir uns angesichts der Bedrohung nicht mehr leisten

Das bedeutet?

Vereinfacht ausgedrückt: Es wurden viele Sonderwünsche erfüllt. Die Folge war, dass die Systeme lang in der Entwicklung und in der Produktion brauchen und teuer wurden. Diesen Luxus können wir uns unter Berücksichtigung der Bedrohung nicht mehr leisten. Das heißt nicht, dass wir an Sicherheit und Qualität einsparen. Das heißt aber, dass wir verstärkt auf marktverfügbare und einsatzbewährte Systeme zurückgreifen werden. 

Verstärkt aus Deutschland und Europa?

Selbstverständlich werden wir dabei auch deutsche und europäische Industrie und Anbieter berücksichtigen, aber auch gutes und bewährtes Material unserer Partner und Verbündeten werden wir ebenso bestellen. Als Beispiele mag ich hier den Kauf von weiteren Kampfpanzern Leopard aus Deutschland, das Raketenabwehrsystem Arrow aus Israel und den neuen Transporthubschrauber Chinook aus den USA nennen. In Europa schließen wir uns mit unseren Partnern stärker zur gemeinsamen Beschaffung zusammen und haben dazu verschiedene Initiativen gegründet.

Sebastian
Hartmann

Der Krieg in der Ukraine zeigt uns sehr deutlich, welche Bedeutung Drohnen in der heutigen Kriegsführung einnehmen.

Deutschland will besonders seine Luftverteidigung und Drohnenabwehr verbessern. Bisher verfügt die Bundeswehr über keine bewaffnete Kampfdrohnen. Wie entscheidend die sind, zeigt ja gerade der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Hat Deutschland diese waffentechnische Entwicklung verschlafen?

Der Krieg in der Ukraine zeigt uns sehr deutlich, welche Bedeutung Drohnen in der heutigen Kriegsführung einnehmen. Den Einsatz von Drohnen beobachten wir sehr genau und ziehen auch für uns die erforderlichen Konsequenzen für deren Einsatz sowie Abwehr. Ich möchte betonen, dass die Bundeswehr grundsätzlich keine Entwicklung verschlafen hat, wir gleichwohl Defizite haben, die wir derzeit aufholen. 

Das heißt konkret?

Aktuell beschafft die Bundeswehr bewaffnungsfähige Drohnen wie die Heron TP. Zudem entwickeln wir gemeinsam mit europäischen Partnern die Eurodrohne. Aufgrund diverser Beschlüsse des Bundestages war es der Bundeswehr jedoch nicht erlaubt, Drohnen zu bewaffnen oder gar Ausbildung für den Einsatz von Waffen an Drohnen durchzuführen. Dazu mussten erst bestimmte Bedingungen erfüllt werden. 

Zum Ende der vergangenen Legislaturperiode wurden diese Auflagen erfüllt und wir sind nun mit voller Kraft dabei, den Einsatz und die Abwehr von Drohnen im Rahmen der Bündnis- und Landesverteidigung zu integrieren. Dazu wurde im Ministerium eine temporäre Task Force Drohnen etabliert, die Empfehlungen für die Beschaffung diverser Systeme von Klein- und Kleinstdrohnen und deren Abwehr ausspricht. Mittlerweile befinden wir uns in der Umsetzung der Empfehlungen.

Sebastian
Hartmann

Der SPD-Bundestagsabgeordnete ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung.

Sebastian Hartmann: Der SPD-Bundestagsabgeordnete ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung.

Deutschland hat die Flugabwehrrakete Patriot oder das Luftverteidigungssystem Iris-T an die Ukraine geliefert. Inwiefern vergrößert das unsere Fähigkeitslücke? Und bis wann soll sie geschlossen sein?

Die Unterstützung der Ukraine ist für uns bestimmend. Von Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges an haben wir die Ukraine mit militärischen, finanziellen, humanitären und diplomatischen Mitteln unterstützt. Die Ukraine verteidigt auf ihrem Territorium auch die Sicherheit und Freiheit Europas. Wir sind der größte Unterstützer der Ukraine in Europa und nach den USA der zweitgrößte weltweit. 

Nach dem Rückschritt der USA als Führungsnation der Ukraine Kontaktgruppe leiten wir mittlerweile gemeinsam mit unserem britischen Partner diese Gruppe. Im Rahmen der militärischen Unterstützung der Ukraine bieten wir auf vielen Ebenen Unterstützung an, sei es mit Material, Munition oder Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten in Deutschland. Einen Schwerpunkt der militärischen Unterstützung setzen wir im Bereich der Luftverteidigung. 

