Neues Buch: Was Keir Starmer besser macht als Boris Johnson
In ihrem Buch „The big change? Großbritanniens Exit aus dem Populismus“ analysiert Michèle Auga die politische Entwicklung der jüngsten zehn Jahre im Vereinigten Königreich. Dabei werden die Unterschiede zwischen Premierminister Keir Starmer und seinem Vorgänger Boris Johnson überaus deutlich.
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Keir Starmer und sein Vorgänger Boris Johnson im britischen Parlament
Die komplizierten britisch-deutschen Beziehungen ließen sich lange Zeit auf vier Worte reduzieren: Don’t mention the war (erwähne nicht den Krieg). Das Zitat stammt aus der Kult-Episode „Die Deutschen“ der britischen Komödien-Serie Fawlty Towers vor 50 Jahren, in dem der Hotelbesitzer, gespielt von John Cleese, seiner Phobie gegen die Deutschen freien Lauf lässt. Doch inzwischen ist das Verhältnis so gut, dass es fast ins Gegenteil ausschlägt. Der ehemalige Financial Times und BBC Journalist Journalist John Kampfner schrieb einen Beststeller mit dem provokativen Titel „Why the Germans do it better“ (Warum die Deutschen es besser machen).
Eine kritische wie bewundernde Analyse
Andersherum gab es seit eh und je eher Bewunderung für das Vereinte Königreich. Eben auch für den Humor, denn Fowlty Towers wird mindestens ebenso gern auch von Deutschen geschaut. Das neueste Buch, dass das Königreich gleichermaßen kritisch und bewundernd analysiert, stammt von Michèle Auga, langjährige Leiterin des London-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung: „The big change? Großbritanniens Exit aus dem Populismus“.
Die Autorin spannt den geschichtlichen Bogen vom Jahr des Brexits (2016) bis zum ersten Jahr der Labour-Regierung unter Premier Keir Starmer. Dieser klar angelegte rote Faden wird stimmungsvoll ergänzt durch nützliche Details, die den Blick auch weit zurück in die Geschichte wirft. So ist dieses sehr lesenswerte Buch zu verstehen als ein langer Essay über die Geschichte des Landes und ihre bisweilen irren Widersprüche anhand der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der jüngsten zehn Jahre.
Boris Johnson vs. Keir Starmer
Diese wird nicht einfach chronologisch heruntererzählt, sondern am Beispiel von Personen und Orten sehr plastisch beschrieben. So erfährt die aufmerksame Leserin, natürlich auch der aufmerksame Leser, dass im Wahlkreis North Shropshire, landesweit für seine inzwischen verbotenen Treibjagden bekannt, der Niedergang von Boris Johnson begann, als die Tories bei den Wahlen 2021 diesen einst strikt konservativen Kreis verloren. Auch lässt einen die Autorin nachträglich teilhaben am minutiös beschriebenen Begräbnis von Königin Elisabeth II. Und schließlich berichtet sie von einem Krisentreffen von Bankern im Finanzministerium, in dem einst Premier Winston Churchill während des deutschen Bombardements die Kommandozentrale, die „war rooms“, unter den eigentlichen Büroräumen sicher untergebracht hatte.
Die Hauptdarsteller sind der Tory-Politiker Boris Johnson und sein in der Zeit versetzter Gegenpart der Labour-Partei Keir Starmer. Mit anderen Worten – der charismatische BoJo gegen denjenigen, der keinen vom Hocker reist oder der hochintelligente Politik-Clown gegen den ebenfalls klugen, aber bodenständigen Anwalt, der sich für Menschenrechte einsetzt. Anhand dieser beiden so unterschiedlichen Politiker analysiert Michèle Auga faktenreich unterschiedliche Politikansätze und deren Erfolge oder Misserfolge. Dabei lässt sie keinen Zweifel, welchen sie bevorzugt und welchen sie ablehnt.
Lösungen statt Hybris
Die Hybris des einen Politikers, der sich so sicher ist, den Brexit gut zu verwalten, freilich völlig gleichgültig gegenüber der Komplexität der Folgen zeigt. Ein ähnliches Vorgehen wiederholt sich bei der Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Er scheint den Ernst der Lage nicht wahrhaben zu wollen, nicht nur politisch, sondern auch persönlich.
Und natürlich könnte der Unterschied zur Politik von Johnson nicht größer sein, wenn der Labour-Premier sich ganz auf die Grundlage des Regierens konzentriert: „Politik machen, um Lösungen für dringendste Probleme zu finden“. Und dies inzwischen weitestgehend ohne negative oder positive Referenzen zu Deutschland.
Michèle Auga: „The Big Change? Großbritanniens Exit aus dem Populismus“, Dietz Verlag J.H.W. Nachf. ISBN 978-3-8012-0687-1, 224 Seiten, 20 Euro