„Die Nachbeschaffung der an die Ukraine gelieferten Flugabwehrsysteme ist bereits eingeleitet“

Was bedeutet das für die deutschen Flugabwehrsysteme?

Deutsche Patriot-Systeme leisten zum Schutz Kiews und anderer Städte einen wesentlichen Beitrag. Ebenso tragen die neu entwickelten und noch nicht in die Bundeswehr eingeführten Systeme Iris-T zur Abwehr russischer Raketen und Marschflugkörper bei und retten so Menschenleben. 

Es stimmt, diese Systeme stehen uns in Deutschland nicht zur Verfügung, aber in der Abwägung haben wir uns für die Lieferung der Systeme in die Ukraine entschieden. Diese Abwägung ist politisch klug und militärisch tragbar. Die Luftverteidigung Deutschlands ist in die Luftverteidigungsstruktur der NATO eingebunden. Diese bleibt also erhalten. Wir haben auch nicht unsere gesamten Systeme abgegeben. Zudem ist die Nachbeschaffung der an die Ukraine gelieferten Systeme bereits eingeleitet.

Sebastian
Hartmann

Wir müssen uns und die NATO in die Lage versetzen, Putin von einem möglichen Angriff auf das NATO-Gebiet im Vorfeld abzuschrecken.

Manche Militärexperten warnen, Moskau werde mit einem möglichen Angriff auf NATO-Gebiet nicht so lange warten, bis wir in fünf bis acht Jahren verteidigungsfähig sind, deshalb seien die nächsten Jahre für den Westen die gefährlichsten. Teilen Sie diese Einschätzung?

Putin beweist jeden Tag, dass er sich nicht an internationales Recht gebunden fühlt. Er stellt nicht nur die wertegebundene internationale Ordnung mit militärischen Mitteln infrage, er will sie beseitigen. Er will eine neue Weltordnung schaffen, nach seinen Bedingungen. Das muss uns ganz klar sein. 

Schon heute sind wir und unsere Verbündeten hybriden Bedrohungen und Angriffen aus Russland ausgesetzt. Expertinnen und Analysten gehen davon aus, dass Russland ab dem Jahr 2029 in der Lage sein wird, einen großflächigen konventionellen Angriff auf NATO-Gebiet durchführen zu können. Das heißt nicht, dass es unumstößlich so kommen muss, aber Putin wäre dazu in der Lage. 

„Wir müssen unsere Verteidigungsbereitschaft schnellstmöglich wiederherstellen“

Kleinere russische Attacken werden aber schon früher erwartet.

Nadelstiche, um den Zusammenhalt und die Entschlossenheit der NATO zu testen, könnten auch früher erfolgen. Daher ist es ja so wichtig, dass wir unsere Verteidigungsbereitschaft schnellstmöglich wiederherstellen. Dazu gehört neben der materiellen Ausstattung der Bundeswehr auch der erforderliche personelle Aufwuchs. 

Wir müssen uns und die NATO in die Lage versetzen, Putin von einem möglichen Angriff auf das NATO-Gebiet im Vorfeld abzuschrecken. Abschreckung ist das Gebot der Stunde, und das geht nur aus einer Position der Stärke heraus. 

– Das Interview wurde schriftlich geführt. –

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17 Kommentare

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Mo., 23.06.2025 - 13:14

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Das Kriegstüchtigkeits-, Aufrüstungs-, Militarisierungs-Delirium der "neuen" SPD um Lars Klingbeil ist für mich,
1953 geboren, Angehöriger der Generation 'Willy wählen' / 'Mehr Demokratie wagen' / 'Frieden schaffen mit immer weniger Waffen' , unerträglich geworden. Das behauptete russische Bedrohungsszenario gegenüber Deutschland wird offenkundig gewollt herbeigeredet - ohne konkrete/reale deutschlandbezogene Bedrohungsbeweise vorlegen zu können. Ja - Deutschland muss sich - wie jedes Land - notfalls verteidigen können. Aber Kriegstüchtigkeitsbesoffenheit darf nicht zur Verteidigungsfähigkeit des BRD-Territoriums umgedeutet werden. Bevor überhaupt ein Schuss zur Verteidigung fällt, muss verhandelt, verhandelt, verhandelt werden. Die absolute Erstrangigkeit von Verhandlungen/Diplomatie ist dem Überleben der Menschheit und der Bewahrung der Schöpfung geschuldet! "Positionen der Stärke" sind kontraproduktiv. In einem potenziellen Atomkrieg wird auch der "Stärkere" als Zweiter sterben!

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mo., 23.06.2025 - 15:35

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Um kriegstüchtig zu werden braucht man Kriegsdienst nicht Wehrdienst.
Aber kein Beitrag des vorwärts zu den völkerrechtswidrigen Überfällen auf den Iran; mögen einem die Mullas gefallen oder nicht.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Di., 24.06.2025 - 13:12

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Die SPD-Sicht auf den Nato-Gipfel überwölbt ein Bild, das den massigen Ukrainer Rustem Umerov zeigt, flankiert von dem halbstarken Pistorius und dem schmächtigen Briten John Healey. Das Bild bringt eine bemerkenswerte Entwicklung auf den Punkt, die 1997 mit Bemühungen der Nato um die Ukraine begannen (Nato – Ukraine – Charta (9.7.1997)) - als dessen Bevölkerung noch russisch träumte; die 2008 auf Drängen der USA der Ukraine eine baldige Nato-Aufnahme versprach (Nato-Gipfel in Bukarest) - als noch 80% der ukrainischen Bevölkerung russisch träumte; die vorläufig mit dem Überfall auf die Ukraine durch die russische Armee endete, von uns „Zeitenwende“ genannt, auch gern „Aufwachen in einer anderen Welt“ – als, so unsere Erzählung, die ukrainische Bevölkerung (fast) geschlossen in die Nato wollte. Im Zuge dieser Zeitenwende bekam Selenskyj den Status eines inoffiziellen Führers der EU und der Rest-Nato. Und den hat er sich redlich verdient,

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Di., 24.06.2025 - 13:16

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denn „die Ukraine verteidigt auf ihrem Territorium auch die Sicherheit und Freiheit Europas“ vor Putin, versteht sich. Sie macht das in einer bemerkenswerten „Arbeitsteilung“ mit Europa, das, vor allem Deutschland, die „Ukraine mit militärischen, finanziellen, humanitären und diplomatischen Mitteln unterstützt“ - „ nach den USA der größte (Unterstützer) weltweit“ , während die Ukraine lediglich ihr Staatsgebiet und ihr Staatsvolk einbringt. Diese „Arbeitsteilung“ im Krieg ist eine strategische Meisterleistung zutiefst zynischer Diplomatie, die man in ihrer Abscheulichkeit eigentlich nur Putin zugetraut hätte, der ja nicht nur „Geheimdienstdenken“, sondern „eine viel ältere diplomatische Tradition der Manipulation“ perfekt beherrscht (, die irgendwie auf das kampflose „finale Vertreiben der Mongolen im Jahr 1480“ zurückgeht) (Tim Grassmann, Blätter …, 1`25).

Im Ukrainekrieg wird nicht unsere Freiheit verteidigt, sondern es geht hauptsächlich um den geostrategischen Status der Ukraine.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Di., 24.06.2025 - 13:19

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Die Nato reklamiert die Ukraine als für ihre Sicherheit unverzichtbar (Nato-Strategie 2022): Mit dem Nato-Beitritt der Ukraine (und Georgiens) wäre die Eindämmung Russlands vollendet. Die Nato kann ihren Anspruch mit dem Völkerrecht legitimieren. Für die Russische Föderation hat die Ukraine die gleiche strategische Bedeutung, sie hat aber nicht das Völkerrecht auf ihrer Seite. Für die Nato war die die Aufnahme der Ukraine nie verhandelbar, selbst nicht am Vorabend des Überfalls (Scholz, Bearbock). Wenn es um Sicherheitsstrategie geht, spielt das Völkerrecht keine tragende Rolle, wie Israel und die USA gerade demonstrieren.
Die Formel, „die Ukraine verteidigt auf ihrem Territorium auch die Sicherheit und Freiheit Europas“, ist die Sublimierung der schnöden Tatsache, dass wir nicht in der Lage waren, die Sicherheitsinteressen von Nato, Ukraine und Russischer Föderation auszugleichen – und es immer noch nicht sind, darum auch keinen realistischen Ansatz für eine Friedenslösung finden.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Mi., 25.06.2025 - 11:49

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Den Langfrist-Charakter dieser Strategie kann man nicht besser verdeutlichen als mit dem Aufbau einer ukrainischen Waffenschmiede für Langstrecken-Raketen, die in ein, zwei (?) Jahren dann (vielleicht) einen Kampf „auf Augenhöhe“ ermöglichen.

„Klartext reden“ und die Konsequenzen nicht verschweigen. Tim Klüssendorf: „Ziel muss sein, dass jeder versteht, was die SPD will“ (20.6.25).

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 25.06.2025 - 14:25

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Haben denn SPD-Funktionäre (der DGB auch) schon mal darüber nachgedacht, daß ich das Diktierenlassen von ehr Rüstungsausgaben die nationale Souveränität beeinflußt ?
Wer 5% des BIP (= 50% des Bundeshaushalts) für Mordwerkzeuge ausgibt, dem fehlen dann die Mittel um seine eigene Wirtschafts- und Sozialpolitik zu gestalten.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Mi., 25.06.2025 - 18:02

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eine neue Weltordnung schaffen, nach seinen Bedingungen“, sagt (nicht nur) der „Parlamentarische Staatssekretär (der SPD) Sebastian Hartmann“ – und im Kontext wirkt der Satz unanständig anmaßend und bedrohlich.
Meint „der designierte SPD-Generalsekretär (Klüssendorf mit) „Klartext reden““ (2.6.25) solche Sätze?

In den „Sozialdemokratischen Antworten auf eine Welt im Umbruch, Berlin, 20.01.2023“ definiert die SPD „unsere eigene Rolle in der Welt neu“ und will „mehr Verantwortung für … eine regelbasierte internationale Ordnung“ übernehmen. In der Politik scheint es gängige Praxis für jemand oder etwas zu sein, eine Weltordnung schaffen zu wollen: Wenn eine 16%-Partei so vermessen sein darf, wird der Präsident einer Atommacht das vielleicht auch dürfen. Dass Putin aber so realitätsfremd sein soll, „seine Bedingungen für eine neue Weltordnung“ etwa Indien, China, Brasilien und anderen Staaten vorgeben zu wollen, das ist einfach Unsinn. Aber Hartmann meint auch gar nicht, was er da sagt;

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 26.06.2025 - 11:58

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er will mit seiner Aussage nur dem simplen Sachverhalt etwas mehr Gewicht geben, dass Putin in Sachen Ukraine nicht so will, wie er und alle unsere Kriegstüchtigen. Völlig unrealistisch ist es aber auch, eine Weltordnung nach unseren Bedingungen erzwingen zu wollen. Selbst die USA würden auf ein solches Ansinnen, wenn wir Glück haben, (nur) mit dem Bild eines startenden bewaffneten B-2-Kampfjets antworten. Und damit sind wir bei „einer Position der Stärke“, der sich Klingbeil und seine MPD verschrieben haben. Hat die Russische Föderation schon mal eine „Position der Stärke“ uns gegenüber eingenommen, die auch nur entfernt der vergleichbar ist, mit der uns die USA, Trump, gefühlt jeden Tag begegnet? Will Hartmann wirklich eine innen- oder Außenpolitik auf dieser Basis?
Im Kontext meint Hartmann mit „Position der Stärke“, den Krieg in der Ukraine auf dem Schlachtfeld zu beenden, also die Russische Föderation, pardon, Putin zum Frieden zu bomben.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 27.06.2025 - 11:01

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In seinem Interview versucht der Parlamentarische Staatssekretär Sebastian Hartmann, SPD, zu erklären, warum die Bundesrepublik ihre Militärausgaben im engeren Sinne auf 3,5%, im weiteren auf 5% vom BIP „aufwachsen“ lassen wird - Jahr für Jahr. Das sind für die BRD auf der Basis 2024 150,7 Mrd. € (215,3 Mrd. €). Der Haushalt 2024 würde dann 31,7% (45,2%) für Militärausgaben ausweisen. (Es ist also noch Platz nach oben.) Allerdings haben SPD und CDSU noch vom alten Bundestag beschließen lassen, nur 1% der Militärausgaben im Haushaltsplan anzeigen zu müssen, den Rest in irgendeinem „Sondervermögen“ verstecken zu dürfen: Darum gibt es keine Konflikte mit anderen Ressorts wegen Einsparungen, wie der neue SPD-Fraktionsvorsitzende so treffend wie volkswirtschaftlich falsch sagte.

Hartmann erklärt in seinem Interview, dass die Höhe unserer Verteidigungsausgaben von unseren „Fähigkeitszielen“ abhängen, die „der Verteidigungsfähigkeit unserer Bundeswehr“ entsprechen müssen.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 27.06.2025 - 11:03

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Verteidigungsfähigkeit sollte von der Bedrohungslage abhängen, die für uns von Russland vorgegeben wird. (Unsere Nato-Beteiligung macht die Bedrohungslage komplizierter, weltweit.) Zusammenfassen lässt er die Bedrohungslage von unseren „Expertinnen und Analysten“. Die „gehen davon aus, dass Russland ab dem Jahr 2029 in der Lage sein wird, einen großflächigen konventionellen Angriff auf NATO-Gebiet durchführen zu können“. Vorbeugend betont er, „dass es nicht unumstößlich so kommen muss, aber Putin wäre dazu in der Lage“.

Diese Expertenmeinung, ohne die Hintertür Konjunktiv, ist in unseren Fernsehshows, in den Nachrichten, wie in den seriösen Printmedien nicht nur dominant, es gibt keine andere, so dass sie nicht einmal andeutungsweise begründet werden müsste. Dabei hätte Hartmann sich auf einen ausgewiesenen Experten, den „niederländischen Admiral Rob Bauer, bis vor kurzem Chef des Nato-Militärausschusses im Brüsseler Hauptquartier“ (WAZ, 25.6.25), berufen können.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 27.06.2025 - 11:07

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Der glaubt nicht, dass „ein sofortiger Angriff Russlands droht“, weil die Nato „aktuell in der Lage ist, Russland abzuschrecken“. Allerdings „rüstet Russland seine Armee ohne Notwendigkeit massiv auf, nimmt die Bedrohung schnell zu“. Da die russische Aufrüstung, so könnte man einwenden, sicher auch mit dem enormen Verschleiß, Material und Personal, durch den Krieg zu tun hat, auch mit der bedingungslosen Unterstützung der Ukraine durch die europäischen Natostaaten, auch mit dem Beitritt Finnlands und Schwedens in die Nato, sichert der Admiral seine Expertise abschließend und unangreifbar mit der Behauptung ab, dass Putin „mit der Ukraine nicht aufhört, er ist bereit, das Töten fortzusetzen“. Man kann alles glauben, warum nicht auch das.

Hartmann hätte auch das neue „Strategiepapier der Bundeswehr“, das zwar geheim ist (Zeit online, 21.6.25), aber doch hoffentlich nicht so geheim, dass der „Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung“ es nicht sehen darf,

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 27.06.2025 - 11:12

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anführen können. Immerhin entnimmt der „Spiegel“ daraus, „der Kreml richte sowohl seine Industrie als auch die Führungsstrukturen „gezielt an den Anforderungen für einen großmaßstäblichen Konflikt gegen die Nato zum Ende dieser Dekade aus““ (Tagesspiegel 21.6.15). Die Strategen der Bundeswehr kommen zwar ohne Putins angebliche Bereitschaft aus, „das Töten fortzusetzen“, müssen nicht mit Michael Thumann annehmen, dass Putin „sein Land umbaut für ein Zeitalter des ewigen Kriegs“ (Blätter …, 5`25), aber ihre Gründe für den „großmaßstäblichen Konflikt gegen die Nato“ geben diesen nur her, wenn man genau ihn als Ergebnis haben will. Dass Russland über Jahre „gezielt Kriegserfahrung aufgebaut“ hat, führt doch nicht direkt zu einem Großangriff auf die Nato. Aber von dieser Art der Schlussfolgerung sind auch die anderen drei Indizien (1,5 Mio Soldaten unter Waffen, Streitkräfte kontinuierlich weiterentwickeln, besonders an Nato-Grenze aufrüsten) für den baldigen Angriff.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 27.06.2025 - 11:15

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Hartmann hätte einfach feststellen können, dass wir der strategischen Grundannahme Rechnung tragen müssen, dass Nachbarn gegenseitig eine Bedrohung darstellen, der wir durch ein "Gleichgewicht an Abschreckung" begegnen wollen. Er lässt aber das „gegenseitig“ nicht zu, und seine Abschreckung will militärische Dominanz. An den Zwilling der Abschreckung, vertrauensbildende Maßnahmen, verschwendet er darum keinen Gedanken.
Das, u. a., ist das Problem.